Genderlinguistik. Helga Kotthoff
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Название: Genderlinguistik

Автор: Helga Kotthoff

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823301523

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СКАЧАТЬ grob zwischen MENSCHLICH > BELEBT > UNBELEBT – spielt bei den femininen Klassen überhaupt keine Rolle1 – im Gegensatz zu den maskulinen Klassen.

      4.2.2 Starke Maskulina

      Eine andere Klasse bilden die starken Maskulina und Neutra mit s-Genitiv und e-Plural. Dabei lauten die Neutra niemals um, die Maskulina unter bestimmten Bedingungen, die viel mit Belebtheit zu tun haben. Dies ist eine junge Entwicklung, denn diese Maskulina speisen sich aus ursprünglich zwei Klassen im Ahd. (die Neutra traten erst später bei).1 Bei den Maskulina hat anschließend (seit dem Mhd.) eine Umsortierung nach Belebtheit stattgefunden: Maskulina mit menschlichem bzw. belebtem Denotat (Ärzte, Äbte, Generäle, Füchse, Frösche, Wölfe) haben eine ungleich höhere Wahrscheinlichkeit umzulauten als solche mit unbelebtem Denotat (Tage, Farne, Gutturale, Busse, Monde, Dolche). Doppeldeutiges Bund zeigt schön, dass zur Bezeichnung von Menschengruppen (Geheimbünde, Staatenbünde) Umlaut eintritt, nicht aber von Objektbezeichnungen (Schlüsselbunde). Köpcke (1994) hat von allen einsilbigen Maskulina dieser Klasse (940 Types) die umlautfähigen (400) herausgegriffen (d.h. solche mit a, o, u oder au als Wurzelvokal), um zu erfahren, ob und wann Umlaut ausgelöst wird. Von diesen 400 lauten 48 % um. Dabei steuert eine sog. „anthropozentrische Weltsicht“Anthropozentrismus (ebd., 83) das Umlautverhalten: Menschen(gruppen) lauten zu 79 % um (Ärzte, Päpste, Köche), Säugetiere zu 66 % (Füchse, Wölfe), Vögel zu 44 % (Hähne, Käuze), Fische, Reptilien, Amphibien und Insekten nur zu 14 % (Frösche) und Pflanzen (Bäume) zu 9 %. Mit der Nähe zum Menschen nimmt also der Pluralumlaut zu. Da Frauen unter den Maskulina nicht vorkommen, kann man auch sagen: Mit der Nähe zum Mann nimmt der Pluralumlaut zu, es liegt weniger eine anthropozentrische als eine androzentrische WeltsichtAndrozentrismus vor. Die seltenen (ca. 35) Feminina mit Umlaut im Plural spezialisieren sich nicht auf Frauen (sondern auf rein phonologische Merkmale des Nomens, Köpcke 2000b, 158f.; Nübling 2008, 304).

      Interessanterweise befinden sich unter den 21 % der nicht-umlautenden Menschen- bzw. Männerbezeichnungen solche, die negative oder nicht ernstzunehmende Gestalten bezeichnen: Schufte, Strolche, Protze, Prolle, Schalke, Trolle, Faune. ‚Ehrenhafte‘, d.h. sozial anerkannte und einflussreiche, handlungsmächtige (agentive) Männer wurden dagegen im Laufe der Sprachgeschichte durch analogischen Umlaut erhöht (SalienzzuwachsSalienz): Päpste, Äbte, Ärzte, Pröbste, Vögte, Köche, Räte (Klein 2017, demn.).

      

Dies zeigt: Belebtheit, Geschlecht, soziales PrestigePrestige und Handlungsmacht sind Humankategorien, die tief in die Organisation von Flexionssystemen diffundiert sind und tagtäglich so häufig wie subtil reaktiviert werden. Deklinationsklassen erweisen sich als Speicher sozialer Verhältnisse (dabei durchaus historischer, siehe die an der sozialen Spitze stehende Geistlichkeit) und gleichzeitig als wirkungsvolle Reproduzenten derselben. Wahrscheinlich haben die Neutra an dieser Umlautklasse deswegen keinen Anteil, weil Neutra fast keine Lebewesen bzw., noch konsequenter, keine Männer bezeichnen. Darauf kommen wir in Kap. 4.2.6 ausführlich zurück.

