Название: Physikalische Chemie
Автор: Peter W. Atkins
Издательство: John Wiley & Sons Limited
Жанр: Химия
isbn: 9783527828326
isbn:
Anziehungs- und Abstoßungskräfte zwischen Gasmolekülen sind die Ursache für das nicht-ideale Verhalten der Isothermen und das kritische Verhalten realer Gase.
Voraussetzungen
Dieser Abschnitt baut auf unserer Diskussion der idealen Gase in Abschn. 1.1 auf, und wir werden daraus weitergehende Überlegungen ableiten. Hierzu benötigen wir ein neues mathematisches Werkzeug: die Differenzialrechnung, die es uns ermöglicht, Wendepunkte im Verlauf von Kurven zu identifizieren. Dieses wichtige mathematische Verfahren wird im „Toolkit 5: Differenzialrechnung“ vorgestellt.
Reale Gase erfüllen die Zustandsgleichung des idealen Gases nur im Grenzfall p → 0 genau. Die Abweichungen werden umso deutlicher, je höher der Druck und niedriger die Temperatur ist; am stärksten wirken sie sich am Punkt der Kondensation zur Flüssigkeit aus.
1.3.1 Abweichungen vom idealen Verhalten
Reale Gase weichen von der Zustandsgleichung des idealen Gases ab, weil die Moleküle miteinander wechselwirken: Abstoßungskräfte begünstigen die Expansion, Anziehungskräfte die Kompression.
Die Abstoßung wird nur dann wichtig, wenn sich die Moleküle fast berühren (Abb. 1.16): ihre Reichweite ist kurz, selbst im Vergleich zu typischen Molekülgrößen. Aus diesem Grund sind Abstoßungen nur bei kleinen Abständen der Moleküle von Bedeutung, d. h. bei hohem Druck, wenn sich viele Moleküle in einem kleinen Volumen aufhalten. Anziehungskräfte besitzen dagegen eine relativ große Reichweite, sie wirken über einige Moleküldurchmesser hinweg. Daher sind sie bei Abständen mittlerer Länge (siehe Abb. 1.16) interessant, d. h.wenn die Moleküle einander zwar nahe kommen, sich aber nicht unbedingt berühren. Bei großen Entfernungen zwischen den Teilchen (am rechten Rand von Abb. 1.16) spielen sie keine Rolle mehr. Auch bei sehr niedriger Temperatur, wenn sich die Molekülemit so geringer mittlerer Geschwindigkeit bewegen, dass sie einander “einfangen“ können, werden intermolekulare Kräfte wichtig.
Abb. 1.16 Die Änderung der potenziellen Energie zweier Moleküle mit ihrem Abstand. Große positive Energien bei kleinen Abständen kommen dadurch zustande, dass hier die abstoßenden Wechselwirkungen stark überwiegen. Bei mittleren Abständen ist die potenzielle Energie negativ; die Anziehungskräfte dominieren. Wenn die Entfernung zwischen den Molekülen hinreichend groß wird (rechts), verschwindet die Wechselwirkung und die potenzielle Energie wird null.
Die Auswirkungen dieser Wechselwirkungen werden deutlich, wenn wir die experimentellen Isothermen für Kohlendioxid betrachten, die in Abb. 1.17 gezeigt sind. Das Gas verhält sich demzufolge ideal, wenn die Moleküle weit voneinander entfernt sind, sodass zwischenmolekulare Wechselwirkungen keine Rolle spielen – d. h. bei geringem Druck. Bei mäßigem Druck dominiert die Anziehung, da die Entfernung zwischen zwei Molekülen nur einige Teilchendurchmesser beträgt. In diesem Fall sollte das Gas leichter komprimierbar sein als ein ideales Gas, weil die Anziehungskräfte helfen, die Teilchen zusammen zu drücken. Beiweiterer Druckerhöhung überwiegen schließlich die Abstoßungskräfte, weil die mittleren Abstände der Moleküle voneinander sehr klein werden, sodass das Gas schwerer zu komprimieren sein sollte.
Abb. 1.17 (a) Experimentelle Isothermen von Kohlendioxid bei verschiedenen Temperaturen. Zur Temperatur 31, 04 °C (kritische Temperatur) gehört die „kritische Isotherme“ (blaue Linie). Der kritische Punkt ist durch einen Stern gekennzeichnet. (b) Ein Gas kann nur bei oder unterhalb seiner kritischen Temperatur zur Flüssigkeit kondensieren, während es komprimiert wird, wie z. B. entlang der horizontalen Linie CDE. Auf der gepunkteten, schwarzen Linie um die schattierte Fläche liegen Punkte wie C und E für alle Isothermen unterhalb der kritischen Temperatur.
Nun soll das Volumen der Gasprobe, die sich zunächst im Zustand A (Abb. 1.17) befand, bei konstanter Temperatur verringert werden (etwa durch Verschieben eines Kolbens). In unmittelbarer Nähe von A nimmt der Druck entsprechend dem Gesetz von Boyle zu. Signifikante Abweichungen machen sich bemerkbar, wenn das Volumen sich dem Zustand B nähert.
Am Punkt C (für Kohlendioxid etwa 6MPa oder 60 bar) erinnert nichts mehr an ideales Verhalten: Bei weiterer Bewegung des Kolbens steigt der Druck nicht mehr an, wie es die horizontale Linie CDE zeigt. Wenn man in diesem Bereich den Gefäßinhalt untersucht, findet man, dass unmittelbar links vom Punkt C eine Flüssigkeit erscheint. Zwei Phasen mit einer Grenzfläche entstehen. Bei Verringerung des Volumens von C über D nach E nimmt der Anteil der Flüssigkeit im System zu. Durch die Kondensation wird der Widerstand, den das Gas dem Kolben entgegensetzt, nicht mehr größer. Der Druck, der der Linie CDE entspricht – d. h. der Koexistenz von Gas und Flüssigkeit im Gleichgewicht –, heißt Dampfdruck der Flüssigkeit bei der jeweiligen Temperatur.
Am Punkt E ist die Probe vollständig verflüssigt und der Kolben lässt sich nur unter Aufwendung sehr hohen Drucks weiter bewegen, wie es durch den steilen Anstieg der Kurve links von E nach F wiedergegeben wird. Selbst eine kleine Verringerung des Volumens führt in diesem Bereich unmittelbar zu einem deutlichen Anstieg des Drucks.
(a) Der Kompressionsfaktor
Der Kompressionsfaktor oder Realfaktor Z eines Gases gibt das Verhältnis seines Molvolumcns, Vm = V/n zum Molvolumen
(1.23)
Das Molvolumen eines idealen Gases ist gleich RT/p; ein aquivalenter Ausdruck für Z ist deshalb Z = pVm/RT oder
Für ein ideales Gas erhält man unter allen Bedingungen Z = 1; die Abweichung des Kompressionsfaktors von 1 ist daher ein Maß für die Abweichung vom idealen Verhalten.
In Abb. 1.18 sind einige experimentelle Werte von Z gezeigt. Bei sehr kleinen Drücken verhalten sich die Gase nahezu ideal: Z ≈ 1. Für hohe Drücke findet man Z > 1: Das Molvolumen solcher Gase ist größer als das eines idealen Gases, da die Abstoßung zwischen den Teilchen hier dominiert. Bei mäßigem Druck ist für die meisten Gase Z < 1, da die anziehenden Wechselwirkungen überwiegen und das Molvolumen im Vergleich zum idealen Gas verkleinern.