Название: Im Januar trug Natasha Rot
Автор: Manfred Eisner
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783960085959
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„Solche Rachegelüste hätte ich bei dir gar nicht vermutet!“, kontert Anne.
„Hast ja recht, aber allein bei dem Gedanken geht einem doch sozusagen das Messer in der Tasche auf, oder?“
„Mensch, Nili, denk doch nur auf die ominösen Kaffeefahrten, da geht es den ahnungslosen Rentnern auch mies, wenn sie zunächst mit dem Versprechen auf ‚den Hauptgewinn‘ geködert und dann mit dem Kauf von nutzlosem Tand geprellt werden. Ich hab hier gerade wieder so einen Fall. Aber diesmal kaufen wir uns die Typen. Wir haben nämlich einen plietschen Teilnehmer, der Anzeige erstattet hat und auch als Zeuge auftritt. Und taugliche Beweise haben wir ebenfalls, denn er hat das Ganze mit seiner versteckten Videokamera aufgezeichnet. Der Inhaber des Busunternehmens und der Herr Verkaufsleiter werden vor Gericht ganz schön schwitzen!“
Ohne an die Tür zu klopfen, stürmt Dezernatsleiter Hajo Friedrichs ins Büro. Beide Damen sehen überrascht auf, denn ein solcher Besuch ist eher selten. „Guten Tag, die Damen!“ Friedrichs erscheint etwas atemlos und gestresst.
„Guten Tag, Herr Kriminaloberrat.“
„Frau Masal, der Herr Oberstaatsanwalt Harmsen hat mich soeben angerufen und darum gebeten, Sie möchten zwecks einer Sonderaufgabe für einige Tage der Bezirkskriminalinspektion in der Blumenstraße beistehen. Ich bin naturgemäß von dieser Maßnahme keineswegs begeistert, denn Sie haben sich hier in den paar Tagen schon gut eingearbeitet und, wie ich sehen kann, ist der Aktenstapel erfreulicherweise etwas kleiner geworden. Ich würde es also sehr begrüßen, wenn Sie so rasch wie möglich wieder an diesen Schreibtisch zurückkehren könnten. Melden Sie sich bitte gleich morgen früh bei Herrn Kriminalrat Harald Sierck in der Blumenstraße. Schönen Tag noch!“
„Hat man die Familie Greve bereits informiert?“, fragt Nili die Besprechungsrunde mit den Kriminaloberkommissaren Steffi Hink und Sascha Breiholz im Amtszimmer von Kriminalrat Harald Sierck.
„Bisher nicht, Frau Masal. Wir erhielten ja erst gestern am späten Nachmittag die letzte Bestätigung über die Identität des Toten, übrigens anhand der von Ihnen übergebenen Haarbürste. Nochmals besten Dank dafür!“
„Der arme Thomas.“ Nili seufzt. „Irgendein Hinweis auf den Tatort oder das Motiv?“
„Negativ. Fällt dir etwas dazu ein?“, fragt Sascha.
Nili sinniert. „Nun ja, es steht fest, dass er bei der Silvesterfeier in der Halle 400 anwesend war. Das beweist der Ticketabriss. Irgendjemand verabreichte ihm dort die K. O.-Tropfen und er muss danach irgendwie aus der Halle verschleppt worden sein. Da gemäß Obduktionsbericht der Leichnam keinerlei Spuren von Misshandlung aufweist“, sie deutet auf die Akte auf dem Besprechungstisch, die man ihr anfänglich zur Durchsicht gegeben hatte, „muss man Thomas unmittelbar zur Tötungsstelle geführt haben. Wir müssten versuchen, Zeugen der Veranstaltung zu finden, um sie zu befragen. Irgendjemand muss ihn ja dort beim Essen, Tanzen oder beim Verlassen des Lokals gesehen haben. Der Tatort kann – schon aus Zeitgründen – nicht allzu weit vom Leichenfundort entfernt gewesen sein.“
„Da bringst du mich gerade auf eine Idee“, sagt Steffi und öffnet ihren Laptop. „Ich habe mir die Fotos der Silvesterfete, die ich von Anja Sieberth erhalten habe, noch nicht genauer angesehen. Ach so, Chef, dabei erinnere ich mich an ein Versprechen, das ich Anja als Gegenleistung für die Fotos geben musste.“
„Und das wäre?“, fragt Sierck. „Nun ja, dass sie von mir als Erste irgendwelche Neuigkeiten über den Fall erfährt.“
„Zeigen Sie uns erst einmal die Bilder, dann werden wir ja sehen!“
Eine nach der anderen erscheinen die Aufnahmen, die der Fotograf Andreas Maler auf der Silvesterfeier geschossen hat, auf dem Bildschirm. „Halt! Noch mal zurück, das letzte Foto!“, ruft Nili. „Der dort, an der Bar, der sich gerade umdreht. Das ist Thomas!“
„Bist du sicher?“, fragt Sascha.