      4.2.3 Schwache Maskulina

      Genderlinguistisch ebenfalls aussagekräftig ist die Klasse der sog. schwachen Maskulina. Diese umfasste ursprünglich (im Ahd. und Mhd.) zahlreiche Maskulina unterschiedlichster Bedeutung. Sie bilden alle Formen des Paradigmas mit -(e)n außer dem Nominativ Singular: der MenschMensch/des MenschenMensch/die MenschenMensch, der Kunde/des Kunden/die Kunden. Der stabilste Prototyp, der sogar noch Neuzuwächse erfährt (z.B. durch Partizipien wie der Angestellte, Behinderte, Arbeitslose), besteht aus drei- oder zweisilbigen Nominativen auf -e mit Betonung der vorletzten Silbe, also (x)X-e (Typ Matróse, Gesélle, Bóte, Schimpánse, Áffe), wobei speziell Männerlexeme die Stabilität und Produktivität maximieren. Ursprünglich war die Klasse semantisch bunt gemischt, s. mhd. der brunne, balke, schade, schwane, storche, mensche, s(ch)lange etc. Erst später hat sie sich auf männliche Lebewesen spezialisiert – und sich nach und nach der unbelebten, später auch der schwach belebten Mitglieder entledigt (Köpcke 1993, 1995). Für die unbelebten Maskulina (Objekte und Abstrakta) wurde sogar eine eigene (starke) Deklinationsklasse geschaffen: Deren Mitglieder haben auch im Nom.Sg. ein festes -n angenommen und im Gen.Sg. ein -s, womit der Plural formal mit dem Singular identisch ist (s. der Brunnen / des Brunnens / die Brunnen), wenn nicht sekundär-analogisch ein morphologischer Umlaut angenommen wurde (der Schaden / des Schadens / die Schäden). Damit wird bei den unbelebten Maskulina bis auf den Gen.Sg. keinerlei Kasus mehr unterschieden (Tab. 4-2).

schwache Kl. (Mhd.) > starke n-Klasse (Nhd.)
Singular Nom. der brunne Brunnen
Gen. des brunne-n Brunnen-s
Dat. dem brunne-n Brunnen
Akk. den brunne-n Brunnen
Plural Nom.–Akk. die etc. brunne-n Brunnen

      Tab. 4-2: Der Übergang unbelebter Maskulina von der schwachen in die starke n-Klasse

      Während die Inanimata in diese starke n-Klasse ausgewandert sind (Brunnen, Kuchen, Lumpen, Balken, Laden), haben schwach belebte Objekte wie Pflanzen, Insekten, Fische und Reptilien ihr Genus gewechselt (z.B. Schlange, Schnecke, Kresse, Traube): Sie wurden zu Feminina umkategorisiert und sind damit in die gemischte Klasse übergegangen, die keinerlei Kasusunterscheidung leistet (Tab. 4-1), auch kaum am Artikel (die Schnecke / der Schnecke / die Schnecken), s. Köpcke (2000a). Stärker belebte, dem Menschen näherstehende Tiere wie Vögel sind zwar bei den Maskulina verblieben, aber in die starke Klasse ausgewandert – und haben hier i.d.R. den Umlaut angenommen, da sie ja belebt sind: die Hahnen (schwach) > die Hähne (stark), Schwanen > Schwäne, Storchen > Störche. Auch Herzog (< mhd. herzoge) war einmal schwach, hat sich aber zu den Päpsten, Äbten und Pröbsten der starken Maskulina gesellt (die Herzogen > Herzöge). Derzeit schwanken Fink, Greif, Pfau und Bär (u.a. erkennbar am variierenden Gen.Sg.: des Greifen / des Greifs).1 Das bedeutet, die Klasse der schwachen Maskulina spezialisiert sich immer mehr auf den männlichen und menschlichen Prototyp, die diachron immer enger gezogene Grenze schließt aktuell Vögel und bereits einige Säugetiere aus. Damit scheinen sich die СКАЧАТЬ