Название: Spielen und Lernen verbinden - mit spielbasierten Lernumgebungen (E-Book)
Автор: Cornelia Rüdisüli
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783035518115
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Manu Eggers stellt im Beitrag mit dem Titel «Und los! Spielbasiertes Lernen in der Praxis – Beispiel der Gemeinde Gächlingen» vor, wie in der Gemeinde Gächlingen spielbasiertes Lernen auf unterschiedlichen Stufen und auch stufenübergreifend umgesetzt wird. Die GrundacherSchule hat das Spielen als festen Bestandteil in den Unterricht integriert und führt regelmässig stufen- und fächerübergreifend spielbasierte Lernumgebungen im Zyklus 1 und 2 durch. In ihrem Beitrag «Spielbasierte Lernumgebungen – am Beispiel GsundacherHaus» schildern Karin Anderhalden und Victor Steiner von der GrundacherSchule ihr Konzept des spielbasierten Lernens. Hier beschreiben die beiden, wie beim Thema «Gesundheit» im Rollenspiel die Wirklichkeit nachgespielt werden kann.
Übergeordnete Themen: Als dritter Teil mit dem Praxisbezug präsentieren wir Beiträge mit einem Fokus auf übergeordnete Aspekte zur Konzeption des Spiels im Unterricht. Beginnend mit der Beschreibung der spielpädagogischen Ausbildung: Sandra Di Sario und Cornelia Rüdisüli zeigen als Dozentinnen an der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen in ihrem Beitrag «Spielbasiertes Lernen in der Aus- und Weiterbildung» auf, wie Studierende die Kompetenz erwerben, spielerische Settings und spielbasierte Lernumgebungen gewinnbringend in den Unterricht zu integrieren, und wie sie das Spielen der Kinder begleiten und anreichern können. Der Band endet mit einem Statement von Pia Auerswald: «Lasst die Kinder spielen». Die Autorin, Schulinspektorin des Erziehungsdepartements des Kantons Schaffhausen, betont die Wichtigkeit spielbasierten Lernens aus der Sicht der Bildungsverwaltung und stellt vor, in welchen Modulen und mit welcher Konzeption diese Kompetenzen aufgebaut werden.
Die Herausgebenden sind zuversichtlich, dass die vorliegenden Beiträge dazu anregen, dass in Zukunft spielbasiertes Lernen im Kindergarten und in der Primarschule empirisch gestützt und nicht bloss aufgrund moralischer Appelle einen grösseren Stellenwert einnehmen wird.
Spielen und Lernen verbinden – mit spielbasierten Lernumgebungen
Markus Kübler und Cornelia Rüdisüli
1 Einführung
Der Diskurs über das Spielen von jüngeren Kindern und die Wirklichkeit könnten in keinem grösseren Widerspruch stehen: In medialen Schlagzeilen und in gut verkauften Büchern beschwören Forschende und Erziehende die entscheidende Stellung des Spiels für die Entwicklung in der Kindheit (NLL 2015, Stamm 2016, Zimpel 2011). Crowley (2017) nennt dies das «play ethos». Auf der anderen Seite ist der Anteil der Frühförderung durch direkte Instruktion im Alltag der Kinder stark angestiegen (Blaurock et al. 2014, Edelmann et al. 2018, Stamm 2016). Diese Entwicklung, dass auch 3- bis 5-jährige Kinder in Vorschuleinrichtungen mittels direkter Instruktion in Sprache und Mathematik einer Frühförderung unterzogen werden, ist ganz besonders in den angelsächsischen Ländern anzutreffen (Singer et al. 2009; Hirsh-Pasek et al. 2011; Whitebread et al. 2012; Nicolopoulou 2019). Auch die Ausdehnung überbauter Flächen in der kindlichen Umwelt behindert das freie Spielen der Kinder; deshalb spricht man von einer «Verhäuslichung» und «Verinselung» der Kindheit (Hauser 2016, 41; Meyer 2012; Hüttenmoser 1995/2015; Heimlich 2015, Wannack 2006).
