Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit. Gisela Mayr
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit - Gisela Mayr страница 17

СКАЧАТЬ tätig werden, können sie „gesellschaftliche, kulturelle und diskursive Prozesse aktiv und selbstbestimmt mitgestalten – auch in einer Fremdsprache“ (ibid.: 77).

      Diese Formen der Reflexion und Metakommunikation führen zwangsläufig zu einer kulturellen und gesellschaftlichen Kontextualisierung und ermöglichen so im Unterricht, die in einer Gesellschaft vorhandenen Formen der Kommunikation zu vereinen und zu vernetzen. Nur dadurch kann auch da eine Discourse Communitiy entstehen (Hallet 2008: 81), denn wahre Kommunikation bedarf eines kulturellen und sozialen Umfeldes und aller im Laufe der Zeit erworbenen Sprachformen einer Gemeinschaft, in der sie stattfindet, weshalb sie als „ways of being in the world, of forms of life that integrate words, acts, values, beliefs, attitudes, and social identities“ bezeichnet werden kann (Kramsch 1998: 61).

      Hallet fasst die Bedeutung dieser Erkenntnisse für den Unterricht wie folgt zusammen:

      Didaktisch ist hierin eine außerordentlich bedeutsame Ausweitung des Diskursbegriffes enthalten: Kommunikation lässt sich demzufolge nicht mehr reduzieren auf einen sprachlichen Akt, auf den Vorgang die Nutzung (fremdsprachlicher) Zeichen oder auf die Beherrschung von Skills, sondern es handelt sich um nichts weniger als um eine soziale und kulturelle Praxis, an der jeder Kommunikationsakt teilhat. „Kommunikanten“ sind daher immer auch kulturelle Aktanten, die an der Erzeugung eines diskursiven Zusammenhangs beteiligt sind, die ihre Position in einer discourse communitiy bestimmen und darüber letztlich den Grad ihrer gesellschaftlichen Teilhabe entwickeln. (Hallet 2011:31)

      Laut Hallet spielen zudem Faktoren wie Kommunikationsbereitschaft, Wissen, Verstehen, Problemlösen und Handeln, Erfahrungen, Einstellungen und Motivation bei der Beschreibung von kommunikativer Kompetenz eine grundlegende Rolle (Hallet 2008: 83).

      Bei der Modellierung mehrsprachiger kommunikativer Kompetenz (MKK) ziehen wir es vor, dieses durchlässige, für die individuelle Entfaltung der Lernenden geeignete und flexible Verständnis von kommunikativer Kompetenz heranzuziehen, wie es von Piepho für den monolingualen Fremdsprachenunterricht ausdifferenziert und von Legutke/Hallet weiterentwickelt wurde. Wie in der vorliegenden Studie gezeigt wird, ändert diese, eingebettet in ein mehrsprachiges Unterrichtsdesign, nicht grundsätzlich ihre Beschaffenheit, sondern wird durch eine Vielzahl neuer Aspekte mehrsprachiger kommunikativer Kompetenz bereichert und erfährt dadurch eine Erweiterung und Umformung. Denn der größere Facettenreichtum und die Komplexität, die durch die Vernetzung mehrerer Sprachen im Diskurs entstehen, führen zu erhöhten Anforderungen an die Lernenden, sobald diese vor die Herausforderung gestellt werden, mehrsprachige Formen des Diskurses und deren Besonderheiten zu bewältigen.

      MKK ist in einer vielsprachigen Gesellschaft mehr denn je an multiple Diskurse gebunden, die vernetzt miteinander bedeutungsstiftend sind. Mehrsprachige Diskursfähigkeit impliziert deshalb auch den Umgang mit Bedeutungsvielfalt und Wahrnehmungserweiterung und Ambiguitätstoleranz. Dazu müssen mehrsprachige Diskurse in ihren Eigenschaften und Merkmalen erkannt und ihre Dynamiken durchschaut und richtig gelesen werden. Ziel ist es letztendlich, die Lernenden dazu zu befähigen, mit Hybridität und Fluidität im mehrsprachigen Diskurs umzugehen, zur Reflexion darüber anzustiften, und sich dieses Diskurses zu bemächtigen. Denn gesellschaftliche Partizipation kann sich nur entlang eines bewussten Umgangs mit der transkulturellen und mehrsprachigen lebensweltlichen Umgebung entwickeln, in der die Lernenden sich befinden und durch die sie geprägt sind. In der Schulklasse spiegelt diese Gegebenheiten, weshalb den Lernenden die Gelegenheit gebeben werden muss, sich mit dieser neuen Realität auseinander zu setzen und zu lernen, sich darin zurecht zu finden. Gutzmann definiert Mehrsprachigkeit in diesem Sinne als „neue kommunikative Kompetenz“ (Gutzmann 2004: 45), die es im Unterricht anzustreben gilt.

