Der Ausschluss des Gattenwohls als Ehenichtigkeitsgrund. Benjamin Vogel
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СКАЧАТЬ nicht angeraten hielten.105 Eine ausdrückliche Übereinkunft über die strittigen Punkte wurde nicht erreicht. Das Ergebnis dieser ersten Beratungen war der Formulierungsvorschlag: „Matrimonium est intima totius vitae coniunctio inter virum et mulierem, quae indole sua naturali ad prolis procreationem et educationem ordinatur“.106 Zwei Konsultoren merkten dazu an, dass die Sekundärzwecke durch die Rede von der intima totius vitae coniunctio ausgedrückt seien107, der Sekretär lobte, dass mit dieser Formulierung die Nichtigkeit einer Ehe wegen Ausschlusses der Sekundärzwecke vermieden sei.108

      Das Resultat ist – betrachtet man sowohl dessen Zustandekommen als auch das Ergebnis selbst – mehrdeutig. Auffällig ist das oft bezuglos scheinende Nebeneinander von Aussagen und Konzepten in der Diskussion. Einzelne sprachen sich bspw. gegen eine Aufnahme des ius in corpus aus109, andere gingen darauf nicht weiter ein und schlugen später die Beibehaltung des altkodikarischen Konsensobjekts vor.110

      Die Beschreibung der Ehe als intima totius vitae coniunctio fand Eingang in das SchemaSacr. So lautet c. 243 § 1 des Schemas: „Matrimonium, quod fit mutuo consensu de quo in cann. 295 ss., est (intima) totius vitae coniunctio inter virum et mulierem, quae, indole sua naturali, ad prolis procreationem et educationem ordinatur.

      Auch anlässlich der Sichtung und Beratung der Antworten der Konsultationsorgane im Februar des Jahres 1977 hielt man an der Formulierung fest und entschied sich ausdrücklich dafür, die Begriffe intima111, totius112 und coniunctio113 beizubehalten.

      Allerdings wurde hinsichtlich der alleinigen Hinordnung auf Zeugung und Erziehung angefragt, ob hierin eine „indirekte Bekräftigung der Hierarchie hinsichtlich der Ehezwecke verborgen“ und es daher angezeigt sei, „auch andere Ehezwecke im Canon aufzuzählen“.114 Daraufhin antwortete ein Konsultor, dass der Coetus mit der Norm keine Zweckhierarchie ausdrücken wollte, die Ehezwecke jedoch in ihr enthalten seien,115 und schlug zur besseren Wiedergabe des Intendierten vor, die Norm um ein etiam zu ergänzen.116 Die Frage nach der Nennung anderer Ehezwecke wurde dahingehend positiv beantwortet, dass die Arbeitsgruppe die Aufnahme eines finis personalis matrimonii befürwortete und sich auf folgenden Formulierungsvorschlag einigte: „Matrimonium est viri et mulieris intima totius vitae coniunctio quae indole sua naturali ad bonum coniugum atque ad prolis procreationem et educationem ordinatur:“117

      An diesem Punkt der Revisionsarbeiten begegnet zum ersten Mal der Begriff des bonum coniugum.118 Zur Herkunft des Begriffs finden sich keine Angaben, es wird nur beschrieben, dass die Formulierung aus zwei Vorschlägen zusammengestellt wurde und allgemeine Zustimmung fand.119 Später stellte der Vorsitzende der Revisionskommission fest, dass diesem personalen Aspekt in Bezug auf den Ehekonsens auch rechtliche Relevanz zukomme.120 Nach weiteren Beratungen wurden die cc. 242 und 243 § 1 des Schemas zu c. 1008 Schema/1980 zusammengefasst. Die das Eherecht einleitende Norm lautete jetzt: „§ 1. Matrimoniale foedus, quo vir et mulier intimam inter se constituunt totius vitae communionem, indole sua naturali ad bonum coniugum atque ad prolis procreationem et educationem ordinatam, a Christo Domino ad sacramenti dignitatem inter baptizatos evectum est. § 2. Quare inter baptizatos nequit matrimonialis contractus validus consistere quin sit eo ipso sacramentum.121

