Stil und Text. Michael Hoffmann
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Название: Stil und Text

Автор: Michael Hoffmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823300175

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СКАЧАТЬ Differenzierungsmerkmalen des Begriffs mit Hilfe klassifizierender Attribute (schwere B.; besonders schwere B.; einfache B.; fahrlässige B.), wodurch die begriffliche BedeutungSemantik/semantisch hierarchisch strukturiert wird;

       das einheitliche Verwenden der Tempusform Präsens, deren atemporale Variante den begrifflichen Bestimmungen Allgemeingültigkeit verleiht (z.B. wird bestraft; setzt in Brand; liegt vor).

      Will man den Unterschied zwischen dem berichtenden und dem beschreibenden Stil an GestaltungsprinzipienGestaltungsprinzip bzw. GestaltqualitätenGestaltqualität festmachen, so bieten sich die klassischen Gegensatzpaare ‚KonkretheitKonkretheit‘ vs. ‚AbstraktheitAbstraktheit‘ sowie ‚DynamikDynamik‘ vs. ‚StatikStatik‘ an (Näheres dazu in 3.2).

      b) Arten textsortentypischer FormulierungFormulierung von Thema und Teilthemen

      Die stilistischen Unterschiede zwischen beiden Beispieltexten (Texte 11 und 12) sind auch an thema- und themenstrukturbezogenen Formulierungsweisen erkennbar. Eine Erklärung für die Unterschiede liegt in der Zugehörigkeit der Texte zu verschiedenen TextsortenTextsorte. Auf die Beispieltexte bezogen stehen sich zwei weitere Stilformen gegenüber: der journalistische Stil im Textsortenrahmen Medienbericht (Text 11) und der fachliche Stil im Textsortenrahmen Lexikonartikel (Text 12). Da der Artikel zum Fachgebiet Rechtswesen verfasst ist, kann die Stilkennzeichnung ‚fachlicher StilStilfachlicher‘ präzisiert werden. Es handelt sich hier um den juristischen StilStiljuristischer.

      Journalistischer Stil (Text 11) beruht u.a. auf

       dem Verwenden faktenbezeichnender RealienwörterRealienwort (Eigennamen, Kalenderdaten, ZahlwörterZahlwort u.a.), wodurch der Ereignisdarstellung GenauigkeitGenauigkeit verliehen wird (Eigennamen im Beispieltext sind Ortsteilnamen: Berlin-Wilmersdorf; Straßennamen: Ahrweilerstraße; Personennamen: Gunnar Schupelius);

       dem Wiedergeben von recherchierter Rede, wobei deren Wortlaut originalgetreu (direkte RedeRededirekte) oder vom Original abweichend (z.B. per indirekter RedeRedeindirekte) übernommen werden kann (Beispiele für beide RedewiedergabeformenRedewiedergabeform finden sich vor allem im letzten Abschnitt des Beispieltextes);

       dem Bevorzugen von gemeinsprachlicher Lexik, wodurch der Ereignisdarstellung AllgemeinverständlichkeitAllgemeinverständlichkeit verliehen wird;

       dem HinzufügenHinzufügen von Informationsquellen, die als „Glaubwürdigkeitssignale“ (Lüger 1995: 99) fungieren (hieß es bei der Polizei; sagte ein Sprecher);

       „anregenden Zusätzen“ (ebd.: 112), auch als Rezeptionsstimulantien oder AttraktivmacherAttraktivmacher bezeichnet, im Dienste von Interessantheit und UnterhaltsamkeitUnterhaltsamkeit. Auf solcherart Zusätze (Wortspielereien, alltagssprachliche Formulierungen, AnspielungenAllusion u.a.m.) kann verzichtet werden, wenn dem Thema etwas Außergewöhnliches innewohnt, etwa wenn das Opfer des Brandanschlags ein bekannter Journalist ist (Text 11) oder der Brandstifter ein Feuerwehrmann.

      Juristischer Stil (Text 12) beruht u.a. auf

       dem ErsetzenSubstituieren von gemeinsprachlicher Lexik durch ein- und mehrgliedrige TerminiTerminus aus dem Fachgebiet des Rechtswesens (Gefährdungsdelikt; Freiheitsentzug);

       dem Verwenden von gemeinsprachlicher Lexik mit fachsprachlicher SemantikSemantik/semantisch (vgl. z.B. schwere B.; besonders schwere B.; fahrlässige B.);

       dem Herstellen intertextueller Beziehungen in Form von Verweisen auf Gesetzesgrundlagen mit Paragraphenzeichen (z.B. nach § 306a StGB);

       dem Herstellen von Tatbestand-Rechtsfolge-Konstruktionen (vgl. Nussbaumer 2009: 2137), z.B. wegen schwerer B. wird […] mit Freiheitsentzug nicht unter einem Jahr bestraft (= Rechtsfolge) – wer in Brand setzt: 1) ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes Gebäude, 2) ein Gebäude, ein Schiff oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient […] (= Tatbestand).

