Название: Staatshaftungsrecht
Автор: Michael Ahrens
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: JURIQ Erfolgstraining
isbn: 9783811494381
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Ebenso anerkannt ist die Drittbezogenheit einer Amtspflichtverletzung bei dem Erlass von Bebauungsplänen.[89]Zur Begründung sind die Prüfungsschritte anzuwenden, mit denen die Drittbezogenheit ermittelt wird.
Im ersten Schritt ist wieder die generelle Drittbezogenheit der Amtspflicht festzustellen. Das ist für das Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB der Fall, denn dort sind neben den Interessen der Allgemeinheit auch die Interessen Privater zu berücksichtigen.[90] Ein genereller Drittbezug wird auch z.B. im Hinblick auf die Wahrung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse angenommen, § 1 Abs. 6 Nr. 1 u. 7c BauGB. Das hat insbesondere zur Konsequenz, keine Altlastenflächen als Baugebiet auszuweisen.[91] Diese generelle Drittbezogenheit ist mittlerweile so klar anerkannt, dass sie seitens der Rechtsprechung nicht mehr besonders erörtert und begründet wird.[92]
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Im zweiten Schritt lässt sich der von der generell drittbezogenen Amtspflicht erfasste Personenkreis über die im Plangebiet liegenden Grundstücke individualisieren. Die Rechtsprechung spricht diesbezüglich von einem Kreis Dritter, der in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise hinsichtlich seiner schutzwürdigen Interessen betroffen ist.[93]
JURIQ-Klausurtipp
Sie merken an dieser Stelle die eindeutige Orientierung der Rechtsprechung an der Schutznormtheorie, die in Verbindung mit § 42 Abs. 2 VwGO entwickelt worden ist. Lassen Sie sich nicht durch die komplizierte Formulierung des BGH abschrecken. Fragen Sie sich nur, ob ein Dritter in dem Fall klagebefugt wäre.
Wiederholen Sie die Voraussetzungen der Klagebefugnis, Möglichkeitstheorie, Adressatenformel, Schutznormtheorie.
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Soweit ein Schaden durch die Nichtberücksichtigung der privaten Belange bei § 1 Abs. 7 BauGB bzw. z.B. bei Beeinträchtigung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse vorliegt, § 1 Abs. 6 Nr. 1 u. 7c BauGB ist auch die letzte Voraussetzung der Drittbezogenheit erfüllt. Der Schutzzweck der Amtspflicht umfasst den eingetretenen Schaden.
Zu beachten ist dabei jedoch, dass die Behörde die Möglichkeit einer Heilung von Verfahrensfehlern haben muss. Damit stellt sich die Frage nach dem rechtmäßigen Alternativverhalten. Danach wird ein ersatzfähiger Schaden verneint, wenn der Schaden auch bei einem möglichen, rechtmäßigen Verwaltungshandeln entstanden wäre, also die Behörde bei rechtmäßigem Verfahren zu derselben Entscheidung hätten kommen müssen.[94] Das gilt auch, wenn Baugenehmigungsbehörde und die den Plan erlassende Gemeinde auseinanderfallen, wie es bei kleinen kreisangehörigen Gemeinden, die über keine eigene Baugenehmigungsbehörde verfügen, der Fall ist.[95]
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Nicht einbezogen in den Drittbezug der Amtspflichtverletzung sind die Kreditgeber der Grundstückseigentümer, da ihnen gegenüber ein Bezug zu den Abwägungskriterien des § 1 Abs. 5–7 BauGB fehlt.[96]
Ebenso wenig erstreckt sich der Drittbezug der Amtspflicht auf die dem Gebiet, für das ein Bebauungsplan besteht, benachbarten Grundstücke. Das gilt sogar für Nachbargrundstücke innerhalb eines Bebauungsplans. Ein Drittbezug der Amtspflicht kann in diesen Fällen nur auf das jeweilige konkret betroffene Grundstück angenommen werden, nicht auf seine Umgebung, selbst wenn sie von den Auswirkungen betroffen ist.[97]
Beispiel
Das Grundstück des A ist so stark belastet, dass es unbewohnbar ist. Das Nachbargrundstück des B ist selbst unbelastet, es wird aber durch die Auswirkungen vom Grundstück des A ebenfalls unbewohnbar. B macht nun einen Amtshaftungsanspruch geltend.
