Название: Textlinguistik
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823301066
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2 Textgrammatik muss eine pragmatische Grammatik sein. Das ist keineswegs selbstverständlich. Mit Recht weist Schlobinski (1997a: 11) darauf hin, dass die Erweiterung des Blicks auf komplexe pragmatische Faktoren nicht zwangsläufig ist, wie zum einen die Rezeption textlinguistisch fundierter Syntaxbeschreibungen zeigt und zum anderen die Grammatik von Weinrich (1993), in der zwar Verschriftungen gesprochener Sprache zitiert werden, aber letztlich nur als Belege für Analysen im Rahmen einer traditionellen Grammatikschreibung.
Eine pragmatisch fundierte Beschreibung grammatischer Strukturen in Texten muss sich von traditionellen textgrammatischen Ansätzen unterscheiden. Es kann nicht mehr nur um eine formale Betrachtung des Textes als transphrastischetransphrastisch Einheit gehen, nicht mehr nur darum, allgemeine oberflächenkonstituierende Merkmale von Texten zu beschreiben oder Pronominalisierungsketten als grammatischsyntaktische Bedingung der KohärenzKohärenz von Texten aufzuzeigen.
Die pragmatische Ausrichtung der Textgrammatik wird darin erkennbar sein, dass sie die in Texten und DiskursenDiskurs regelhaft verwendeten sprachlichen Strukturen zu ihrem Gegenstand erhebt und diese Strukturen mit Blick auf die kommunikativen Gegebenheiten der Äußerung analysiert. Texte werden nicht als isolierte, statische Objekte behandelt, sondern als kommunikative Entitäten. Die grammatischen Strukturen im Text sollen vor dem Hintergrund kognitiver, funktionaler und situativer Faktoren beschrieben werden. Damit legen wir der textgrammatischen Beschreibung eine kommunikativ-kognitive Textauffassung zugrunde, denn zwischen TextfunktionTextfunktion und Textstruktur besteht insofern ein enger Zusammenhang, als „die Textfunktion – zusammen mit gewissen situativen und medialen Gegebenheiten – die Textstruktur, d.h. die Gestaltung des Textes in grammatischer und thematischer Hinsicht, regelhaft bestimmt“ (Brinker 62005: 121).
Solcherart Determiniertheiten für die Grammatik an verschiedenen Texten und Textsorten nachzuweisen, muss Anliegen einer modernen Textgrammatik sein. Voraussetzung dafür ist aber ein funktionierendes Beschreibungsinstrumentarium, das den grammatischen Besonderheiten des Sprachgebrauchs, vor allem aber denen der MündlichkeitMündlichkeit gerecht wird. Ein Vorschlag für ein solches Instrumentarium soll hier im Folgenden entwickelt werden.
3.2.2 Syntaktische SegmentierungSegmentierung in der geschriebenen und gesprochenen Sprache
In der geschriebenen Sprache ist das Problem der Segmentierung mit Hilfe der Interpunktion relativ einfach aufzulösen, denn die Interpunktionszeichen können in der Regel eindeutig als vom Schreiber markierte Segmentgrenzen identifiziert werden:
(3–5) So ungefähr läuft es. Obwohl die Lehrer auch nicht viel besser dran sind. Höchstens vielleicht, daß sie den Laden kennen. Sie sind nicht so ahnungslos wie vielleicht Obermüller. Deshalb verbrennen sie sich auch nicht den Mund. Aber manchmal kommen sogar Lehrer unter die Räder. Herr Koppe zum Beispiel. Unser ehemaliger Geographielehrer. Er gab auch Deutsch, aber nicht in unserer Klasse. (T. Brussig: Wasserfarben [Roman])
Die Segmentgrenzen im gegebenen Beispiel sind zwar keinesfalls selbstverständlich an den durch die Interpunktion markierten Positionen anzunehmen. Erwartbar und den etablierten Normen angemessen wäre zum Beispiel eher der Anschluss des Satzes Obwohl die Lehrer auch nicht viel besser dran sind. als Nebensatz an den Hauptsatz So ungefähr läuft es. Ebenso ließe sich die im gegebenen Beispiel offenbar als Satz anzunehmende Äußerung Herr Koppe zum Beispiel. auch ohne Weiteres als Apposition zum Nomen Lehrer in den vorangehenden Satz integrieren: Aber manchmal kommen sogar Lehrer unter die Räder, Herr Koppe zum Beispiel. Dies zu problematisieren, ist aber gegenstandslos, weil der Schreiber mittels der Interpunktion seine Segmentgrenzen ganz eindeutig markiert hat.
