Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit. Gisela Mayr
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit - Gisela Mayr страница 11

СКАЧАТЬ Meißner, die Interkomprehension, das Tertiärsprachenlernen und CLIL. Allen ist der Versuch gemeinsam, simultanes Sprachenlernen in der Praxis umzusetzen, indem Synergien zwischen den Sprachen auf den verschiedensten Ebenen genutzt werden. In diese Tradition lässt sich auch der in diesem Projekt entwickelte mehrsprachige kompetenzorientierte Ansatz einreihen. Daher werden im Folgenden die unterschiedlichen Ansätze in ihrer Relevanz für die gegenwärtige Studie erläutert und zu dieser in Beziehung gesetzt, um ein vollständiges Bild der gesamten Entwicklung der möglichen Lernprozesse und der für die Studie daraus gewonnenen Erkenntnisse zu ermöglichen. Im Anschluss werden noch offene Desiderate vorgestellt, deren Erfüllung zumindest ansatzweise im gewählten Unterrichtsformat anvisiert wird.

      3.1. Mehrsprachigkeitsdidaktik nach Meißner

      Dieser Ansatz legt erstmals das umfassende Transferpotential offen, das in einem mehrsprachigen Unterricht aktiviert wird. Da Transfer in all seinen Formen auch ein wichtiger Aspekt der Kompetenzerweiterung in der mehrsprachigen komplexen Kompetenzaufgabe ist, sollen die dahinterliegenden Mechanismen hier kurz umrissen werden. Die von Meißner und später Reinfeld entwickelte Mehrsprachigkeitsdidaktik entsteht im Rahmen einer Diskussion um und als Alternative zum Englischunterricht und zur Förderung der LOTE (Languages Other Than English)-Sprachen. Sie ist aufgrund ihrer eingehenden Untersuchung des interlingualen Transfers und seiner unterschiedlichen Formen insbesondere innerhalb der gleichen Sprachfamilie und ihrer Nutzung für den schulischen Spracherwerb für diese Studie relevant. Es wird hier veranschaulicht, wie vielfältig und unterschiedlich Transfer sein kann, wie er zustande kommt und welchen Reichtum an Ressourcen er für das Sprachenlernen nutzbar macht.

      Das LOTE-Konzept entspringt der romanistischen Sprachendidaktik und sieht bereits ab den ersten Schuljahren einen fächerübergreifenden Spracherwerb vor. Eine erste Theoretisierung erfolgt in einem Artikel aus dem Jahre 1995 (Meißner 1995), in welchem der interlinguale Transfer als Grundlage für jegliche Fremdsprachendidaktik erstmals postuliert und erste Didaktisierungsmöglichkeiten angedacht werden. Meißner postuliert für den Erwerb von nicht nur sprachübergreifenden, sondern auch von zwischensprachlichen kommunikativen Kompetenzen und Lernstrategien einen didaktischen Mehrsprachen-Monitor bzw. ein Mehrsprachenverarbeitungsmodell – ein Modell, das einen Erklärungsrahmen schafft für den Aufbau einer Spontangrammatik während multilingualer Rezeptionsvorgänge. Die dank der Spontangrammatik entstandenen Hypothesen über die Zielsprache(n) durchlaufen mehrere Stufen bis hin zur Bildung einer lernerspezifischen Interimsprache (Meißner 2003a: 13). Diese Interimsprache ermöglicht eine Vernetzung, die zu einem pro- und retroaktiven Transfer auf der Basis von Transferbasen führt (vgl. Hufeisen & Neuner 2004a; De Angelis 2005; Singleton 2006; Pavlenko & Jarvis 2002; Cheung et al. 2011). Sprachen können sich demzufolge gegenseitig beeinflussen und es lassen sich, meist über eine Brückensprache, aufgrund von Ähnlichkeiten Hypothesen über die Zielsprache aufstellen. Der Verwandtschaftsgrad der Sprachen spielt hier laut Meißner (Meißner 1995, 2003b) eine wichtige Rolle, da bei Sprachen der gleichen Sprachgruppe eine größere Anzahl von Transferbasen zur Verfügung steht. Der Transfer kann in erster Linie auf grammatischer, lexikalischer und morpho-syntaktischer Ebene erfolgen. Jedoch gibt es laut Meißner auch einen Transfer über die Sprachenoberfläche hinaus (Meißner & Reinfried 1998: 48f.). Dieser betrifft Aspekte des Weltwissens und der Kultur und Interkulturalität. Folglich wird Mehrsprachigkeitsdidaktik auch Mehrkulturalitätsdidaktik (Meißner & Reinfried 1998: 5), da das Verständnis anderer Sprach- und Kulturbereiche gefördert wird und gleichzeitig eine Infragestellung der eigenen kulturellen Maßstäbe erfolgt.

      Der damit einhergehende Bewusstwerdungsprozess und die Anwendung eben dieser Transfermöglichkeiten kann, unterstützt durch eine korrekte Steuerung im Unterricht, eine Beschleunigung des Spracherwerbsprozesses und des interkulturellen Lernens bewirken. Meißner unterscheidet weitere Typen von Transfer: Reidentifikations- und Produktionstransfer, didaktischer Transfer und lingual-materialer Transfer (Meißner 2010: 383). Entlang dieser Diskussionsebene ließen sich aber außerdem Transfertypen identifizieren wie: Transfer von Lernerfahrungen, Lernstrategien, Transfer von Inhalten und Wissen (z.B. über Kultur und Genres) und Transfer von Gefühlen und Haltungen.

