Der Ausschluss des Gattenwohls als Ehenichtigkeitsgrund. Benjamin Vogel
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СКАЧАТЬ daher um keine spezifisch eheliche Gemeinschaftsform handle. Da der Gesetzgeber die Ehe in c. 1055 § 1 als totius vitae consortium beschreibt und angesichts der beiden ehewesentlichen Hinordnungen die sexuelle Dimension miteinschließt, ist eine Verwechslung nicht zu befürchten.

      127„[F]inis rei creatae est semper extra essentiam rei. Nunc vero bonum coniugum non est res extra matrimonium, sed pertinet ad eius essentiam tanquam mutuum complementum […] principaliter in plano sexuali physico et psychico. Praesentari ergo nequit uti finis matrimonii. Esset finis operantis sed non operis.“ (Relatio complectens, 243 bzw. Communicationes 15 (1983), 220 (Übersetzung B. V.)).

      128„Est philosophice absurdum ad aliquod ens assignare plus quam unum finem essentialem et principalem.“ (Communicationes 15 (1983), 220 (Übersetzung B. V.)).

      129Vgl. ebd., 220. Zur Unterscheidung von finis operis bzw. finis operantis vgl. oben Kapitel 4.2.4 sowie Lüdicke: Ehezwecke, 42: „Der finis operantis ist die Zielsetzung, die jemand mit seinem Handeln verbindet, das, was er damit erreichen will. Der finis operis ist hingegen das, was den Akt selbst wesentlich bestimmt, was als Zweck zu seiner Definition gehört. Wird dieser Zweck abgesondert, ausgeschlossen, wird das Wesen selbst verletzt.“.

      130Vgl. Relatio complectens, 243 bzw. Communicationes 1 (1983), 221.

      131„Ordinatio enim matrimonii ad bonum coniugum est revera elementum essentiale foederis matrimonialis, minime vero finis subiectivus nupturientis.“ (Relatio complectens, 244 bzw. Communicationes 15 (1983), 221 (Übersetzung B. V.)). Da Palazzini für seine Kritik zwar mehrfach auf Thomas von Aquin verwies, die Stellen aber nicht miteinander in Bezug setzte oder eine „philosophische Standortbestimmung“ vornahm, fällt eine Auseinandersetzung schwer. So ist es fraglich, ob sich die Ehe nicht auch bereits innerhalb des mittelalterlichen Ordo-Denkens in mehr als einem Ordo und somit mit mehreren „Primär“-Zwecken denken lässt. Dass eine Auseinandersetzung mit den Argumenten innerhalb der Relatio ausblieb, kann darauf hindeuten, dass man sich des begrenzten Nutzens einer philosophischen Diskussion auf dieser Grundlage bewusst war. Zur Unzulänglichkeit einer scholastischen Antwort auf die heutige Frage nach dem „Warum“ der Ehe vgl. Kahler: Ausschluss, 302f.

      132Vgl. Relatio complectens, 244 bzw. Communicationes 15 (1983), 221.

      133„Nuptiae sunt coniunctio maris et feminae et consortium omnis vitae, divini et humani iuris communicatio.“ (Digesten lib. 23, 2, 1).

      134Vgl. Relatio complectens, 244 bzw. Communicationes 15 (1983), 222.

      135Vgl. Relatio complectens, 244f. bzw. Communicationes 15 (1983), 222.

      136Vgl. c. 1055 § 1 SchemaNov.

       3. DAS BONUM CONIUGUM IM CIC/1983

      Nach der Darstellung der Textgeschichte soll im Folgenden untersucht werden, wie der Begriff des bonum coniugum im geltenden Recht verwendet wird und wie er formal zu bestimmen ist.

      Der Begriff des bonum coniugum kommt im geltenden Recht ausschließlich in c. 1055 § 1 vor.137 Die Ehe wird hier als ein Bund beschrieben, durch den Mann und Frau eine Gemeinschaft gründen, die ihr ganzes zukünftiges Leben umfasst und betrifft. Dieses totius vitae consortium138 als Wirkung des ehelichen Bundes bleibt nicht unbestimmt, sondern wird durch die anschließende Partizipialkonstruktion mit indole spezifiziert. Es handelt sich um eine Gemeinschaft, die „durch ihre natürliche Eigenart“ zum einen auf das bonum coniugum, zum anderen auf die Zeugung und die Erziehung von Nachkommen hingeordnet ist.139 Das Partizip ordinatus ist von ordinare140 abgeleitet, das in seinen verschiedenen Konjugationsformen zusammen mit ad mehrfach im Gesetzestext vorkommt.141 Stets wird damit die Ordnung oder Ausrichtung auf ein bestimmtes Ziel hin ausgedrückt.142 Die Ehe ist demnach auf Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft sowie auf das bonum coniugum ausgerichtet.

