Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit. Gisela Mayr
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СКАЧАТЬ von Migration Eingang gefunden haben. Die vorliegende Arbeit versteht sich als ein erster Versuch, durch eine umfassendere Unterrichtsform ein holistisches Instrument zur Vermittlung von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität zu schaffen. Besonders in jungen Menschen soll das Bewusstsein für Sprachenvielfalt, für die Vermittlung interkultureller Werte und der Partizipation am mehrsprachigen Diskurs gestärkt werden mit dem Ziel aktiver Teilhabe an den gemeinschaftlichen sozialen und politischen Prozessen.

      3.5.5 Forderung nach neuen didaktischen Ansätzen

      Die Form des Task als Unterrichtsverfahren gibt auf diese Forderungen eine konkrete und didaktisch gut operationalisierbare Antwort, da task-based teaching (Hallet 2006, 2008; Nunan 2004) sich dadurch auszeichnet, dass Diskursfähigkeit und Zuwachs kommunikativer Kompetenzen Ziel des Handelns im Unterricht sind. Im Rahmen der Studie wird die Frage in den Raum gestellt, welche Kompetenzen, Dispositionen, Strategien und Ressourcen junge Menschen entwickeln sollen, nicht nur, um sich in einer mehrsprachigen Lebenswelt zurecht zu finden, sondern auch um einen Lernprozess zu initiieren, der schrittweise auf das Kompetenzniveau der mehrsprachigen Bildungssprache und die damit einhergehenden mehrsprachigen kognitiven, motivationalen und emotionalen Prozesse übergeht. In diesem Sinne versteht sich die Studie als wegweisend für die Entwicklung neuer Unterrichtsmethoden, die mehrsprachiges Arbeiten in eine komplexe Kompetenzaufgabe einbaut und die mehrsprachige Diskursfähigkeit in den Fokus der Unterrichtspraxis stellt.

      Dabei wird an den kommunikativen Ansatz angeknüpft, der anhand der ursprünglich für den einsprachigen Sprachunterricht konzipierten komplexen Kompetenzaufgabe für den mehrsprachigen Unterricht adaptiert wird. Dadurch wurde eine neue mehrsprachige Unterrichtsform entwickelt, die die grammatisch-lexikalischen Ansätze zwar mit einbezieht, jedoch Raum für neue Lernwege und Lernergebnisse öffnet (Hallet 2012a: 11). In diesem Sinne wird durch mehrsprachige, kompetenzorientierte Aufgabenstellungen ein Lernprozess ausgelöst, der die Bewältigung komplexer, mehrsprachiger Herausforderungssituationen vorsieht. In diesem Prozess entstehen Aushandlungsprozesse, die sich aus den plurilingualen Unterlagen ergeben und daher den mehrsprachigen Diskurs fördern. Dadurch wird die Teilhabe an einem reellen kulturellen Diskurs möglich, der aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung in zunehmendem Maße durch Mehrsprachigkeit gekennzeichnet ist. Diese Teilhabe erfordert besondere kommunikative Kompetenzen, Fähigkeiten und Strategien, die sich im einsprachigen Sprachunterricht nicht entfalten können, die jedoch zur Bewältigung mehrsprachiger alltäglicher oder beruflicher Situationen unabdingbar sind und maßgeblich zur Entwicklung der Persönlichkeit beitragen können. Es handelt sich hier um neue kommunikative Kompetenzen und Strategien, die von großer Bedeutung sind, aber bislang für den Unterricht nicht empirisch erforscht wurden (vgl. Burwitz-Melzer 2003, 2004a).

      Dieses Projekt setzt sich zum Ziel, kommunikative Vorgänge während der mehrsprachigen Aushandlungsprozesse und den Outputs zu erfassen und eine Modellierung eben dieser mehrsprachigen kommunikativen Handlungskompetenzen zu erstellen. Das spiegelt die realen Situationen wider, in der Menschen, die nicht dieselbe Muttersprache haben, miteinander kommunizieren. Dazu werden nicht die Indikatoren des FREPA herangezogen, die, wie bereits erwähnt, eine Zusammenschau der Erkenntnisse bisheriger didaktischer Forschungen sind, sondern es werden Erkenntnisse aus dem Bereich der Psycholinguistik, insbesondere der Mehrsprachenforschung herangezogen, um die durch das plurilinguale Unterrichtsdesign entstandenen Lernprozesse zu erforschen. Es soll gezeigt werden, welche Prozesse in einem kompetenzorientierten mehrsprachigen Unterrichtssetting zur Entwicklung mehrsprachiger kommunikativer Handlungskompetenzen beitragen.

Teil II Theoretische Modellbildung

      4 Theoretische Modellierung Mehrsprachiger Kommunikativer Kompetenzen (MKK)

      Im folgenden Abschnitt wird eine theoretische Modellierung vorgenommen, die die zentralen Aspekte mehrsprachiger kommunikativer Kompetenz zusammenfasst und veranschaulicht. Sie soll Kompetenzbereiche umreißen, innerhalb welcher sich MKK entwickeln, jene Kompetenzen also, die für erfolgreiches Kommunizieren in einem mehrsprachigen Umfeld erforderlich sind. Es kristallisierten sich insgesamt fünf Bereiche heraus: symbolische Kompetenz, Sprach(en)bewusstheit, Emotion und Mehrsprachigkeit, mehrsprachige Gesprächspraktiken, Formen sozialen Lernens. Einleitend wird der Begriff Kompetenz, wie er für diese Studie verstanden wird, umrissen und definiert.

