Im Januar trug Natasha Rot. Manfred Eisner
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Название: Im Januar trug Natasha Rot

Автор: Manfred Eisner

Издательство: Автор

Жанр: Триллеры

Серия:

isbn: 9783960085959

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СКАЧАТЬ Verschleierungsversuche gelungen. Und kein Wörtchen über die Bar in der Halle 400. Und noch etwas: Diese Nachricht darf frühestens in der Morgenausgabe des Tageblatts am Montag erscheinen!“

       Da hatte mir der Herr Kriminalrat eine wirklich unliebsame Mission auferlegt, die mir während der gesamten Fahrtzeit nach Sankt Margarethen gedanklich bevorstand. Um wenigstens für mich das Drama der Greves ein wenig erträglicher zu gestalten, rief ich vor meiner Abfahrt aus Kiel Tochter Swantje in ihrer Praxis an, um sie vorzuwarnen und sie zu bitten, mir bei der bevorstehenden, so schwierigen Aufgabe beizustehen. In ihrem Wagen wartete sie an der Einfahrt des Dorfes auf mich. Ich fuhr ihr hinterher bis zum netten Einfamilienhaus am Osterbüngeweg. Es folgte eine herzzerreißende Szene, die sich da abspielte, als ich den Eltern von Thomas’ Tod berichten musste. Die Mutter erlitt einen Nervenzusammenbruch und man rief den Arzt, Dr. Günther Vollmert, der glücklicherweise um die Ecke wohnt und ihr eine Beruhigungsspritze gab. Ich versuchte meine Gefühle so gut es ging zu beherrschen. In all meinen Jahren als Polizistin konnte ich immer noch nicht jenes tiefe Mitleid von mir fernhalten, das ich stets gegenüber den von solchen Schicksalsschlägen betroffenen Hinterbliebenen empfinde. Wie leichtfüßig raten mir dazu Psychologen und seelische Betreuer, ich solle doch die gebotene Distanz zu den Opfern wahren und mich mit deren Schmerz nicht allzu sehr identifizieren. Tut mir leid, ich schaffe es immer noch nicht ganz, so sehr ich mich auch darum bemühe!

       Es war schon dunkel und es regnete heftig. Ich fuhr sehr langsam mit Tränen in den Augen auf der B 5 nach Hause und wäre dadurch beinahe auf den unbeleuchteten Anhänger des Riesentreckers von Bauer Bohne aufgefahren, der da mit einer Reifenpanne halbwegs am Straßenrand abgestellt worden war. Ich hielt an und sah mich um. Solch ein Leichtsinn, nicht einmal ein Warndreieck! Ich ging zurück zu meinem Cross Polo, stellte die Blinklichter an und rief bei meinen ehemaligen Kollegen in der Polizeistation in Oldenmoor an. Etwa zehn Minuten später kam schon der Streifenwagen angefahren mit Polizeiobermeister Willi Seifert am Steuer. Große Wiedersehensfreude nach längerer Zeit. Dann fuhr ich weiter und kam endlich bei meiner lieben Omi Clarissa und Mutter Lissy in unserem trauten und gemütlichen Onkel Suhls Haus an. „Da bist du ja, Nili!“, rief meine Abuelita erfreut – wie immer auf Spanisch – und gab mir einen sanften Kuss auf die Stirn.2

       Ima kam gerade aus der Küche und erfreute mich mit der Ankündigung, dass es heute zum Abendessen einen Chairo gibt. Schlachtermeister Reimers hätte ihr extra dafür schon gegen Mittag frisch geschlachtetes Lamm- und Rindfleisch auf den Eulenhof geliefert. Ich freute mich sehr darauf, denn obwohl es für diese typisch bolivianisch indigene und sehr dicke Suppe naturgemäß hier in Deutschland an einigen wichtigen Zutaten mangelt, haben die beiden Küchenfeen es durch geschickte Ersatztaktik geschafft, dem Original ziemlich nahe zu kommen. Jedenfalls ist der kräftige und reichhaltige Eintopf gerade das Richtige für einen dunklen norddeutschen Wintertag wie heute. Sogleich meldete ich, dass wir mit dem Essen nicht auf Waldi warten sollten, denn dieser hatte mir noch kurz vor meiner Abfahrt per SMS mitgeteilt, dass er erst morgen zum Frühstück hier erscheinen werde. Schade, ich hatte mich schon so sehr auf das Einschlafen in seinen Armen gefreut! Aber morgen ist ja auch noch ein Tag. Furchtbar erschüttert waren Abuelita und Ima, als ich ihnen beim Abendessen von Thomas Greves Ermordung berichten musste. Übrigens, Imas Chairo schmeckte exzellent und war auch ganz schön scharf! Und nun gute Nacht, liebes Tagebuch!

