Название: Stil und Text
Автор: Michael Hoffmann
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823300175
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ein ZeugmaZeugma (Hemden und T-Shirts tragen vs. Haare und Bärte tragen – die Aufzählungsglieder liegen nicht auf ein und derselben begrifflichen Ebene);
das historische PräsensPräsenshistorisches (z.B. An vier Tischen sitzen junge Menschen.).
Wir stellen fest: Es dominiert das AufzählenAufzählen von Einzelheiten eines Erscheinungsbildes, was dem Text DetailliertheitDetailliertheit verleiht. Weitere Ausprägungen von AnschaulichkeitAnschaulichkeit im Text sind BildhaftigkeitBildhaftigkeit (siehe Konkreta und bildhafter VergleichVergleichbildhafter) und AndringlichkeitAndringlichkeit (siehe historisches PräsensPräsenshistorisches). Dass sich die StilgestaltStilgestalt Anschaulichkeit im Rahmen der TextsorteTextsorte Reportage entfalten kann, ist in der journalistischen Kommunikationsaufgabe begründet, über Geschehnisse an einem Ort aus eigenem Erleben, d.h. vor Ort Bericht zu erstatten. Der Reporter ist immer Augenzeuge eines Geschehens und baut eine „Erlebensperspektive“ (Lüger 1995: 115) auf. Der Einstieg, die Texteröffnung, muss jedoch nicht zwangsläufig anschaulich gestaltet sein, denn Journalisten können auch mit einer These, einem abstrakten Gedanken, einem Standpunkt beginnen (vgl. Gehr 2010: 172f.). Anschaulich hingegen ist der szenische Einstieg, bei dem sich der Reporter schon mit dem ersten Satz „räumlich in einer ‚Szene‘ situiert“ (Burger 2005: 216) – wie bei unserem Beispieltext.
Die nächste Textprobe ist ein Auszug aus einem Roman.
Unter einer gläsernen Käseglocke sind sie miteinander eingeschlossen, Erika, ihre feinen Schutzhüllen, ihre Mama. Die Glocke läßt sich nur heben, wenn jemand von außen den Glasknopf oben ergreift und ihn in die Höhe zieht. Erika ist ein Insekt in Bernstein, zeitlos, alterslos. Erika hat keine Geschichte und macht keine Geschichten. Die Fähigkeit zum Krabbeln und Kriechen hat dieses Insekt längst verloren. Eingebacken ist Erika in die Backform der Unendlichkeit.
Beispieltext 6: Roman (Auszug aus Teil I)
Elfriede Jelinek: Die Klavierspielerin. 27. Aufl. Reinbek bei Hamburg 2003: Rowohlt Taschenbuch, 17f.
Im Rahmen der poetischenPoetizität/poetisch TextsorteTextsorte Roman sind u.a. folgende Fragen stilistisch relevant:
Aus welcher PerspektivePerspektive/Perspektivieren wird das fiktionale Geschehen erzählt?
Wie werden die Figuren des fiktionalen Geschehens bezeichnet und beschrieben?
Erzählstilistisch relevant ist an dem Auszug aus Elfriede Jelineks Roman „Die Klavierspielerin“ erstens, dass das Erzählersubjekt keine Figur des Romans ist, erzählt wird von einer Außenperspektive aus, dass sich das Erzählersubjekt zweitens reflektierend in das Romangeschehen einschaltet, es damit unterbricht, und dass es drittens – und das ist für unsere Untersuchung relevant – seine Reflexionen mit BildlichkeitBildlichkeit ausstattet, und zwar mittels einer dreigliedrigen Kette von AllegorienAllegorie. Dabei finden drei unterschiedliche Bildmotive Verwendung (Käseglocke, Bernsteinschmuck, Backform), aber nicht im Sinne einer Aneinanderreihung von Einzelheiten, wie sie für die DetailliertheitDetailliertheit von Texten (vgl. Text 5) charakteristisch ist, sondern im Sinne der Entfaltung eines gemeinsamen allegorischen Themas. Bei allen drei Allegorien finden Elemente einer gegenständlichen (toten, starren) Welt Verwendung, um Eigenheiten der Psyche der Hauptfigur zu verbildlichen. Wir stellen fest, dass sich die einzelnen Teilbilder wechselseitig ergänzen. Bildlichkeit wie diese basiert auf gestalterischer Kreativität. Insofern manifestiert sich in dieser GestaltqualitätGestaltqualität zugleich eine GestaltungsideeGestaltungsidee.
Der nächste Beispieltext beherbergt eine StilgestaltStilgestalt von gänzlich anderer Natur.