      Die aufgezeigten Verfahren und Mittel des juristischen StilsStiljuristischer folgen dem GestaltungsprinzipGestaltungsprinzip GenauigkeitGenauigkeit.

      Zum Wie der FormulierungFormulierung von Thema und Teilthemen gibt es – andere Texte heranziehend – noch einiges mehr zu sagen. So muss das Thema keinesfalls explizit und klarKlarheit formuliert sein. Es kann auch angedeutetAndeuten, versteckt, verdeckt oder verschwiegen werden.

      AndeutenAndeuten des Themas: Andeutungen finden wir z.B. in Romantiteln wie „Die Klavierspielerin“ (Text 6). Hier wird lediglich die Hauptfigur sozial kategorisiert. Der Titel legt die Interpretation nahe: ‚Es geht um eine Klavierspielerin.‘ Andeutungen können ausgebaut werden, wie im Romantitel „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ (Roman von Jonas Jonasson). Hier wird jedoch nur der Inhalt des extrem kurzen ersten Kapitels komprimiertKomprimiertheit wiedergegeben.

      VersteckenVerstecken des Themas: In Witzen und Bildwitzen (Text 7) ist das Thema in die PointePointe eingearbeitet, quasi in ihr versteckt, und aus ihr zu erschließen. Ein geläufiges Witzthema sind ‚Missverständnisse‘.

      VerdeckenVerdecken des Themas: Beispiele für diese Gestaltungsmöglichkeit liefert die Werbekommunikation in großer Zahl. Dabei werden originelleOriginalität GestaltungsideenGestaltungsidee realisiert – wie in einer Werbeanzeige für den Peugeot 806, in der das ThemawortThemawort, d.h. der Produktname, in einen kindlichen, krakelig handgeschriebenen, orthographisch fehlerhaften „Erpresserbrief“ integriert worden ist – ein weiterer Fall von MustermischungMustermischung (siehe Text 13):

       Beispieltext 13 : Werbeanzeige (als „Erpresserbrief“)

      Die „Erpressung“ ist bemerkenswerterweise großformatig zum Blickfang gemacht worden; ein kleinformatiges Foto zeigt eine zum Briefinhalt passende Straßenszene mit Kino und davor parkendem Auto, trägt also auch zum VerdeckenVerdecken des Themas bei. Häufiger sind indes Fälle, wo BlickfangbilderBlickfangbild (Catch-Visuals) instrumentalisiert werden, um den Rezeptionsvorgang zunächst in eine andere Richtung zu lenken, etwa wenn in der Automobil-Werbung großformatig ein Goldfisch abgebildet ist, der aus einem kleinen Wasserglas in ein größeres springt. Barbara Sandig (2006: 354) sieht in solchen Gestaltungsweisen eine „thematische Irreführung“. Auf den KommunikationsbereichKommunikationsbereich bezogen, kann man auch von werbekommunikativen TravestieTravestie, werbekommunikativen sprechen (vgl. Hoffmann 2012b: 188). Das Thema wird zwar verdeckt, soll aber dennoch entdeckt werden.

      VerschweigenVerschweigen des Themas: Immer dann, wenn der Titel eines Textes keinerlei Hinweis auf das Thema gibt, liegt ein Verschweigen vor. So trägt eine Reisereportage über den Iran (Text 5) den Titel Niemand trägt ein Pokerface, dem man nicht den geringsten thematischen Fingerzeig entnehmen kann. Der Titel stellt sich als ein Zitat aus dem Haupttext heraus, als Wiedergabe einer Impression von den Menschen, die der Reporterin bei ihrer Reise durch den Iran begegnet sind.

      Alle diese Gestaltungsweisen haben letztlich zum Ziel, das Thema (vorerst) nicht offenzulegen, sondern zu verrätseln, RätselhaftigkeitRätselhaftigkeit zu erzeugen. Das Gegenstück dazu ist die KlarheitKlarheit der Themenformulierung. СКАЧАТЬ