      Die DFDS-Fähre Victoria Seaways aus Klaipéda in Litauen legt pünktlich um zweiundzwanzig Uhr am Ostuferhafen in Kiel an. Einige der sechshundert Passagiere gehen zu Fuß von Bord, die anderen steigen in ihre Autos und rollen hintereinander über die ausgefahrene Heckrampe vom Fährschiff. Auch zahlreiche Lkws verlassen einer nach dem anderen das Lastwagendeck. Der in der Ukraine gebürtige Alexej Melnik lenkt den noch taufrischen, erst vor einem halben Jahr mit Kieler Kennzeichen zugelassenen DAF XF Sattelschlepper vorsichtig über die Rampe hinüber auf das Festland. Er befürchtet mögliche Unbequemlichkeiten, als er die beiden mit knallgelben Sicherheitswesten ausgerüsteten Zöllner etwa fünfhundert Meter weiter vorn erspäht, die mit ihren Stopp-Kellen in Händen die an ihnen vorbeifahrenden Lastzüge mit Argusaugen begutachten. Er hat das Glück, dass der unmittelbar vor ihm fahrende russische Lkw von den beiden Beamten angehalten und auf eine Nebenspur umdirigiert wird. Nur einen kurzen Blick wirft einer der Zöllner auf das Kennzeichen seines Vierzigtonners und der Beamte winkt ihm zu, er dürfe weiterfahren. Den Kollegen hinter ihm trifft allerdings weniger Wohlergehen, denn auch er wird zur Kontrolle an die Seite gewinkt.

      Nachdem er das Hafengelände verlassen hat, greift Alexej zu einem Handtuch hinter dem Fahrersitz und wischt sich damit den Schweiß von Stirn und Hals. „Satana, Teufel noch mal, das hätte schiefgehen können!“ Zum vierten Mal fährt er schon auf dieser Route, vollgeladen mit Industriepaletten „made in Lituania“. Bei jeder seiner drei vormaligen Fuhren – da hatte er allerdings nur diese Paletten geladen – wurde er von den Zöllnern angehalten und überprüft. Entlang der Fördestraße fährt er mit äußerster Vorsicht auf der Route, die ihm das GPS vorgibt, in Richtung Schilksee. Jetzt nur nicht irgendwie auffallen!

      Dann hat Alexej endlich sein Ziel erreicht, fährt auf die Grundstückauffahrt und über den Vorhof auf das geräumige Lagerhaus im Hintergrund zu. Lautlos öffnet sich das Tor vor ihm und schließt sich ebenso geräuschlos, nachdem es der Lastzug passiert hat.

      „Pryvit, Alexej!“, wird er freudig von seinem Landsmann begrüßt, als er aus der Kabine steigt. „Alles gut?“

      „Vse, khoroshe, Wlado! Hatte dieses Mal verdammtes Glück beim Zoll, konnte sogar ohne Kontrolle durchfahren.“

      „Wie viele sind’s heute?“

      „Vier.“

      „Da wollen wir doch mal sehen. Sind sie in der Mitte?“

      Alexej nickt, geht auf die Seite des Anhängers und löst dort die Spanngurte der Plane.

      Wlado fährt mit einem Elektro-Gabelstapler heran und beginnt, die Stapel mit Industriepaletten zu entladen. Dann kommt ein zwischen den Paletten geschickt getarntes Gehäuse zum Vorschein, das äußerlich fast nicht von den anderen Paletten zu unterscheiden ist. Alexej und Wlado setzen Balaklavas auf. Nur ihre Augen sind noch hinter den Sturmmasken sichtbar. Wlado hebt sehr vorsichtig das Gehäuse von der Ladefläche und deponiert es auf dem Boden. Dann erlöschen die Hallenlichter und Alexej schiebt den Verschlussriegel beiseite und leuchtet mit seiner Taschenlampe in das Verlies. „Khoroshe, meine Damen, bitte aussteigen!“

      Nachdem die vier Teenies eine nach der anderen mühsam aus ihrem Käfig herausgestolpert sind, müssen sie sich erst einmal wieder an die aufrechte Gangart gewöhnen, denn sie haben die letzten beiden Tage im Liegen oder im Sitzen verbracht. „Also jetzt los, Abmarsch ins Bad zum Duschen und auf die Toilette. Dort findet ihr auch frische Wäsche zum Umkleiden.“

      Während die Mädchen sich waschen und umziehen, lädt Wlado die Paletten zurück auf die Ladefläche. Dann fährt er den Käfig in eine Ecke des Lagerraums und holt von dort weitere Paletten, um die in der Ladung entstandene Lücke zu schließen.

      Ein Motorengeräusch nähert sich der Einfahrt, Wlado blickt auf den Monitor. „Ach, da ist sie schon!“ Er drückt auf einen Knopf, das Tor öffnet sich und schließt sich automatisch, nachdem der schwarze Kastenwagen in die Halle gefahren ist. Eine schlanke weibliche Figur steigt aus. Sie ist in einen Monteuranzug gekleidet und hat ihren Kopf ebenfalls mit einer Sturmhaube vermummt. Wlado hebt grüßend den Arm und zeigt dann in Richtung des Badezimmers. Zu Alexej gewandt sagt er: „Dobre, Alexej. Du fährst jetzt weiter nach Gütersloh zum Abladen. Der Chef ruft dort morgen an und sagt dir, wie es weitergeht. Gute Fahrt! Do powachennya!“

      „Auf Wiedersehen“, grüßt Alexej aus dem heruntergelassenen Seitenfenster seines DAF zurück. Dann manövriert er СКАЧАТЬ