Название: Der Kessel der Götter
Автор: Jan Fries
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783944180328
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Moderne Wissenschaftler haben diese Theorien längst dem Orkus anvertraut – die Öffentlichkeit aber nicht. Bis zum heutigen Tag glaubt man, die Kelten hätten eine romantische Kultur voller Magie gehabt, während die Germanen und die Angelsachsen oft als nüchtern und ernst dargestellt werden. Und das trotz aller Gegenbeweise. Natürlich kennen wir viele keltische Mythen, aber Rituale haben kaum überlebt. Die Zaubersprüche und Rituale der Angelsachsen sind viel besser dokumentiert, von denen der Nordgermanen ganz zu schweigen.
Und da wir gerade dabei sind, ist Dir aufgefallen, dass die Art, wie vor hundert Jahren der Unterschied zwischen den sogenannten Kelten und Germanen definiert wurde, ziemlich große Ähnlichkeit mit dem Gewäsch hat, das Leute von sich geben, wenn man sie bittet, die Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Denken zu definieren? Oder mit dem abergläubischen Blödsinn, der in den 70´er Jahren über die Hirnhälften verzapft wurde?
Götter des Landes
Fahren wir fort mit den Gottheiten der späten La Tène-Zeit. Wie Du Dich vielleicht erinnerst, wurden viele Göttinnen mit Wasser assoziiert und in Gestalt von Quellen, Seen und Flüssen verehrt. Andere Göttinnen waren für das Land zuständig. Die Göttin Abnoba wurde mit einer Bergkette gleichen Namens in Verbindung gebracht, sie stimmt mit dem Schwarzwald überein.
Spekulative Kosmologie. Eine Viereckschanze träumen.
Die Göttin Arduinna war für die Ardennen zwischen Maas und Rhein zuständig. Eine ähnliche Beziehung existiert zwischen der Göttin Boand und dem Fluss Boyne, dem Gott Condatis und der Stadt Condate, der Göttin Eriu und Irland und so weiter. Viele Götter sind bekannt, die für die Landschaft vor Ort standen. Diese Gottheiten waren für die Anwohner sehr wichtig – die Stämme dagegen, die ein paar hundert Meilen weiter weg lebten, kannten sie kaum und machten sich auch nichts aus ihnen. Das mag zu Problemen geführt haben, wenn die Stämme wanderten, was bereits in der Hallstattzeit passiert war (es gibt einige Hinweise auf Siedler vom Hallstatt-Typ in Britannien um 600 vor unserer Zeit, mit denen die britische Eisenzeit begann), noch häufiger aber kam das zwischen 350 und 200 vor unserer Zeit vor, als keltische Stämme über ganz Europa und Kleinasien ausschwärmten. Was passierte mit den Lokalgottheiten, wenn ihre Anhänger auswanderten? Was denkst Du?
In vielen (aber nicht allen) Fällen wurde das Land als eine oder mehrere Göttinnen personifiziert. Das führte zu dem irischen Brauch, den König mit der Schutzgottheit des Landes zu verheiraten. Du hast wahrscheinlich schon einmal von dieser Zeremonie gehört. Eine ziemlich wüste Version davon wurde von Gerald of Wales im späten 12. Jahrhundert aufgezeichnet: Der potentielle König von Donegal kopulierte mit einer Stute. Nach dem Verkehr wurde das Pferd getötet und in einem Kessel gekocht. Die Untertanen aßen das Fleisch, während der König in der Brühe badete. Dann wurde er in Weiß gekleidet, musste barfuß in einem Fußabdruck stehen, der in einen Felsen gemeißelt war und erhielt schließlich seinen Amtsstab. Die Stute verkörpert in dieser Geschichte die Schutzgottheit des Landes, was nicht unwahrscheinlich ist. Allerdings sollte ich hinzufügen, dass die Geschichte, abgesehen von ein paar archaischen Elementen, fragwürdig ist. Schriftsteller zitieren die Geschichte im Allgemeinen so, als sei Gerald persönlich dabei gewesen und kommentieren sie mit Bezug auf alte indische Pferdekulte und –opfer, was einigermaßen spaßig ist. Sie erwähnen kaum je, dass Gerald niemals in Donegal war, Donegal zu seiner Zeit seit sechs Jahrhunderten christlich war und dass die Leute, die diese Geschichte überlieferten, dem fraglichen Königshaus nicht sonderlich wohlgesonnen waren.