      In der Relatio über die Änderungswünsche der Kommissionsmitglieder am Schema/1980 findet sich eine grundsätzliche Kritik an dieser Norm.122 Kardinal Pietro Palazzini lehnte das zu starke Abrücken von der theologischen und kanonistischen Tradition ab und verwies auf das Armenierdekret vom 22.11.1439123, wo die drei augustinischen bona aufgeführt werden, sowie auf Aussagen des Catechismus Romanus124 zum Wesen der Ehe. Auch in Gaudium et spes sei nicht konkret vom bonum coniugum, sondern allgemein von Gütern die Rede, mit denen die Ehe ausgestattet worden sei. Dabei habe man jedoch besonderen Wert auf Zeugung und Erziehung von Nachkommen gelegt.125 Im Einzelnen wandte sich der Relator erstens gegen die Beschreibung der Lebensgemeinschaft als totius, weil das u. a. den sog. Gewissensehen und den Mischehen widerspräche.126 Zweitens sprach er sich gegen die Erklärung aus, die Ehe sei auf das Gattenwohl hingeordnet, weil „der Zweck eines geschaffenen Dinges immer außerhalb dessen Wesens liegt. Nun aber ist das Gattenwohl kein Ding außerhalb der Ehe, sondern bezieht sich auf deren Wesen wie eine wechselseitige Ergänzung […] hauptsächlich auf physischer und psychischer Geschlechtsebene. Es kann nicht als ein Zweck der Ehe dargestellt werden. Es wäre ein finis operantis, aber kein [finis] operis.“127 Mit Verweis auf Thomas von Aquin hielt er es für „philosophisch absurd, einem Seienden mehr als einen wesentlichen und hauptsächlichen Zweck zuzuweisen“128, jedoch fines operantis könne es mehrere geben.129 Die Hinordnung auf das Gattenwohl sei demnach zu streichen. Gleichzeitig wurde von Kardinal Giuseppe Siri die Wiedereinführung der Zweckhierarchie aus c. 1013 CIC/1917 gefordert und von Erzbischof Luis E. Henríquez Jiménez kritisiert, dass der Terminus communio in § 1 unklar sei.130

      Auf diese Grundsatzkritik wurde geantwortet, dass wegen des Beschlusses der Congregatio Plenaria, eine Beschreibung der Ehe einzuführen, diese Beschreibung nicht gestrichen werden könnte. Gleiches würde für den adspectus personalis gelten. Die ordinatio ad bonum coniugum sollte im Canon erhalten bleiben, weil „[d]ie Hinordnung auf das Gattenwohl wirklich ein wesentliches Element des Ehebundes ist und keinesfalls ein subjektiver Zweck eines Nupturienten.“131 Zur Frage nach der Zweckhierarchie wurde darauf verwiesen, dass in GS 48 auf die Festlegung einer Rangfolge der Güter und Zwecke der Ehe verzichtet worden war.132 Das Attribut totius sei synonym zum in den Digesten verwendeten omnis133 und daher auch nicht zu streichen.134 Weil communio im Schema nicht einheitlich verwendet wurde, wurde der Begriff schließlich durch consortium ersetzt. Weiterhin wurde intima als nicht mehr länger passend betrachtet und getilgt.135 Der resultierende c. 1055 § 1 SchemaNov ist identisch mit der später als c. 1055 § 1 CIC/1983 promulgierten Fassung.136

      Die Textgeschichte von c. 1055 § 1 zeigt deutlich, dass der in Gaudium et spes etablierte personale Sinngehalt der Ehe nach der Intention der Redaktoren seinen kodikarischen Niederschlag im bonum coniugum finden sollte. Er steht damit für ein bestimmtes, nämlich ein personales Eheverständnis. Wie der Begriff näherhin formal zu bestimmen und inhaltlich zu füllen ist, wird dadurch aber noch nicht festgelegt, sondern bleibt offen für die Interpretation der Rechtsanwender.

      13Vgl. c. 1055 § 1: § 1. „Matrimoniale foedus, quo vir et mulier inter se totius vitae consortium constituunt, indole sua naturali ad bonum coniugum atque ad prolis generationem et educationem ordinatum, a Christo Domino ad sacramenti dignitatem inter baptizatos evectum est. – Der Ehebund, durch den Mann und Frau unter sich die Gemeinschaft des ganzen Lebens begründen, welche durch ihre natürliche Eigenart auf das Wohl der Ehegatten und auf die Zeugung und die Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet ist, wurde zwischen Getauften von Christus dem Herrn zur Würde eines Sakramentes erhoben.“

      14Bis zu einer genauen Begriffsbestimmung unter Berücksichtigung des kodikarischen Befundes unten in Kapitel 3 wird zunächst im Anschluss an Hans-Günter Gruber der kanonistisch nicht besetzte Ausdruck „Sinngehalt“ als Oberbegriff für Elternschaft und Paarbeziehung verwendet; vgl. Gruber: Ehe, 110–145.

      15Da es erst im Umfeld der Kodifizierung von 1917 zu theologischen und lehramtlichen Zuspitzungen kommt, wird hier ein entsprechend späterer Ausgangspunkt gewählt. Für die vorangehende Zeit sei auf die Übersicht von Enrica Montagna verwiesen; vgl. Montagna: Bonum, 400–429.

      16Vgl. Leo XIII.: Arcanum, 395: „Si consideretur quorsum matrimoniorum pertineat divina institutio, id erit evidentissimum, includere in illis voluisse Deum utilitatis et salutis publicae uberrimos fontes. Et sane, praeter quam quod propagationi generis humani prospiciunt, illuc quoque pertinent, СКАЧАТЬ