Beispieltext 7 : Bildwitz
Jan Bleiß: Kalender „Kulinarische Missverständnisse“. 2015 (Privatarchiv).
Stilfragen, die sich im Rahmen der TextsorteTextsorte Witz und ihrer Variante, dem Bildwitz, stellen, richten sich vor allem auf die GestalteinheitenGestalteinheit PointePointe und PointenvorbereitungPointenvorbereitung:
Wie wird die PointePointe vorbereitet?
Auf welche Weise wird die PointePointe entfaltet?
PointenvorbereitungPointenvorbereitung: Das zu betrachtende Textexemplar ist – wie unschwer zu erkennen ist – zweigeteilt: in einen sprachmedialen und einen bildmedialen Teiltext. Der sprachmediale Teiltext steht über dem bildmedialen und ist deshalb als pointenvorbereitender Teiltext anzusehen. Die PointePointe wird mit einer alltagssprachlichen Äußerung vorbereitet, erkennbar an den ApokopenApokope/Apokopieren (Lautabstoßungen am Wortende) dies statt dieses und mach statt mache, an der intimen Anrede Schatzi und dem RegionalismusRegionalismus (Berlinismus) ick. Durch Fettschrift hervorgehoben ist ein Ausdruck aus der FachspracheFachsprache der Kochkunst: der ProfessionalismusProfessionalismus Karpfen blau, der auch in die AlltagsspracheAlltagssprache eingegangen ist. Dass mit der Äußerung die Pointe vorbereitet wird, erschließt sich, wenn man die Zeichnung betrachtet und feststellt, dass man, um die Pointe zu verstehen, zuvor die Äußerung gelesen haben muss. Bildmedial dargestellt ist ein Mann in einem häuslichen Milieu, an einer Badewanne stehend, in der ein Karpfen schwimmt, in die Wanne eine Flasche mit Alkohol gießend. Eine bereits geleerte Flasche mit der Aufschrift Schn(aps) liegt auf dem Boden, weitere Flaschen mit Alkohol stehen bereit. Die Zeichnung illustriert nicht die Äußerung, hat also nichts mit AnschaulichkeitAnschaulichkeit zu tun, sondern macht die Äußerung als Teil eines Bildwitzes überhaupt erst interpretierbar. Die beiden Teiltexte passen nicht nur zueinander (die alltagssprachliche Äußerung korrespondiert hervorragend mit der bildmedialen Darstellung einer Badezimmer-Szene), sie gehören vielmehr pointenentfaltend zusammen.
PointenentfaltungPointenentfaltung: Die PointePointe entfaltet sich zwischen beiden Teiltexten. Der Überraschungseffekt, der sich einstellt, basiert auf der Überlagerung von zwei Bedeutungsvarianten eines Wortes. Es überlagern sich die fachsprachliche und die umgangssprachliche BedeutungSemantik/semantisch des Adjektivs blau. Die fachsprachliche Bedeutung (‚blau verfärbt‘) ist an den ProfessionalismusProfessionalismus Karpfen blau gebunden. In der UmgangsspracheUmgangssprache aber hat das Adjektiv blau die Bedeutung ‚betrunken‘. In die Beschreibung der StilgestaltStilgestalt können wir also das UmdeutenUmdeuten eines fachsprachlich gebundenen Wortes in ein umgangssprachliches Wort als pointenentfaltendes GestaltungsverfahrenGestaltungsverfahren aufnehmen.
GestaltqualitätGestaltqualität: Bei der Erfassung des Gestaltungszusammenhangs, in den sich die GestalteinheitenGestalteinheit PointePointe und PointenvorbereitungPointenvorbereitung einordnen, ist es wohl naheliegend, sich für WitzigkeitWitzigkeit zu entscheiden – eine Gestaltqualität, die auf dem GestaltungsaktGestaltungsakt Witzig-Machen beruht. Wir können uns dabei auf eine eingeformte kommunikative „Ordnungswidrigkeit“ stützen und damit auf eine besondere GestaltungsideeGestaltungsidee. Sie besteht darin, den ProfessionalismusProfessionalismus Karpfen blau einem Missverständnis auszusetzen. Dessen Besonderheit ist es, dass ihm eine absurde Denkweise innewohnt, die absurde Konsequenzen nach sich zieht. Erst durch die Absurdität des Denkens und Handelns wird das Missverständnis witzig. Rezipienten sind angehalten, die Pointe zu rekonstruieren, indem sie beide BedeutungenSemantik/semantisch des Adjektivs СКАЧАТЬ