      4.1 Kompetenz: Eine Begriffsdefinition

      Die Definition des Begriffes Kompetenz selbst bezieht sich zunächst in diesem Zusammenhng auf Weinert (Weinert 2001). Laut Weinert sind Kompetenzen erlernbare Fähigkeiten, Probleme in unterschiedlichen Situationen zu lösen. Motivationale, volitionale und soziale Aspekte spielen dabei eine wichtige Rolle (Weinert 2001: 27ff.). Laut Weinert dienen Kompetenzen zur Bewältigung von anspruchsvollen, in der Regel neuen Anforderungssituationen ohne Vorwissen (Weinert 2001; Hartig & Klieme 2006; Hartig et. al 2008; Canale 1983). Diese bereichsspezifischen kognitiven Leistungsdispositionen lassen sich, so Weinert, in drei Bereiche unterteilen: fachliche Kompetenzen, fachübergreifende Kompetenzen und Handlungskompetenzen (Weinert 2001: 28). Durch ihre Kontextgebundenheit und Lernbarkeit werden diese in der Bildungspsychologie klar vom allgemeineren Begriff der Intelligenz abgegrenzt (Hartig & Klieme 2006: 130). In dieser Bedeutung wurde der Begriff Kompetenz bei der Ausarbeitung des GER als auch der Bildungsstandards in Deutschland sowie der Rahmenrichtlinien für den Unterricht an Südtirols Schulen herangezogen, wobei ausschließlich der kognitive Kompetenzaspekt als Bildungsziel berücksichtigt wurde.

      In Anlehnung daran bezog sich die Definition der kommunikativen Kompetenz von Piepho auf die sozialphilosophische Theorie kommunikativer Kompetenz von Habermas (Habermas 1981) und unterschied zwischen kommunikativem Handeln und Diskurs (Piepho 1974, 1979). Kommunikatives Handeln entspricht in groben Zügen der Definition von Weinert als die Fähigkeit des Individuums, sich in einem thematischen und situativen Rahmen mit angemessenen Mitteln und Strategien verständlich zu machen und andere verstehen zu können (Legutke 2008: 19; 2010). Allerdings wird bei Piepho der Begriff der kommunikativen Kompetenz durch zwei neue Aspekte erweitert, nämlich die metakommunikative und reflexive Fähigkeit, was bedeutet, dass das eigene sprachliche Handeln im Lernprozess problematisiert, analysiert und legitimiert werden soll (ibid.: 20).

      Laut Piepo bedeutet kommunikative Kompetenz nämlich:

      Weder in der einen noch in der anderen Auslegung das Erreichen bestimmter Normen, sondern die Fähigkeit, sich ohne Ängste und Komplexe mit sprachlichen Mitteln, die man durchschaut und in ihrem Wirkungen abschätzen gelernt hat, zu verständigen und kommunikative Absichten auch dann zu durchschauen, wenn sie in einem Code gesprochen sind, den man selbst nicht beherrscht und der nur partiell im eigenen Idiolekt vorhanden ist. (Piepho 1974: 9f.)

      Dieser Auffassung von kommunikativer Kompetenz liegt zugrunde, dass Unterricht nicht als ein Ort des Fertigkeitserwerbes betrachtet wird, sondern vielmehr als ein Erziehungsprozess, der die gesamte Persönlichkeit der Lernenden motivierend unterstützt und gestalterisch aktiv mit einbezieht. Persönlichkeitsentfaltung und Erziehung zu mündigen BürgerInnen sind folglich Ziel eines Unterrichts, der Lernende in ihrer Individualität und ihren Neigungen respektiert und als vollwertiges Gegenüber wahrnimmt. Als Konsequenz wird von einer normativen Gestaltung des Unterrichtes Abstand genommen, Entscheidungsprozesse sollen durch Konsensfindung gemeinsam bewältigt werden. Mitgestaltung wird so integraler Teil des Unterrichtes und soll als kritische Haltung gegenüber der Gesellschaft über das Klassenzimmer hinausgetragen werden. Daher ist laut Legutke Unterricht „für ihn (Piepho) ein pädagogischer und sozialer Prozess, der, zwar gebunden an reale Verhältnisse und Kontexte mit vielen Schwierigkeiten und Hemmnissen für die Entfaltung der kommunikativen Kompetenz der Lerner, dennoch zur gesellschaftlichen Veränderung beitragen kann“ (ibid.: 21f.). Auf den von Piepho entworfenen Begriff der „Diskurstüchtigkeit“ geht Hallet (Hallet 2008: 76) näher ein: Die metakommunikative Ebene beim Fremdsprachenlernen werde hier erstmals in ihrer Wichtigkeit für den Fremdsprachenunterricht erkannt. Sie verhindere die unreflektierte, akritische Sprachreproduktion, wie sie oft СКАЧАТЬ