Das Plädoyer für das kindliche Spiel als Entwicklungsmotor und Lernmodus der Kinder hat eine hohe innere Plausibilität: Spielen ist eine allen Menschenkindern innewohnende Tätigkeit. Auch die meisten Säugetierkinder spielen extensiv: Junge Katzen jagen einem Wollknäuel nach und Murmeltierkinder balgen sich ausgiebig. Also muss das Spielen in der Entwicklung von höheren Lebewesen einen evolutionären Vorteil bieten. Die biologische Funktion ist evident: Spielen ist das Einüben später benötigter überlebenswichtiger Fertigkeiten (Kämpfen, Dominanz, Jagen, Fangen, Springen usw.), obwohl dies im Augenblick des Spiels den Spielenden nicht bewusst ist (Hauser 2016). Spiel ist demnach eine Aneignung der Welt (Oerter 2008; Duncker 2015). Diese offensichtliche Funktion des Spiels für die Entwicklung der Kinder lässt sich empirisch nur schwer nachweisen. Das freie Spiel und das freie Explorieren scheinen nicht diejenigen Effekte zu zeigen, die aufgrund obiger Annahmen messbar sein müssten (Alfieri et al. 2011; Fisher et al. 2013; Hirsh-Pasek 2018; Mayer 2004; McInnes et al. 2011; Pellegrini 1998; Skolnik Weisberg 2018; Weisberg et al. 2016; Whitebread et al. 2017). Auf der anderen Seite ist aus verschiedenen Studien bekannt, dass eine Vorverlegung des systematischen Lernens durch direkte Instruktion in den Kindergarten entweder zu keinen oder lediglich kurzfristigen Effekten führt (Alfieri et al. 2011; Dollase 2007; Shuey et al. 2018; Weisberg et al. 2013; Thomas et al. 2006; Stern 2009; Marcon, 2002).
Was ist also zu tun? Diese Befunde scheinen auf den ersten Blick einen unlösbaren Widerspruch zu etablieren: Das freie Spiel ist eher ungeeignet für den lernzielorientierten Kompetenzerwerb, während das systematische Lernen mittels direkter Instruktion auch keinen günstigen Weg für jüngere Kinder darstellt. Ist spielerisches Lernen tatsächlich mit einem an Lernzielen orientierten Lernen vereinbar, wie im Lehrplan 21 postuliert wird? – Dieser Frage wollen dieser Einleitungsbeitrag und die nachfolgenden Kapitel im Buch nachgehen. Wir zeigen auf, dass zwischen freiem Spiel und direkter Instruktion ein Weg existiert, der Spielen und Lernen verbindet – mittels spielbasierter Lernumgebungen. Dazu klären wir zuerst die Stellung des frühen Lernens im deutschschweizerischen Lehrplan 21, dann die Frage nach spielbasierten Lernumgebungen und «Spielen» als begrifflichem Konstrukt, um uns schliesslich den didaktischen Folgerungen zuzuwenden.
2 Lehrplan 21 und die Anforderungen ans frühe Lernen
Mit der aktuellen Einführung des Lehrplans 21 in den deutschschweizerischen Kantonen der Schweiz wird der Kindergarten Teil der obligatorischen Schulpflicht und in einen Zyklus 1 – umfassend die ersten 4 Schuljahre – integriert.[3] Der Schuleintritt erfolgt demgemäss neu mit dem vierten Lebensjahr. Während die bisherigen (seit dem Jahr 2000) sukzessiv eingeführten Kindergartenlehrpläne sich stark an der individuellen Entwicklung der Kinder orientierten, beschrieben und beschreiben Schullehrpläne eher fachspezifische Lernziele. Die verschiedenen didaktischen Traditionen des Kindergartens und der Primarschule bewirken dadurch unterschiedliche Berufssprachen (Wannack 2006, S. 25), die eine förderliche Zusammenarbeit zugunsten der Kinder zumindest erschweren. In der Erarbeitung des Lehrplans 21 wurden diese unterschiedlichen Lernkulturen von Kindergarten und Primarschule erst spät thematisiert und strukturell nicht integriert. Die Kritiker am Lehrplan, welche eine drohende «Verschulung» des Kindergartens anmahnten, schienen recht zu bekommen (NLL 2015; Stamm 2016). Die vielen internationalen Befunde und Mahnungen verliehen dieser Befürchtung einen realen Hintergrund (Pyle et al. 2017, Singer et al. 2009, Siraj-Blatchford et al. 2002, Stamm 2016, Stipek et al. 1995, Wannack 2006, Weisberg et al. 2013). Auch in einer Studie, in der 20 Kindergärten im Kanton Zürich untersucht wurden, stellte sich heraus, dass die Kinder in einzelnen Kindergärten bis zur Hälfte der Zeit in geführten Sequenzen verbrachten (Edelmann et al. 2018).
In der ersten Phase der Lehrplanerarbeitung (2010−2012) sah es so aus, als ob das Konzept des systematischen und im Kern gleichschrittigen schulischen Lernens nun auch für den Kindergarten gelten sollte. Das im Zuge der PISA-Resultate geforderte frühere Einsetzen schulischen Lernens schien nun mit dem Lehrplan 21 Tatsache zu werden (Hauser 2016). Bald wurde aber klar, dass die unreflektierte «Verschulung» des Kindergartens weder wissenschaftlichen Befunden noch dem Bedürfnis der Kinder entspricht und letztlich politisch nicht durchsetzbar sein würde. In der Folge wurde in der zweiten Phase der Lehrplanformulierung und -erarbeitung (2012−2014) das Lernen von 4- bis 8-Jährigen in einem speziellen Kapitel − im Grundlagenkapitel - zum Lehrplan beschrieben. Grundgedanke dabei ist, dass spielerisches und systematisches Lernen СКАЧАТЬ