Название: Staatshaftungsrecht
Автор: Michael Ahrens
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: JURIQ Erfolgstraining
isbn: 9783811494381
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Die Stadt K fällt auch in den persönlichen Anwendungsbereich der Amtspflicht und der eingetretene Schaden der höheren Finanzierungskosten sollte durch die Ausübung der Amtspflicht gerade verhindert werden. Damit wird der Schaden vom Schutzzweck der Amtspflicht erfasst.
Im Ergebnis liegt eine drittbezogene Amtspflichtverletzung vor und der Amtshaftungsanspruch ist bis dahin gegeben.
2. Teil Amtshaftung, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG › B. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen › V. Verschulden
V. Verschulden
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Die Amtshaftung nach § 839 BGB verlangt, dass der Amtswalter die drittbezogene Amtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat. Amtshaftung ist also Verschuldenshaftung und unterscheidet sich durch dieses Merkmal grundsätzlich von den Ansprüchen auf Entschädigung und Wiederherstellung.
Hinweis
Erinnern Sie sich an die Differenzierung der Staatshaftung nach den vier großen Bereichen, s.o. Rn. 3.
1. Verschuldensmaßstab
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Das Prinzip der Verschuldenshaftung beruht auf der Konstruktion des Amtshaftungsanspruches als deliktischer Tatbestand, da an die deliktische Eigenhaftung des Amtswalters angeknüpft wird. Art. 34 GG erwähnt zwar kein Verschuldenserfordernis lässt es deshalb aber nicht entfallen. Art. 34 GG leitet den gegen den Amtswalter gerichteten Anspruch nur auf den Staat über.
Die Feststellung des Verschuldens erfolgt nach den Regeln des BGB. Sie muss konkret bezogen auf die Schuldform Vorsatz oder Fahrlässigkeit erfolgen, da sie sich auf die Anwendbarkeit der Haftungsbegrenzungen aus § 839 Abs. 1 S. 2 BGB – nur im Falle der Fahrlässigkeit – und § 839 Abs. 2 BGB – nur bei Vorsatz – auswirkt.
Anknüpfungspunkt ist die drittbezogene Amtspflichtverletzung, nicht der Schadenseintritt.[101]
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Vorsatz bedeutet, dass sich der Amtswalter bewusst ist oder mindestens mit der Möglichkeit rechnet, dass er sich über eine Amtspflicht hinwegsetzt.[102] Der Amtswalter muss dabei das Bewusstsein haben, gegen eine Amtspflicht zu verstoßen. Irrt sich der Amtswalter, so entfällt das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit und damit zugleich der Vorsatz.[103]
Hinweis
Eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung ist in der Praxis wie in der Klausur äußerst selten und dann ohne weiteres festzustellen.
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Fahrlässig handelt der Amtswalter, der die übliche Sorgfalt nicht beachtet, § 276 Abs. 2 BGB. Maßstab ist dabei ein pflichtgetreuer Durchschnittsbeamter. Auf individuelle subjektive Kenntnisse und Fähigkeiten kommt es dabei nicht an.[104] Dieser Verschuldensmaßstab kann durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeengt werden, z.B. auf grobe Fahrlässigkeit. Das ergibt sich aus Art. 34 S. 1 GG, wenn es heißt, dass der Staat grundsätzlich die Haftung bei einer Amtspflichtverletzung übernimmt. Damit wird nur eine Mindestgarantie der Amtshaftung vorgegeben, die eine inhaltliche Begrenzung dieses Instituts zulässt. Das Erfordernis eines förmlichen Gesetzes als Grundlage, um den Verschuldensmaßstab zu begrenzen, entspringt dem Prinzip des Gesetzesvorbehalts, Art. 20 Abs. 3 GG.
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Eine kommunale Satzung aufgrund des allgemeinen Satzungsrechts der Gemeinden erfüllt diese Voraussetzung nicht. Das Staatshaftungsrecht liegt außerhalb dieser Satzungsautonomie. [105]
Hinweis
Vorsicht! Verwechseln Sie die Frage nach einer Modifizierung des Verschuldens bei der Amtshaftung nicht mit dem möglichen Haftungsausschluss im Rahmen öffentlich-rechtlicher Schuldverhältnisse.
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Die in der Bestimmung der Fahrlässigkeit zu erkennende Tendenz der Objektivierung des Sorgfaltsmaßstabes wird über die Grundsätze der Entindividualisierung und des Organisationsverschuldens erweitert.
Entindividualisierung heißt, dass der Name des verantwortlichen Amtswalters nicht konkret angegeben werden muss. Hierzu ist der geschädigte Bürger im Regelfall auch nicht in der Lage. Damit einher geht das Organisationsverschulden, wonach das Fehlverhalten des namentlich nicht bekannten verantwortlichen Amtswalters dem Verwaltungsträger zugerechnet wird.[106]
2. Sonderfall: Fehlerhafte Rechtsanwendung
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Vor dem Hintergrund der Objektivierung kann sich ein Amtswalter nicht auf mangelnde Rechtskenntnisse berufen. Mangelhafte Gesetzeskenntnis oder Unkenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist fahrlässig.[107]
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Anders ist die Lage, wenn ungeklärte Zweifelsfragen zu lösen sind, und der Amtswalter nach sorgfältiger Prüfung zu einem vertretbaren Ergebnis gelangt, selbst wenn es durch die nachfolgende Rechtsprechung nicht bestätigt und sich dadurch als falsch erweist.[108]
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Das Verhalten des amtspflichtwidrig handelnden Amtswalters stellt sich auch anders dar, wenn sein Verhalten durch ein Kollegialgericht als rechtmäßig beurteilt worden ist. Zur Begründung wird angeführt, dass ein einzelner Amtswalter nicht bessere Rechtskenntnis haben kann als ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht.[109] Diese Auffassung hat die Rechtsprechung mittlerweile dahin korrigiert, dass der Billigung des amtspflichtwidrigen Verhaltens durch ein Kollegialgericht nur noch die Funktion einer Richtlinie zukommt.[110] Insbesondere findet sie keine Anwendung, wenn das Kollegialgericht in einem Eilverfahren entschieden hat.[111] oder bei seiner Entscheidung von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist, bzw. wesentliche rechtliche Aspekte übersehen hat.[112]
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Die Literatur lehnt den Ansatz zum Teil grundsätzlich ab. Die Entschuldigung eines amtspflichtwidrigen Verhaltens über eine kollegialgerichtliche Entscheidung hat die merkwürdige Konsequenz, dass ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung von vorneherein aussichtslos ist.[113] Zu beachten ist zudem, dass die kollegialgerichtliche Entscheidung selbst rechtwidrig ist, wenn sie die Amtspflichtverletzung entschuldigt. Der geschädigte Bürger ist einer zweifachen Rechtswidrigkeit ausgesetzt und bleibt auf seinem Schaden sitzen.[114] Schließlich ist zu sehen, dass die kollegialgerichtliche Entscheidung als Entschuldigungsgrund für die Amtspflichtverletzung eine Ausnahme im Anwendungsbereich des § 839 BGB darstellt. Sie kann deshalb auch mit Blick auf Art. 20 Abs. 3 GG als unzulässige gesetzeskorrigierende richterliche Rechtsfortbildung angesehen werden.[115]
JURIQ-Klausurtipp
Aufgrund der starken Einschränkung der Bedeutung, die eine kollegialrichterliche Entscheidung als Entschuldigungsgrund für eine Amtspflichtverletzung nunmehr hat, wird von Ihnen an diesem Punkt keine СКАЧАТЬ