Название: Reiten wir!
Автор: Tommy Krappweis
Издательство: Автор
Жанр: Языкознание
isbn: 9783944180885
isbn:
Mir fielen die Augen zu.
Man fand mich am nächsten Morgen am Boden eines Schachtes in der Nähe der Alten Helle. Ich war wohl auf dem Herbstlaub ausgerutscht und in den Schacht gefallen. Bei dem Sturz hatte ich mir den Kopf angeschlagen und war bewusstlos geworden. Die Feuchtigkeit und die Kälte hatten mir zugesetzt, sodass ich hohes Fieber hatte.
Ich schlief sieben Tage und Nächte im elterlichen Haus. Als ich erwachte, war meine Entscheidung klar. Ich blieb noch zwei Jahre in Moritzburg, um genug Geld zu verdienen, damit ich meinen nächsten Schritt bezahlen konnte. Dann wanderte ich nach Amerika aus.
Mein weiterer Weg ist bekannt, denn mein Freund Karl May hat sich entschlossen, zum Chronist meines Lebens zu werden. Doch diese Geschichte habe ich ihm nie erzählt. Denn der große May sollte nie erfahren, dass es alte, zutiefst eigenartige Mächte waren, die mein Schicksal gelenkt hatten. Ich war nie einer jener Edelmenschen, die er immer suchte – aber ich war immer ein Mensch geblieben.
Jetzt bin ich fertig mit meinem Leben. Es war prall gefüllt, so wie ein Leben nur sein kann. Manchmal habe ich daran gedacht, wie das wäre, mit Frau und Kind ein bürgerliches Leben zu führen oder einen großen Wald mein Eigen zu nennen, der tatsächlich mir und nur mir allein gehört. Doch ich habe diese Villa hier und meine Freunde und meine Erinnerungen.
Und jedes Mal, wenn ein Kind kommt und mich fragt, ob ich wirklich der Hobble-Frank bin und ob all die Geschichten wahr sind, die über mich erzählt worden sind – dann weiß ich, dass ich richtig gewählt habe.
FLIEGEN WIR!
FALKO LÖFFLER
Ellen machte die Hitze Nevadas nichts aus, sie mochte sie sogar. Doch sie trug auch ein leichtes Stoffgewand, das den gelegentlichen Windstoß, selbst wenn es warme Luft war, unter die Kleidung ließ und ihre Haut erfrischte.
Ihre beiden Begleiter allerdings waren angezogen, als erwarteten sie augenblicklich einen Wirbelsturm oder gar einen Blizzard. Unter ihren Gewändern musste es glühend heiß sein, doch es schien ihnen nicht das Geringste auszumachen.
»Aber natürlich könnte hier ein Wald wachsen! Diese Wüstenei muss doch nicht ewig so bleiben. Schau dir den Boden an. Mit ein wenig Mühe lässt er sich urbar machen.« Hobble-Frank ritt auf einem schwarzen Pferd, das er Mister Black nannte, voran und machte ausschweifende Handbewegungen. Dabei klimperten die Messingknöpfe an seinem Frack. Der Rest seiner Kleidung war ein indianisches Sammelsurium, von dem breitkrempigen Hut abgesehen, der mit Straußenfedern geschmückt war. Vielleicht lag es an diesem Hut, der so viel Schatten spendete, dass Hobble-Frank nicht einmal der Schweiß auf der Stirn stand.
Tante Doll, eigentlich Sebastian Melchior Pampel, reagierte auf die Behauptung seines Kameraden zunächst nur mit einem Grummeln. Er ritt hinter Hobble-Frank auf einem müden, braunen Klepper, der wohl lieber weiter die Feldarbeit in der Nähe von Reno verrichtet hätte, statt seinen Passagier durch die Ödnis von Nevada transportieren zu müssen. »Frank, ich weiß nicht, wann es passiert ist, aber dir muss ein verdammt großer Ast auf den Kopf gefallen sein, wenn du denkst, du könntest diesen trockenen Flecken Erde begrünen. Das wird in tausend Jahren nicht geschehen.« Tante Droll wurde so genannt, weil er ein sackartiges Gewand trug, das seine sowieso rundliche Form fast weiblich erscheinen ließ. Seine hohe Stimme und die Haare, die meist zu einem Dutt zusammengebunden waren, taten ihre Übriges dazu.