B wird in diesem Fall nicht vom Schutzbereich der Amtspflicht erfasst, denn diese bezieht sich nur auf die jeweils einzelnen Grundstücke, die unmittelbar betroffen sind. Die Amtspflicht ist also objektbezogen. Das Grundstück des B ist selbst aber unbelastet. Eine nur mittelbare Auswirkung einer Amtspflichtverletzung reicht nicht aus. B hat keinen Amtshaftungsanspruch.
JURIQ-Klausurtipp
Behalten Sie für die Klausurbearbeitung in Erinnerung: Grundsätzlich gibt es keine Amtshaftung für normatives Unrecht. Ausnahme und damit klausurrelevant ist der Bebauungsplan. Hier können drittbezogene Amtspflichten bestehen, die aber genau eingegrenzt und festgestellt werden müssen. Also keine allgemeinen Floskeln verwenden. Auch wenn dieser Punkt in der Rechtsprechung nicht weiter erörtert wird, will der Fallsteller von Ihnen die Herleitung der Drittbezogenheit der Amtspflicht wissen.
Dabei benutzen Sie die drei Schritte, um den Drittbezug zu ermitteln:
• | generelle Drittbezogenheit der konkreten Amtspflicht, |
• | fällt der Anspruchsteller in den persönlichen Anspruchsbereich der Amtspflicht und |
• | will die Amtspflicht den Anspruchsteller gerade vor dem eingetretenen Schaden bewahren. |
3. Sonderfall: Hoheitsträger als Dritter i.S.d. Amtshaftung
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Eine Amtspflichtverletzung kann nicht nur Private, also Bürger und juristische Personen des Privatrechts schädigen. Denkbar ist auch, dass ein anderer Verwaltungsträger, also eine juristische Person des öffentlichen Rechts betroffen ist.
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Voraussetzung ist, dass die verletzte Amtspflicht auch dem Schutz der Interessen des geschädigten Verwaltungsträgers dient. Weiterhin muss der Amtswalter dem Verwaltungsträger in gleicher Weise gegenüberstehen wie einem Bürger. Das bedeutet, dass zwischen den Beteiligten gegenläufige Interessen bestehen müssen. Eine derartige Konstellation ist im Bereich des Selbstverwaltungsrechts möglich, wenn sich Selbstverwaltungskörperschaft und Staatsaufsicht gegenüber stehen.[98]
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Handeln die beteiligten Verwaltungsträger jedoch, um eine gemeinsame Aufgabe zu erfüllen, fehlt es an diesem Interessengegensatz, der für die Amtshaftung notwendige Voraussetzung ist.[99]
Beispiel
Die Bezirksregierung/Regierungspräsidium genehmigt als Kommunalaufsichtsbehörde die Finanzierung einer städtischen Sporthalle der kreisfreien Stadt K nach dem Leasingmodell, obwohl eine Kreditfinanzierung günstiger gewesen wäre. Eine Überprüfung des Landesrechnungshofs stellt diesen Sachverhalt fest. Nunmehr verlangt die Stadt K die durch das Leasingmodell entstandenen Mehrkosten als Schadensersatz aus Amtshaftung.[100]
Die rechtmäßige Ausübung der Kommunalaufsicht ist zunächst im öffentlichen Interesse. Allerdings umfasst sie auch die Pflicht, die Gemeinde vor rechtsfehlerhaftem Handeln zu bewahren. Eine Selbstschädigung der Gemeinde soll vermieden werden. Dazu zählt die Wahrung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinde verbunden mit dem sparsamen Umgang der zur Verfügung stehenden СКАЧАТЬ