Ob die gallischen Kelten an Schutzgöttinnen glaubten, mit denen der König verheiratet werden sollte, steht zur Debatte; als Cäsar nach Gallien kam, war die Einrichtung des Königtums schon lange durch einen permanent zankenden Adel ersetzt worden. Die britannischen Kelten scheinen sich von den Iren darin unterschieden zu haben, dass sie eine Anzahl von Königinnen hatten. Das wirft ein zweifelhaftes Licht auf die Frage, ob der Regent mit der Göttin des Landes verheiratet wurde. Heirateten diese Königinnen dann eine männliche Gottheit, oder war diese Symbolik von untergeordneter Bedeutung oder unbekannt? Für andere keltische Länder gibt es überhaupt kein Beweismaterial. Wir könnten unsere Spekulation noch eine Weile fortsetzen, ohne hinterher irgendwie schlauer zu sein.
Cernunnos
Kommen wir zu dem zur Zeit beliebtesten keltischen Gott. Es handelt sich um eine häufig dargestellte Gottheit mit Hörnern. Diese wird gerne als Cernunnos bezeichnet, was aber recht spekulativ ist. Eigentlich ist der Name nämlich gar nicht überliefert. Es gibt nur eine einzige Abbildung eines gehörnten Gottes (auf einem Altar aus Paris), die eine Namensinschrift hat. Der erste Buchstabe fehlt, der Rest liest sich ’ernunnos‘. Jetzt wird gerne behauptet, der fehlende Buchstabe wäre ein C, was uns einen Gott namens Cernunnos einbringt. Und Cernunnos bedeutet angeblich ’der Gehörnte‘. Dummerweise sind die Sprachforscher anderer Meinung. Alles was mit Hörnern zu tun haben soll, müßte ’Carnunnos‘ geschrieben werden. Als ’Cernunnos‘ ist der Name schlicht nicht übersetzbar. Oder handelt es sich um einen Schreibfehler? Wie dem auch sei, wir haben also einen Gott namens ’?ernunnos‘ der sich durch Hörner auszeichnet. Es können Hirsch-, Stier- oder Widderhörner sein. Oft ist der Gott im gallo-römischen Stil dargestellt, und hat einige Ähnlichkeit mit Pan. Wobei wir zur nächsten Frage kommen. Handelt es sich um einen Gott oder um mehrere? Ist der mit dem Geweih identisch mit den Hörner tragenden? Und wieder gibt es keine Antwort. Wir können nur raten. Noch spaßiger wird es, wenn wir die Bedeutung der Gottheit verstehen wollen. Einige gallo-römische Darstellungen zeigen ihn mit einem gefüllten Beutel, manche auch mit einer Maus. Beides sind Attribute von Mercurius, dem Gott der Händler (und Diebe). Im modernen Wicca sieht das anders aus. Dank Gerald Gardener und seinen Nachfolgern ist Cernunnos nämlich ein Gott der Wildnis, ein Herr der Jagd, ein Gott der wilden Tiere und, in einigen besonders extremen Fällen, ’der älteste Typus der männlichen Göttlichkeit‘. Und dieser Gott ist nach der üblichen Wicca Lehre der Partner einer Göttin die mit dem Mond verbunden wird und, dank Robert Graves Pilzvisionen, eine dreifache Göttin vom Jungfrau-Mutter-Greisin Typ darstellt. Schauen wir uns das mal in Ruhe an. Die Idee mit den wilden Tieren scheint auf einige gehörnte Götter zuzutreffen, und das Abbild auf der Innenseite des Gundestrup Kessels ist hier ein deutlicher Beleg. Die Sache mit der Jagd ist schon spekulativer. Sie geht auf eine mythische Gestalt zurück, einen Geist, Herne der Jäger, welche von Shakespeare erwähnt wird. Angeblich zieht er im Park von Windsor umher. Ob Herne allerdings Hörner hat oder irgend etwas mit den Kelten zu tun hat, bleibt unbekannt. Nun, Herne klingt dem (hypothetischen) Namen Cernunnos nicht unähnlich, und vielleicht ist ja ein Gott der Tiere auch für Jagd zuständig. Oder vielleicht auch nicht. Und dann gib es noch einen gallischen Gott namens Cernenus, der allerdings keine Hörner hat und mit Jupiter identifiziert wird. Was das Leben nicht einfacher macht. Und wie ist das mit der ältesten männlichen Gottheit? Zuerst zum ’ältesten‘. Hier bezogen sich die Begründer des Wicca auf ein berühmtes Felsbild aus der Höhle Trois-Frères, welches ein tier-menschliches Mischwesen zeigt. Dieses tanzt zweibeinig wie ein Mensch, hat aber die Hörner eines Hirsches, die Augen einer Eule und eine Reihe weiterer tierischer Attribute. Die allerdings nicht sonderlich deutlich zu sehen sind. Und die meist veröffentlichte Darstellung dieser Gestalt ist kein Foto, sondern eine Skizze, die wesentlich mehr Detail zeigt, als im Original ersichtlich ist. Ob Breuil das Bild in einem besseren Erhaltungszustand darstellt, oder ob er es kreativ verbesserte, bleibt offen. СКАЧАТЬ