Название: Traumzeit für Millionäre
Автор: Roman Sandgruber
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783990401842
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HANDEL MACHT REICH
Nirgendwo machte man sein Vermögen so rasch wie im Handel. Riesige Vermögen wurden innerhalb kurzer Zeit aufgehäuft. 150 der 929 Millionäre oder 16,1 Prozent waren dem Bereich Handel und Verkehr zuzuordnen. Ihr Durchschnittseinkommen lag leicht über dem der Industriellen und der Rentiers, aber deutlich unter dem der Bankiers und der Großgrundbesitzer. Aber ihr Vermögen war sehr häufig sehr rasch errungen, oft innerhalb weniger Jahre. Die Liste der großen Vermögen, die in der österreichischen Geschichte durch Handel geschaffen wurden, ist lang: von den Großhändlern des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts Fries und Sina über die Getreide- und Wollhändler Ephrussi und Figdor und die Kohlenhändler Gutmann und Berl bis zu den Lebensmitteldetaillisten Meinl und Mayer und den Warenhauskönigen Herzmansky, Gerngroß, Esders oder Rothberger oder nach dem Ersten Weltkrieg dem Inflationsgewinnler Siegmund Bosel, der in seiner Handelsgesellschaft „Omnia“ mit buchstäblich allem handelte und in den wenigen Jahren der Kriegs- und Inflationswirtschaft bis 1924 den Aufstieg vom völlig mittellosen Schusterlehrling zum angeblich kurzfristig reichsten Mann Österreichs machen konnte.
Millionäre im Handel 1910
Kohlenhandel | 17 | 17 | 100,0 | 18,034.601 | 1,060.859 | 6,9 |
Holzhandel | 16 | 15 | 93,8 | 3,074.480 | 192.155 | 1,2 |
Eisen/Metallhandel | 12 | 7 | 58,3 | 1,976.710 | 162.226 | 0,7 |
Agrar/Lebesmittel | 17 | 12 | 70,6 | 3,001.863 | 176.580 | 1,1 |
Textil/Warenhäuser | 29 | 25 | 86,2 | 5,960.325 | 205.528 | 2,3 |
Handel, sonstiger | 59 | 39 | 66,1 | 11,239.603 | 190.502 | 4,3 |
Handel insgesamt | 150 | 115 | 76,7 | 43,257.582 | 288.384 | 16,4 |
Eigene Auszählung
Zwischen Bankhäusern und Handelshäusern ist schwer eine Grenze zu ziehen. Zahlreiche der berühmten Privatbankiers hatten ihr Vermögen im Handel gemacht. Auch die Grenze zwischen Handel und Industrie ist fließend. Handelshäuser gliederten sich Produktionsbetriebe an. Umgekehrt versuchten Produzenten sich mit eigenen Vertriebsstrukturen aus beengenden Umklammerungen zu lösen. Nirgendwo war auch die Spanne zwischen ganz reich und ganz arm so groß wie im Handel. Ganz unten waren die zahllosen Hausierer, Tandler, Greißler, ganz oben die Holz- und Kohlenhändler, die Getreidehändler, die Eisen- und Metallhändler und die Besitzer der großen Warenhäuser.98
Die Holz- und Kohlenhändler
„Hast du je einen armen Holzhändler gesehen?“, fragt Josephine in Johann Nepomuk Nestroys spätem Lustspiel Frühere Verhältnisse. Nestroys Holzhändler von Scheitermann ist der Vertreter eines Berufszweiges, dem bis weit ins 20. Jahrhundert hinein zentrale Bedeutung zukam. Im Holz- und Kohlenhandel waren die Einkommensmöglichkeiten am spektakulärsten. Es waren riesige Summen, die umgesetzt wurden. Die Holzversorgung einer Stadt von der Größe Wiens war ein gewaltiges logistisches Problem. Um das Brenn- und Nutzholz von den naturgemäß dezentralen und abgelegenen Standorten in den Wäldern zu den stark zentralisierten Verbrauchsorten zu bringen, waren ein enormer technischer Aufwand und ein entsprechend hoher Kapitaleinsatz erforderlich: einerseits für die Errichtung und Erhaltung der Transportwege, der Riesen, Triften, Klausen, Schwemmkanäle und Flößereianlagen, andererseits zur Finanzierung der langen Umschlagzeiten. Da konnten sich leicht oligopolistische und monopolistische Strukturen etablieren.99
Die Holzhändler waren die Kolonialherren des Habsburgerreiches. Ihre Forste und Einflussgebiete zogen sich von den Wäldern Bosniens über Transsylvanien bis in die Bukowina hin, auf die Höhen der Karpaten oder des Tatragebirges. Drach, Engel v. Janosi, Groedel, Munk, Ortlieb, Eissler waren bekannte Namen. Die aus Bisenz (Bzenec) in Mähren stammende Familie Eissler betrieb den Holzhandel in drei verschiedenen Firmen: J. Eissler & Brüder, Josias Eissler & Söhne und die Bosnische Forstindustrie Eissler & Ortlieb. Von den mehreren hunderttausend Hektaren wurden jährlich mehrere tausend geschlagen. Auf Privatbahnen mit mehr als hundertfünfzig Kilometern Schienennetz und mit an die zwanzig Lokomotiven wurde das Holz gefördert. Arbeiter rodeten, fällten, schlichteten, verluden. In Kroatien besaßen die Eissler ein Gut, in Österreich hatten „J. Eißler und Brüder“ und ihre Gründung, die Holzbank, das Land ihren Einfluss spüren lassen, in Ungarn herrschte die Firma nach dem Zerfall der Monarchie als „Eissler es testvere“, als „Eissler i fratti“ in Rumänien und „J. Eissler bratri“ in der Tschechoslowakei. Heimito von Doderer hat dem Handelshaus und seiner „Holzbank“ in den Dämonen ein literarisches Denkmal gesetzt, Franz Theodor Csokor mit dem Schuss ins Geschäft die Tragödie der Ermordung des Firmenchefs durch seinen Cousin beschrieben.100
Mit dem Ende der Brennholzwirtschaft hatte der Holzhandel seine Struktur grundsätzlich umorientieren müssen. Nutzholz wurde zu einem Exportprodukt, das in großen Dampfsägewerken geschnitten und verarbeitungsbereit gemacht wurde. Die Holzhändler legten sich Parquettenfabriken und Fournierwerke zu. Die Papier- und Zellulosefabriken stiegen als neue Großverbraucher ein. Auch wenn diese bestrebt waren, sich eine eigene Versorgungsbasis aufzubauen, waren sie doch auf den Handel als Vermittler angewiesen.
Rangierte unter den reichsten Berlinern und Wienern zugleich: das Ehrengrab für den Kohlenhändler und Philanthropen Eduard Arnhold in Berlin-Wannsee.
Neben die Holzhändler traten die Kohlenhändler. Das Durchschnittseinkommen der 17 reichsten Kohlenhändler war mit über einer Million Kronen unter allen Branchen am höchsten. Der Aufstieg des Kohlenhandels begann in den 1850er Jahren mit der Fertigstellung der ersten Bahnverbindungen. 1831 waren in Wien nur 3.000 t Mineralkohle verbraucht worden, 1850 schon etwa 50.000 t und 1890 bereits 727.000 t. Der Wiener Kohlenverbrauch hatte sich nach 1850 in jedem Jahrzehnt etwa verdoppelt.101 Die großen Kohlenhändler zementierten СКАЧАТЬ