Название: Staatshaftungsrecht
Автор: Michael Ahrens
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: JURIQ Erfolgstraining
isbn: 9783811494381
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Die Konsequenz ist, dass ab Eintritt der Bestandskraft eine an sich gegebene Amtspflichtverletzung nicht mehr geltend gemacht werden kann.[63] Es stehen sich mithin das Prinzip der Bestandskraft als Ausdruck der Rechtssicherheit, abgeleitet aus Art. 20 Abs. 3 GG, und das Prinzip der inhaltlichen Richtigkeit, ebenfalls aus Art. 20 Abs. 3 GG folgend, gegenüber.
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Dieses Problem ist durch eine differenzierte Betrachtung der jeweiligen Verfahrensgegenstände zu lösen. Im Verwaltungsverfahren geht es um die Regelung einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit, die einer verbindlichen Lösung bedarf und von allen ab einem bestimmten Zeitpunkt zu beachten ist. Bei der Frage nach einer Amtshandlung geht es hingegen nur darum, ob die getroffene Regelung die Rechtsordnung wahrt. Ist das nicht der Fall, so ist allein im Verhältnis Staat – Bürger die Frage nach einer Amtshaftung und einer Schadensregulierung zu klären.
Die beiden Bereiche – die Entscheidung des Verwaltungsaktes einerseits und ihr Zustandekommen andererseits – sind zu trennen.
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Um einen Amtshaftungsanspruch zu klären, ist deshalb auch ein bestandskräftiger Verwaltungsakt inzident bei der Amtspflichtverletzung voll zu überprüfen. Zwei Argumente lassen sich hierfür anführen. Zum einen bewirkt die bloß durch Zeitablauf eingetretene Bestandskraft nicht das gleiche Maß an Richtigkeitsgewähr wie eine gerichtliche Kontrolle.[64] Zum anderen sieht § 839 Abs. 3 BGB einen Ausschluss der Amtshaftung vor, wenn schuldhaft ein Rechtsmittel gegen die amtspflichtwidrige Entscheidung versäumt wurde. Diese Vorschrift wird unterlaufen, wenn auch im Fall der nicht schuldhaften Versäumung eines Rechtsmittels gleichwohl wegen der Bestandskraft des Verwaltungsaktes eine Amtshaftung im Ergebnis ausscheidet.[65]
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Anders liegt die Sache nur, wenn über den Verwaltungsakt bereits eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung ergangen ist. Dabei muss es sich um ein Sachurteil handeln. Ein Prozessurteil – Klageabweisung wegen Unzulässigkeit der Klage – reicht nicht aus, da eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Verwaltungsakt fehlt. Gleiches gilt auch, wenn nur eine Eilentscheidung vorliegt, da sie keine materielle Rechtskraft wie ein Urteil in der Hauptsache erlangt.[66] Im Fall eines Sachurteils greifen die eben genannten Argumente für eine volle Überprüfung des Verwaltungsaktes nicht. Vielmehr umfasst die verwaltungsgerichtliche Entscheidung auch die Feststellung einer Amtspflichtverletzung. Stellt das Urteil fest, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war, so liegt zugleich eine Amtspflichtverletzung vor. Stellt es fest, dass der Verwaltungsakt rechtmäßig war, so ist eine Amtspflichtverletzung nicht gegeben.[67]
JURIQ-Klausurtipp
In einer Klausur können Sie im Rahmen der Feststellung einer Amtspflichtverletzung durch den Erlass eines Verwaltungsaktes zu dessen vollständiger inzidenten Überprüfung kommen. Das heißt, dass Sie an dieser Stelle die formelle und materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu überprüfen haben. Auf diese Weise kann sich in einer Amtshaftungsklausur ohne Weiteres ein Schwerpunkt im Allgemeinen wie im Besonderen Verwaltungsrecht finden.
2. Teil Amtshaftung, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG › B. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen › IV. Gegenüber einem Dritten
1. Feststellung der Drittbezogenheit
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§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG setzt voraus, dass eine Amtspflichtverletzung gegenüber einem Dritten begangen wird. Diese Drittbezogenheit dient der Haftungsbegrenzung. Es soll nicht jede Amtspflichtverletzung einen Amtshaftungsanspruch auslösen. Sie besteht nur, wenn zwischen Staat und Bürger aufgrund der Amtspflichten ein besonderes Näheverhältnis besteht.[68]
Eine Drittbezogenheit der Amtspflicht liegt vor, wenn die Amtspflicht zumindest auch dem geschädigten Bürger gegenüber besteht.
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Unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung[69] lässt sich damit die Drittbezogenheit der Amtspflicht in einer gestuften Prüfungsabfolge ermitteln. Es ist zu klären, ob
• | die Amtspflicht überhaupt Drittwirkung entfaltet, |
• | der Geschädigte dem geschützten Personenkreis zuzurechnen ist und |
• | das konkret betroffene Recht oder Rechtsgut von der Drittwirkung erfasst wird.[70] |
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Besteht danach keine Drittbezogenheit, so entfällt ein Amtshaftungsanspruch unabhängig davon, ob der Bürger durch die Amtspflichtverletzung einen Schaden erlitten hat.
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Die Frage nach der generellen Drittwirkung einer Amtspflicht beantwortet sich nach den Grundsätzen der zur Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO entwickelten Schutznormtheorie.[71] Danach ist durch Auslegung der konkreten Amtspflicht zu ermitteln, in wie weit sie auch die Interessen einzelner Personen schützt und damit für diese Personen subjektive Rechte begründet, auf die sie sich berufen können.[72]
JURIQ-Klausurtipp
In einer Klausur gilt für diesen Punkt die Faustformel: Einen generellen Drittbezug können Sie annehmen, wenn die Verletzung der Amtspflicht in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Klagebefugnis begründen könnte. Bei der Verletzung subjektiver Rechte ist das stets der Fall. Im Übrigen kommt es auf Ihre Argumentation zur Auslegung der konkreten Amtspflicht an.
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Der Aspekt der Zurechnung des Geschädigten zum geschützten Personenkreis verlangt, dass die verletzte Amtspflicht den Zweck hat, gerade den Personenkreis zu schützen, dem der Geschädigte angehört. Auch hier ist auf die oben erwähnten Grundsätze der Schutznormtheorie als Hilfskriterium zurückzugreifen.
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In diesen persönlichen Schutzbereich fällt der Geschädigte immer, wenn z.B. die Amtspflicht, unerlaubte Handlungen zu unterlassen und Rechtsgüter unbeteiligter Dritter zu achten, verletzt wird.[73] Es handelt sich hierbei um eine sog. absolute Amtspflicht, die generell drittschützend ist.[74]
Zum Kreis der geschützten Personen gehört zunächst derjenige, dem die verletzte Rechtsposition zusteht und nicht anderen Personen, selbst wenn sich das pflichtwidrige Handeln des Amtsträgers für sie nachteilig auswirkt.[75]
Allerdings ist anerkannt, dass ein eigener Rechtsanspruch auf die Amtshandlung für die Drittbezogenheit nicht zwingend erforderlich ist, wenn die Auslegung der verletzten Norm ergibt, dass sie auch dem Schutz von Personen dient, die nicht selbst anspruchsberechtigt sind.[76]
Eine Besonderheit hinsichtlich СКАЧАТЬ