Die Beiden waren Vettern, doch so sehr Ellen sich in den vergangenen Tagen bemüht hatte, körperliche Ähnlichkeiten auszumachen, so wenig war es ihr gelungen. Sicher, sie waren beide Deutsche und von Natur aus eher blass, doch weder die Augenfarbe, noch die Nase, ja nicht einmal ihre Ohren hatten den Anschein von Ähnlichkeit. Von ihrem Körperbau ganz zu schweigen.
»Ich sage ja nicht, dass es leicht wäre; im Gegenteil, es wäre eine Mammutaufgabe, doch du solltest inzwischen gemerkt haben, dass unsere amerikanischen Freunde nicht vor großen Aufgaben zurückschrecken.«
Ellen zog leicht an den Zügeln, um ihren Schimmel langsamer ausschreiten zu lassen. Die Hitze mochte ihr nichts ausmachen, das endlose Geschwätz der beiden schon. Es vergingen keine fünf Minuten, in denen sie sich nicht beharkten, meist wegen irrelevanter Kleinigkeiten. Vorhin waren sie an einer Art Busch vorbeigeritten, die sie nicht eindeutig zuordnen konnten, und wenn Ellen nicht eingeschritten wäre, hätte es gut in einer Prügelei enden können. Hobble-Frank hatte wutschnaubend einen Zweig abgerissen und verkündet, diesen seinem guten Freund Professor Hansen von der botanischen Abteilung der Universität Leipzig zu schicken, um sich seine Vermutung bestätigen zu lassen.
Die beiden diskutierten Bewässerungsmethoden derart intensiv, dass sie gar nicht bemerkten, wie Ellen sich zurückfallen ließ.
Sie war mit ihrem Vater gereist, Old Firehand. Der hatte sich mit dem Sheriff von Reno getroffen, und das seltsame Paar, das sein Vater schon länger kannte, hatte dort auch vorgesprochen. Der Sheriff von Reno, ein mürrischer, ja unwirscher Kerl, suchte Leute, die einen Banditen dingfest machten – oder kurzerhand töteten – der in der Nähe der Stadt sein Unwesen trieb.
Als Ellen erfuhr, dass es um Bill Budge ging, musste sie aufhorchen.
Budge heuerte immer wieder neue Söldner an und pflegte den Ruf, besonders grausam und ruchlos zu sein. Die Bande war in allen Ecken des Westens bekannt, und viele Legenden rankten sich um ihre Taten und ihre Blutrünstigkeit.
Doch forschte man genauer, stellte man fest, dass es keine Beweise für die Grausamkeiten gab, die man ihnen nachsagte. Sicher, es waren Banditen, und sie begingen Verbrechen, aber Ellen hatte sie schon aus nächster Nähe erlebt, auch wenn sie damals nicht gewusst hatte, um wen es sich gehandelte.
Sie war in Arizona gewesen, zu Gast beim Stamm der Hualapei, die Ärger mit Siedlern hatten. Eines Abends war eine dreiköpfige Gruppe bei den Indianern aufgetaucht. Weiße; alle in guter Kleidung, gar nicht wie Westmänner wirkend, nur auf der Durchreise. Der Stamm hatte ihnen zunächst misstraut, aber sie dann nächtigen lassen, und ihnen von den Problemen mit den Siedlern berichtet. Das hatten die drei nur schulterzuckend hingenommen, denn das ginge sie ja nichts an.
Im Laufe des Abends hatte Budge Ellen schöne Augen gemacht und sie ausgefragt, woher sie komme. Als sie von ihrem Vater erzählt hatte, hatten Budges Augen gefunkelt, doch er schien nicht erzählen zu wollen, woher er Old Firehand kannte. Nachts hatte sie ein Messer neben ihrem Bett griffbereit gehalten, für den Fall, dass Budge dem Irrglauben verfiel, sie wünsche seine Nähe.
Doch als sie am nächsten Morgen erwachte, waren Budge und seine beiden Kumpanen verschwunden.
Nicht nur das, auch die Siedler waren keine Gefahr mehr. Viele ihrer Pferde waren weg, die Wagen sabotiert und ein Großteil ihrer Kleider hatte sich in Luft aufgelöst, weshalb viele der Siedler in Nachtgewändern herumirrten. Mit dem letzten Rest ihrer Habseligkeiten zogen sie von dannen, СКАЧАТЬ