„Hundertpro!“
„Mach das Bild mal größer!“
„Sieh mal einer an, das könnte vielleicht der Ort sein, an dem man ihm das Zeug ins Glas geschüttet hat!“ Der Kriminalrat kommt auf Touren. „Gleich am Montag in Erfahrung bringen, wer der Barmann da auf dem Foto ist und ob dieser was bemerkt haben könnte! Vielleicht führt uns das irgendwie zum Tatort.“
„Aber immer noch nicht zum Motiv, oder?“, bremst Sascha die Begeisterung seines Chefs.
„Auch da könnten wir jetzt vielleicht etwas weiterkommen“, meint Nili, „da wir ziemlich bestimmt davon ausgehen können, dass der oder die Täter es zweifelsohne und ganz gezielt auf Thomas Greve abgesehen haben. War es Rache? Hat Thomas etwas gewusst oder entdeckt? Vielleicht sogar versucht, jemanden mit diesem Wissen zu erpressen? Immerhin arbeitete er in einer Steuerberaterkanzlei, da könnte er ja an sensible Informationen gelangt sein!“
„Siehe da, kaum eine Woche lang im Wirtschaftsdezernat, und schon hat unsere Nili frisches Blut geleckt!“, witzelt Sascha.
„Lassen Sie’s mal gut sein, Breiholz! Frau Masal liegt mit ihrer Vermutung vielleicht gar nicht so weit weg von der ‚causam mortis‘. Greves Hinrichtung erweckt jedenfalls den Anschein einer gezielten Tat. Man wollte ihn und sein Wissen – darauf deutet auch der Einbruch in seiner Wohnung – offensichtlich aus der Welt schaffen. Und das erhebt die Frage: Was war es genau? Buchstäblich darauf müssen wir uns in den nächsten Tagen intensiv konzentrieren, Leute!“
„Da Sie gerade die Wohnung erwähnen, Herr Kriminalrat, ich würde mich dort gern noch einmal umsehen.“
„Was willst du denn da noch finden, Nili? Die KTU hat doch alles genauestens unter die Lupe genommen und bis auf das Verschwinden der Festplatte wurde nichts Brauchbares entdeckt“, bemerkt Steffi skeptisch.
Diesmal interveniert Sascha: „Die Haarbürste haben die allerdings übersehen!“
„Ist ja gut, Leute!“, räsoniert der Kriminalrat. „Tun Sie einfach, was Sie für richtig halten. Aber bevor Sie Feierabend machen, Frau Masal, noch eine Frage: Fahren Sie zufälligerweise an diesem Wochenende zu Ihrer Familie nach Hause?“
„Ja, warum?“
„Ich frage deshalb, weil Sie dann freundlicherweise in Sankt Margarethen bei den Greves vorbeifahren könnten, um sie möglichst schonend zu informieren. Ich fände es schrecklich, wenn die nächsten Angehörigen so etwas zuerst aus der Presse erfahren würden.“
„Ja ich übernehme das, wenn es auch für mich keine leichte Aufgabe sein wird. Wann erfahren es die Medien?“
„Auf der Pressekonferenz, und zwar am Montag um zehn Uhr.“
„Darf ich dann Frau Sieberth vom Tageblatt informieren?“, drängt Steffi. „Anja hat es sich doch verdient, oder?“
„Nun gut“, meint Sierck СКАЧАТЬ