      Ein mehrsprachiges, textzentriertes Arbeiten, eingebettet in einen kompetenzorientierten Unterricht, wie es in den Modulen des Forschungsprojektes der Fall ist, bietet hier ideale Voraussetzungen, damit sich dieses breitgefächerte Transferpotenzial durch die Arbeit an und mit plurilingualen Unterlagen in seinem gesamten Umfang entfalten kann. Insbesondere wird hier auch das Transferpotential nicht verwandter Sprachen aufgezeigt. Denn der Transfer erfolgt nicht immer innerhalb der gleichen Sprachfamilie, sondern die Wahl der Brückensprache entspricht besonderen Bedürfnissen, die sich im Moment des Sprechens ergeben.

      3.2 Die Interkomprehension und ihre Didaktik

      In engem Zusammenhang mit der Mehrsprachigkeitsdidaktik steht die Interkomprehensionsdidaktik, die in den Folgejahren von Meißner, Hufeisen und Neuner ausgearbeitet wurde (Hufeisen & Neuner 2003b, 2004a; Hufeisen 2010a; Byram 2010). Sie nutzt laut Meißner (Meißner 2010: 381) die Fähigkeit des Individuums, unbekannte Sprachen ohne formalen Lernprozess zu verstehen. Das bedeutet, dass durch bereits vorhandene sprachliche Archetypen fremdsprachliche Aspekte in allen Bereichen identifiziert, abgeglichen, angepasst und in eine noch unbekannte Zielsprache transferiert werden, um diese zu verstehen. Bei dieser Methode wird nicht die aktive Sprachproduktion in der Fremdsprache gefördert, sondern es werden hauptsächlich rezeptive Fähigkeiten angelegt, die es vor allem im europäischen Sprachraum ermöglichen sollen, fremdsprachliche Texte innerhalb derselben Sprachfamilie zu erschließen. So können z.B. vom Deutschen ausgehend anhand gezielter Texterschließungsstrategien, das Norwegische und Schwedische erschlossen werden. Solche rezeptive Fähigkeiten werden besonders durch den Sprachvergleich gefördert. Mit Blick auf diese Eigenschaft interkomprehensiven Lernens kann in Bezug auf das hier vorgestellte Unterrichtsprojekt gesagt werden, dass Formen interkomprehensiven Lernens sich insbesondere für Französisch herauskristallisiert haben, wobei auch in diesem Fall die kritische mehrsprachige Texterschließung und die damit einhergehende ständige Mediation zwischen Sprachen und ihren Strukturen einen grundlegenden Beitrag leisten. Die Lernenden konnten zudem Vorgelerntes in anderen Sprachen auf das Französische übertragen und dadurch den Verständnisprozess erleichtern und beschleunigen.

      3.2.1 Metakognition und Language Monitoring

      Die Interkomprehension löst das Desiderat im Bereich der Didaktik ein, das „verfügbare, mehrsprachliche und potenziell lernrelevante ‚träge Wissen’ in aktives, den Erwerbsprozess förderndes Wissen umzuwandeln“ (Meißner 2010: 383; Doyé 2006: 16). Dazu werden laut Meißner Strategien aus dem kognitiven und metakognitiven Bereich herangezogen, die auch zur Bewusstwerdung der Lernsteuerung beitragen. Es werden in der Interkomprehension also keine Sprachstrukturen vermittelt, als vielmehr Strategien entwickelt, mittels welcher Neues auf Bekanntes zurückgeführt werden kann. Die daraus resultierende erhöhte Sprachlern- und Rezeptionskompetenz führen in der Folge zu einer erweiterten Lernautonomie, wie Doyé sie beschreibt (Doyé 2010b: 133), da die ständige Hypothesenbildung und Verifizierung bzw. Falsifizierung, welche im Zuge der interkomprehensiven Texterschließung entsteht, einen sehr hohen kognitiven Anforderungsgrad für die Lernenden mit sich bringt. Dadurch bildet sich eine entdeckende und überprüfende Haltung heraus, die sich fördernd auf die Lernautonomie auswirkt. Eben dieser Wechsel von einer geleiteten in eine selbstgesteuerte, lernautonome Unterrichtsform führt auch in der mehrsprachigen komplexen Kompetenzaufgabe dazu, dass die Lernenden neue Lernkanäle und Lernformen entdecken, die für sie besser nutzbar sind und eigene Strategien entwickeln, um komplexe mehrsprachige Situationen zu meistern. Dabei nehmen die Lernenden eine forschende und verifizierende Haltung beim Sprachenlernen ein, die es ihnen ermöglicht, sprachübergreifend Hypothesen aufzustellen und diese gemeinsam zu überprüfen (ibid.: 135f.).

      In diesem Zusammenhang wird der Begriff Language Monitoring, so wie ihn Jessner bereits 2004 postuliert (Jessner 2004: 113), für die vorliegende Studie relevant, wird aber in dieser СКАЧАТЬ