Wesentlich komplizierter ist es, die gesprochene Rede syntaktisch zu segmentieren. Als Ausweg aus dem noch nachzuzeichnenden Dilemma wurde in der Vergangenheit häufig eine Segmentierung auf der Basis kommunikativer bzw. pragmatischer Einheiten angeboten. Exemplarisch dafür stehen die „Äußerungseinheiten“ bei Rath (1979: 72f.) oder Schwitalla (1997: 50ff.) bzw. die „Kommunikativen Minimaleinheiten“ in der „Grammatik der deutschen Sprache“ (GDS) (Zifonun u.a. 1997: 91). Letztere sind definiert als „die kleinsten sprachlichen Einheiten, mit denen sprachliche Handlungen vollzogen werden können. Sie verfügen über ein illokutives Potential und einen propositionalen Gehalt“ (ebd.).
Generell scheint es (insbesondere für eine Grammatik) nicht unproblematisch, kommunikativ determinierte Gliederungseinheiten als Ersatz für eine syntaktische Kategorisierung zu verwenden (vgl. Schreiber 1995: 82), da deren Status ein völlig anderer ist. Zudem besteht die Gefahr, dass bei einer primär kommunikativ ausgerichteten Definition von Kategorien „die Möglichkeit verloren geht, die uns allen intuitiv bekannten formbezogenen Organisationsprinzipien […] als eigenständiges, kommunikativ relevantes Signalisierungssystem […] zu untersuchen“ (Selting 1995: 300). Deshalb sollte die Ebene der Syntax nicht vorschnell aufgegeben werden. Es stellt sich allerdings die Frage, auf welcher Grundlage die gesprochene Rede syntaktisch segmentiert werden kann. Der traditionelle Satzbegriff ist dabei offenbar wenig hilfreich. Praktikabler und einer Textgrammatik angemessener scheint der Begriff der SYNTAKTISCHEN BASISEINHEIT (vgl. Jürgens 1999: 82).
SYNTAKTISCHE BASISEINHEITENBasiseinheit, syntaktische sind in der Redekette relativ selbstständig auftretende Konstruktionen, deren Grenzen mit formal-syntaktischen Mitteln feststellbar sind. Zu denken ist in diesem Zusammenhang insbesondere an
die INTONATION/PROSODIE (für die gesprochene Sprache) bzw. die INTERPUNKTION (für die geschriebene Sprache) sowie
die MORPHOLOGISCHE MARKIERUNG (vgl. Paul 1919: 4ff. sowie einige modernere syntaktische Arbeiten, die in dieser Tradition stehen, z.B. Altmann 1981: 10, Eisenberg 1989: 46 oder Schmidt 1993: 29).
Im Folgenden soll an einigen ausgewählten Beispielen nachgewiesen werden, wie die Einheitenbildung durch das Zusammenwirken der oben aufgeführten syntaktischen Mittel gesteuert wird und welche Probleme es dabei gibt.
Dass die Prosodie eine unmittelbare Funktion bei der Strukturierung komplexer Ausdrücke zu erfüllen hat, ist ohne weiteres nachvollziehbar, wenn man die folgenden schriftsprachlich wiedergegebenen Äußerungen ins Gesprochene überträgt:
(3–6a) Ich glaube, du spinnst.
(3–6b) Ich glaube. Du spinnst.
Mit Hilfe der Intonation (wie eben im Geschriebenen mit Hilfe der Interpunktion) kann der Unterschied zwischen der hypotaktischen Verbindung zwischen Haupt- und Nebensatz und der parataktischen Verknüpfung zweier selbstständiger Sätze realisiert werden (vgl. Schreiber 1995: 80).
Typischerweise wird das Ende einer syntaktischen Einheit prosodisch durch fallende Intonation und eine anschließende kurze Pause gekennzeichnet:
(3–7) Sprecher A: radio mv (2.0) service (1.0) –
Sprecher B: mit der wettervorhersage;
(.)
wechselnd bewölkt und trocken […]
Allerdings ist diese Annahme nicht unproblematisch (vgl. Jürgens 1999: 144ff.): Zunächst sei auf die Mehrdeutigkeit von Pausenzeichen verwiesen. СКАЧАТЬ