Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit. Gisela Mayr
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СКАЧАТЬ zulassen und sogar fördern (vgl. Hallet 2012a/b). Die Lernenden tauchen in komplexe Lernsituationen ein, die von ihnen fordern, Informationen und Ideen zu verarbeiten, Probleme zu verstehen und zu lösen und neue Bedeutung zu konstruieren (Coyle et al. 2010: 29). Dadurch wird abstraktes Denken gefördert, einhergehend mit dem Erwerb komplexer, abstrakter Sprachstrukturen und Fachvokabular. In beiden Aufgabenformaten können die Lernenden ihre Lernprozesse als wirklich relevant und authentisch erkennen und lernen diese weiter zu entwickeln und selbstgesteuert zu organisieren. Laut Wolff hat sich gezeigt, dass das Arbeiten in Gruppen sowohl sprachlicher als auch fachlicher Natur sein kann. Beide werden anhand der erworbenen Lern- und Arbeitstechniken bewältigt und es wird den Lernenden dadurch besonders einsichtig deren Notwendigkeit vermittelt (Wolff 2005: 162).

      3.5 Unerfüllte Desiderate

      Die EU hat auf theoretischer Ebene bereits ein komplexes didaktisches Programm ausgearbeitet, das jedoch bislang nur unzulänglich und stockend in die Unterrichtspraxis Eingang gefunden hat. Das liegt daran, dass die konsequente Umsetzung von Mehrsprachigkeit ein radikales Umdenken der gängigen Unterrichtpraxis fordert. Zu diesem Zweck müssen ganz neue und bislang unbetretene didaktische Wege begangen werden, die Mehrsprachigkeit auf allen Ebenen des Lernens und der sozialen Interaktion nicht nur zulassen, sondern auch fördern. Dazu braucht es viel Mut und ein flexibles Schulsystem, das experimentelles Arbeiten im Unterricht zulässt. Erst dann wird es möglich, den qualitativen Sprung in die Mehrsprachigkeit zu schaffen. Die nachstehenden Punkte sollen Aspekte einer mehrsprachigen Didaktik aufzeigen, die bislang kaum oder gar nicht operationalisiert wurden, allerdings in der mehrsprachigen komplexen Kompetenzaufgabe ein zentrales Anliegen sind und eben durch dieses Aufgabenformat für die Unterrichtspraxis nutzbar gemacht werden sollen.

      3.5.1 Latein als Brückensprache

      Die Wichtigkeit der klassischen Sprachen Griechisch und Latein und der Verweis auf ihre unterstützende und erleichternde Rolle beim Sprachenlernen (Council of Europe 2014a: 2) bleiben in ihrer zentralen Rolle für den Erhalt des gemeinsamen europäischen Erbes als ein Desiderat für mehrsprachiges Lernen, das noch nicht eingelöst worden ist. Ihre Wichtigkeit betrifft zunächst vor allem grammatische und lexikalische Aspekte, lässt sich aber auch auf kulturelle und sozialgeschichtliche Aspekte ausweiten. Der im Aufgabenformat dieser Studie unternommene Versuch, vor allem Latein in den mehrsprachigen Unterricht einzubauen, will ein Zeichen in diese Richtung setzen und sieht sich als Teil eines Bildungskonzeptes, in dem die sog. „klassischen“ Sprachen beim Sprachenlernen nicht außen vor gelassen werden, sondern integrierter Bestandteil der Aufgabenstellung werden.

      3.5.2 Aktive Teilhabe am transkulturellen sozialen Diskurs

      Informelles und außerschulisches Sprachenlernen werden zum ersten Mal in den von der EU verabschiedeten Rahmenrichtlinien erwähnt und in ihrer Wichtigkeit auch für das schulische Lernen gewürdigt. Die 2015 erschienenen Dokumente „The Languague Dimension in all Subjects: A Handbook for Curriculum development and teacher training und„ Guida per lo sviluppo e l’attuazione di curricoli per una educazione plurilingue ed interculturale (dieser Text ist bislang auf Französisch und Italienisch erschienen) (Beacco et al. 2015a/b) sind ein weiterer Abschnitt auf dem Weg zu mehrsprachigen und interkulturellen Unterrichtsformen und umreißen damit auch die Kerngedanken und didaktischen Zielsetzungen der mehrsprachigen Kompetenzaufgabe. Es wird hier nämlich erstmals nahegelegt, dass ausgehend von Genres und nicht von Grammatik oder Lexis fächerübergreifende Verbindungen hergestellt werden sollen. Dabei sollten Lernziele anhand von Genres erarbeitet werden, wobei die unterschiedlichen Kompetenzniveaus des einzelnen Sprechers in den verschiedenen Sprachen berücksichtigt werden (Beacco 2015a: 16). Das Genre – insbesondere Formen des diskursiven Genres – wird so in seiner Relevanz für den Unterricht erkannt, da Synergien zwischen den verschiedenen Sprachfächern geschaffen werden können ebenso wie zwischen Sprach- und Sachfächern. Auf diese Weise können sich transversale kommunikative Kompetenzbereiche herauskristallisieren, die von einer auf die andere Unterrichtsdisziplin übertragen werden können (ibid.: 18).