      Diesbezüglich äußert sich deshalb Cummins skeptisch bezüglich traditioneller Unterrichtsdesigns:

      From the perspective of multiliteracies, the exclusive focus within schools on linear text-based literacy in the dominant language of the society represents a very limited conception that fails to address the realities of a globalized, technologically sophisticated knowledge-based society. In urban contexts across North America and Europe, the student population is multilingual and students are exposed to, and engage in many different literacy practices outside school (…). Within school, however, he teaching of literacy is narrowly focused on literacy in the dominant language and typically fails to acknowledge or build on the multilingual literacies or the technologically- mediated literacies that form a significant part of students‘ cultural and linguistic capital. (Cummins 2006: 53)

      Der mehrsprachige Dialog, so wie er im mehrsprachigen aufgabenorientierten Unterricht praktiziert wird, befähigt zu einer MKK in mehrerlei Hinsicht. Das heißt, der Begriff der kommunikativen Kompetenz wird im mehrsprachigen Unterricht durch eine Reihe von Aspekten erweitert, die im Folgenden im Einzelnen aufgezeigt und erläutert werden. Die Modellierung der MKK erfolgt zunächst, indem relevante Ergebnisse der Mehrsprachigkeitsforschung in diesem Bereich aufgezeigt werden. Diese werden anschließend mit den Ergebnissen der diskursanalytischen Untersuchung der mehrsprachigen Aushandlungsprozesse abgeglichen und in einem Abstraktionsprozess zur Modellierung der MKK herangezogen.

      4.2 MKK und symbolische Kompetenz

      Eine Definition von MKK ist nicht möglich, ohne die Perspektive des CLT (Communicative Language Teaching) zu überwinden und durch die symbolische Dimension des Spracherwerbs und -gebrauchs zu erweitern, wie sie Claire Kramsch erstmals umrissen hat. Wie bereits erwähnt, betrachtet CLT Sprache als Medium der sozialen Interaktion, ein formelles Konstrukt also, dessen Regeln und Anwendungsmuster es im Fremdsprachenunterricht zu vermitteln gilt. Hauptanliegen dieser Form des Unterrichts ist es, Lernende zu befähigen, die nötigen sprachlichen und pragmatischen Kompetenzen zu erwerben, um durch Sprache korrekt, angemessen und erfolgreich sozial interagieren zu können. Dazu muss Sprache zunächst kognitiv erfasst und verinnerlicht werden, um anschließend als Medium der Kommunikation in einer Reihe von sozialen Kontexten je nach Bedarf und Zielsetzung Anwendung zu finden (Canale & Swain: 1980). Sprache wird hauptsächlich als Instrument und als Werkzeug verstanden, um bestimmte pragmatische Ziele zu erreichen. Zu diesem Zweck setzt der CLT-Unterricht den Fokus auf realistische Interaktion im Klassenzimmer, indem Alltagssituationen zunächst vorgeführt und dann im Idealfall in einem kommunikativen Unterrichtssetting nachgestellt werden.

      4.2.1 Die symbolische Form als Baustein für die Identitätsbildung

      Der Begriff der symbolischen Kompetenz entstammt einem Verständnis von Sprache nicht nur als formales Konstrukt, sondern auch als „lebendige Verkörperung der Realität“ (engl.: lived embodied reality, Kramsch 2009: 4). Sprache ist für Kramsch in vielerlei Hinsicht symbolisch, wobei sich der Begriff „symbolisch“ über die Jahre für Kramsch um vieles erweitert hat. Symbolisch bedeutet zunächst die Darstellung von Realität, wie sie durch Sprache erfolgt, diese entfaltet sich laut Kramsch auf drei Ebenen (Kramsch 2011: 357):

       Die Ebene der Darstellung: Sie beinhaltet grammatikalische und lexikalische Strukturen, die als konzeptionelle Darstellungen Aufschluss geben über die Funktionsweise des Geistes.

       Die Ebene der Handlung: In Form von Sprechakten, Genres und symbolischen Interaktionsregeln gibt sie Aufschluss über die Wirksamkeit von Worten und Absichten der Sprechenden.

       Die Ebene der Macht: Durch Intertextualität werden Werte einer Gesellschaft, ihres kollektiven und individuelles Gedächtnisses, Ideologien, Emotionen und Erwartungen offen gelegt (vgl. Bourdieu 1991: 163).

      Sprache ist für Kramsch zudem für das Individuum in zweierlei Hinsicht symbolisch: Einerseits, weil sie durch ihre symbolischen Formen als konventionelles Medium zur Realitätsdarstellung dient und andererseits, weil eben diese symbolischen Formen durch Wahrnehmung, Emotionen, Haltungen und Werte die subjektive Realität jedes einzelnen konstruieren СКАЧАТЬ