      Der Begriff bonum hat ein breites Bedeutungsspektrum: Er kann erstens einen guten Zustand beschreiben oder ein moralisches, physisches und psychisches Gut, Glück sowie eine Tugend bezeichnen, zweitens einen Vorteil oder einen Nutzen und schließlich drittens ein materielles Gut im Sinne von Vermögen.143 Eine Hinordnung der Ehe auf materielles Vermögen hat keinen Rückhalt in der kirchlichen Ehelehre, daher scheidet diese Bedeutungsebene aus. Dass die Ehe auf einen Nutzen oder Vorteil der Eheleute ausgerichtet sein soll, lässt nach einem Bezugspunkt fragen: Einen Nutzen was oder wem gegenüber hätte die Ehe und in welcher Hinsicht sollte dieser bestehen? Auch diese Bedeutungsebene scheidet aus. Übrig bleibt die erstgenannte Bedeutung, die sich zudem als schlüssig und sinnvoll erweist: Es geht um einen guten Zustand, um ein Wohlbefinden bzw. Wohlergehen. Dieser Befund wird von den kodikarischen Parallelstellen für bonum bestärkt.144 Auch hier bezeichnet bonum, abgesehen vom vermögensrechtlichen Kontext, in den meisten Fällen das Wohl einer oder mehrerer Personen.145

      Die Personengruppe auf deren Wohl die Ehe hingeordnet ist, wird durch das Attribut coniugum angegeben: Es geht um das Paar aus Mann und Frau, die eine Ehe konstituieren wollen und fortan als Ehegatten leben. Das Wort coniux spielt auf die Verbindung der Partner untereinander an und bedeutet klassisch überwiegend „Gatte“ bzw. „Gattin“.146 Coniux/coniuges wird kodikarisch einheitlich in diesem Sinne verwendet.147 Eine nähere inhaltliche Bestimmung dieses Wohls oder Wohlergehens der Eheleute wird in c. 1055 § 1 nicht vorgenommen. Das bonum coniugum wird nicht auf einzelne Bereiche beschränkt, bspw. auf das physische oder das geistliche Wohl. Ausgehend vom Wortlaut der Norm ist das Wohlergehen der Partner in einem umfassenden Sinn gemeint. Eine weitergehende inhaltliche Bestimmung ist auf der Basis des Gesetzestextes nicht möglich; die Frage danach muss vorerst offen bleiben und ist auf der Grundlage des noch zu erhebenden Befundes aus Rechtspraxis und Doktrin weiter zu verfolgen.148

      Der Gesetzgeber normiert in c. 1055 § 1, dass die Ehe nicht allein auf das Wohl der Ehegatten hingeordnet ist, sondern auch auf die Zeugung und die Erziehung von Nachkommen. Beide Hinordnungen werden mit der kopulativen Konjunktion atque verbunden, die eine Gleichstellung ausdrückt.149 Von daher besteht nicht eine Rangfolge zwischen der Hinordnung auf das bonum coniugum bzw. der Hinordnung auf Elternschaft, sondern es handelt sich um zwei gleichrangige Dimensionen. Diese Gleichrangigkeit wird jedoch verschiedentlich bestritten, indem – zutreffend – darauf hingewiesen wird, dass im Codex unterschiedliche Regelungen hinsichtlich der beiden Hinordnungen getroffen werden: So können Partner, bei denen eine Zeugungsunfähigkeit vorliegt, eine gültige Ehe schließen, obwohl sie die Hinordnung auf Elternschaft physisch nicht verwirklichen werden können.150 Zulässig ist auch der Verzicht auf Kinder im Sinne der sog. Verantworteten Elternschaft.151 Vergleichbare Bestimmungen für das Gattenwohl bestehen hingegen nicht.152 Dass eine gültige Ehe mit der Unfähigkeit zur Verwirklichung des Gattenwohls oder mit einem vorehelich erklärten Verzicht auf seine Realisierung vereinbar sei, wird in der Doktrin nicht vorgetragen. Bruno Primetshofer zieht hieraus den Schluss, dem bonum coniugum komme „der Primat im System des kanonischen Eherechts zu.“153 Klaus Lüdicke folgert, zwar gehöre die Hinordnung auf das Gattenwohl konstitutiv zum Ehebegriff, nicht aber die Hinordnung auf Elternschaft.154 Während der erste Teil dieser Aussage in der Literatur nicht auf Widerspruch stößt, wird Lüdickes Auffassung zur Bedeutung der Elternschaft kritisiert.155 Der Gesetzgeber lege nämlich zwar keine unbedingte Pflicht zur Zeugung fest, dass er damit dem Gattenwohl einen höheren Rang vor der Elternschaft einräume oder die Elternschaft aus dem Wesensbereich СКАЧАТЬ