      Ziele eines mehrsprachigen pluralistischen didaktischen Ansatzes sind demnach:

      Non è soltanto destinato ad assicurare agli apprendenti la padronanza di forme di discorso e competenze linguistiche necessarie alla vita sociale, esso ha anche la responsabilità di far comprendere come queste forme linguistiche rappresentano e costruiscono idee, opinioni, informazioni e conoscenze in modo che ne siano chiaramente percepite le modalità di funzionamento, la storicità, la diversità e la variabilità, le potenzialità creative. È, insomma, una forma e una condizione dello sviluppo della persona. (Beacco et al. 2015a: 28)

      Dabei spielen die Teilhabe am sozialen Diskurs eine wichtige Rolle und die Tatsache, dass Sprachen Ideen, Meinungen, Werte und Wissen ganz unterschiedlich erfassen und übermitteln, nicht zuletzt, da sie geschichtlich anders verortet sind. Es wird auch hier von einem „kreativen Potenzial“ gesprochen und von Mehrsprachigkeit als eine Bedingung zur ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung. Damit einhergehend werden zusammen mit interkulturellen und kommunikativen Kompetenzen Reflexionskompetenz, selbstständiges Lernen, kognitive Entwicklung und erstmals auch literarisch-ästhetische und transversale Kompetenzen erwähnt.

      3.5.3 Literarisches Lernen und Sprachproduktivität

      Sprachen haben kreatives Potenzial, das Zugang zu neuen Formen und Vorstellungswelten ermöglicht. In beschränkter Form wird auch die Möglichkeit eingeräumt, dass Lernende selbst sprachlich kreativ werden, indem sie solche Varietäten – bezogen auf die Zielsetzung des Diskurses und des Kontextes – selbst erfinden können (Beacco 2015a: 29f.). Dazu bedarf es laut Beacco nicht nur eines praktischen und realitätsorientierten Unterrichts, die Lernenden sollen auch die Möglichkeit erhalten, spielerische und ästhetische Erfahrungen mit Sprachen zu machen (ibid.: 29). Dieses spielerische und ästhetische Element hatte bislang kaum Beachtung gefunden und findet hier erstmals einen prominenten Platz.

      Angesichts der essentiellen Bedeutung ästhetischer und literarischer Erfahrung für die Persönlichkeitsentwicklung ist es notwendig, Unterrichtsformen zu finden, die sprachübergreifend die Lernenden in der Wahrnehmung narrativer Texte schulen. Narrative Konventionen können so durch den Vergleich besser wahrgenommen werden, wodurch der Erwerb narrativer Kompetenz gefördert wird (Hallet 2016: 12). Ein solches kreatives und aktives Lernen, in dem Sprachproduktivität ein zentrales Anliegen ist und erweiterte Realitätswahrnehmung neue Bedeutungsräume eröffnet, liegt auch dem hier vorgestellten Ansatz zugrunde. Es soll gezeigt werden, dass sich durch mehrsprachiges aufgabenorientiertes Lernen anhand literarischer Textsorten dank Mehrsprachigkeit kreative Fähigkeiten entfalten können, denn es werden unterschiedliche Referenzsysteme miteinander in Verbindung gebracht und literarische Diskurswelten gekreuzt, wodurch neue hybride Bedeutungsräume entstehen.

      Neben dem kreativen, gestaltenden Umgang mit Sprache findet auch die Beziehung zwischen Sprache und Persönlichkeit erstmals einen prominenten Platz. Die Erkenntnis, dass Persönlichkeit und Emotionen sprachgebunden sind (vgl. Grosjean 1982, 1992; Pavlenko 2005; Todeva & Cenoz 2009; Dewaele 2010), findet hier Anerkennung und wird in ihrer unterrichtsstrategischen Wichtigkeit erkannt. Es soll auch in dieser Studie anhand des gewählten Aufgabenformats gezeigt werden, wie der spielerische, kreative Umgang mit mehreren Sprachen und Kulturen es den Lernenden ermöglicht, ihre eigene Persönlichkeit oder Aspekte ihrer Persönlichkeit in den unterschiedlichen Sprachen zu erkennen und zu reflektieren. Dabei kann auch Neues und Unerwartetes zum Vorschein kommen, wie aus den Einzelanalysen hervorgeht. Dieser Facettenreichtum der Person wird von den anderen Lernenden wahrgenommen, gespiegelt und reflektiert (vgl. Beacco 2015a: 57). Auf diese Weise werden die persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen als „Summe der individuellen Eigenschaften, der Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen“ (Burwitz-Melzer 2005: 23) in einem mehrsprachigen Setting aktiviert.

      Die Entwicklung СКАЧАТЬ