Der Kessel der Götter. Jan Fries
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Название: Der Kessel der Götter

Автор: Jan Fries

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783944180328

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СКАЧАТЬ oder in Besessenheit verkörpert. In diesem Fall ist der Schamane (oder die Gottheit?) männlich. Es gibt noch weitere gehörnte Tänzer in der Höhlenkunst, doch bei denen ist das Geschlecht nicht ersichtlich. Im Wicca wird oft davon ausgegangen, die gehörnten Gott-Schamanen der Höhlenkunst würden die selbe Gottheit darstellen wie die eisenzeitlichen Kelten. Wobei die dazwischen liegenden zehn oder fünfzehntausend Jahre nun wirklich nicht ins Gewicht fallen. Das Problem dieser Interpretation liegt in ihrer extremen Vereinfachung. Zum einen hatten die Steinzeitmenschen ein ganz anderes Verhältnis zur Jagd und den wilden Tieren als die Kelten. Sie waren Jäger und Sammler, wohingegen die Kelten von Rindern, Schafen, Schweinen und dem Ackerbau lebten. Bei ihnen war Jagd eine schöne Sache für die gehobenen Stände, aber keinesfalls für das Überleben notwendig. Und was bedeuten die gehörnten Götter überhaupt? Im vorgeschichtlichen Europa und überhaupt in Eurasien gab es eine ganze Reihe gehörnter Gottheiten. Über die meisten wissen wir gar nichts. Manche waren Götter der Viehzucht oder Gottheiten der Hirten wie ursprünglich Pan. Doch die sind nicht alle männlich. Eine erstaunlich große Anzahl von ihnen ist geschlechtslos. Manche, wie die Darstellungen aus Willowburn bei Gilsland in Cumberland, sind nackt und haben dennoch keine Geschlechtsteile. Waren die Künstler hier schüchtern? Oder war das Geschlecht ohne Bedeutung? Mehr noch, es gibt mehrere britische Darstellungen von gehörnten Göttinnen. Manche haben wunderschöne Hirschgeweihe. Was verblüffend ist, denn Hirschkühe haben keine. Was nun wirklich nicht zum Glaubensbild des modernen Wicca passt. Wir haben also bei den Kelten gehörnte Götter, die aber nicht unbedingt männlich sein müssen. Und wie sieht es mit der Gattin des gehörnten Gottes aus? Als Gerald Gardener in den späten Vierzigern des zwanzigsten Jahrhunderts Wicca entwickelte, verkuppelte er den gehörnten Gott mit einer Mondgöttin. Wie Ronald Hutton so detailliert nachweist (siehe The Triumph of the Moon, a history of modern pagan witchcraft, 1999), war sein Vorbild hier keineswegs eine alte Hexentradition. Es war vielmehr die englische Vorliebe für Pan und Diana. Seit der Renaissance waren dies die in England beliebtesten Gottheiten des Altertums. In zahllosen Gärten, Parks und Anwesen standen Statuen der beiden. Und beide wurden als Paar empfunden, obwohl sie dies in der griechisch-römischen Mythologie nicht sind. Denn Artemis/Diana ist keusch und jungfräulich, während Pan ständig hinter den Nymphen her ist. Aber wie sieht es hier bei den Kelten aus? Im Gegensatz zu vielen anderen keltischen Gottheiten erscheinen die gehörnten Götter fast immer allein. Sollten der Gehörnte eine Geliebte gehabt haben, bleibt dies verborgen. In ihrer aufwendigen Studie zu den gehörnten Göttern (1967 : 172-220) konnte Ann Ross nur auf eine einzige Darstellung hinweisen, in der ein gehörnter Gott eine Partnerin hat.

      Und die (möglicherweise männlichen) gehörnten Götter der Kelten sind auch nicht immer mit dem wilden Wald und den Tieren verbunden. Bei den Briten gab es auch gehörnte Götter, die mit Speer und Schild bewaffnet eher zum Kriegswesen gehören. Wie wild ist eigentlich der ’Herr der Tiere‘? Der Gehörnte vom Gundestrup Kessel ist sauber rasiert und trägt eine Art Trainingsanzug, ist also recht präsentabel für einen Waldbewohner. Andererseits finden wir im Mabinogi (Die Herrin der Quelle) eine übermenschliche Gestalt, die als Herr der Tiere bezeichnet wird. Es handelt sich um einen wüsten schwarzen Riesen, der nur ein Auge und ein Bein hat und auf einem Hirsch trommelt, um alle Tiere herbeizurufen. Wobei der Hirsch hier eine Ritualstrommel sein dürfte. Doch dieser Herr der Tiere hat keine Hörner. Und dann gibt es noch etliche zwei und dreihörnige Helden in der irischen Mythologie. Doch die haben wenig mit Waldgottheiten zu tun. Der berühmteste ist Conall Cernach, wobei Cernach ’mit Kanten bzw. Ecken‘ bedeutet. Nach dem Táin Bó Fraích kämpft Conall unter anderem gegen eine riesige Schlange, die aber dann ganz nett wird und dem Helden unter den Gürtel kriecht, worauf die beiden zusammen eine Festung zerstören. Der gehörnte Gott des Gundestrup Kessels hält auch eine Schlange, und dieselbe gehörnte Schlange erscheint auf demselben Kessel bei einer Kriegerprozession. Bei gallo-römischen Götterfiguren hat Mars gelegentlich eine gehörnte Schlange dabei. Doch Conall ist weit entfernt von einem Herrn des Waldes oder der wilden Tiere. Statt dessen ist er der halbgöttliche Ahn des Königshauses von Dál nAraide, ein Kriegsherr, ein Zerstörer von Festungen, ein Grenzkämpfer, und der berühmteste Kopfjäger Irlands. Falls er wirklich mit den gehörnten Göttern verwandt ist, würden diese also hier eher zu einem Krieger und Ahnenkult gehören. Und gerade gallische Götter mit Widderköpfen werden des öfteren mit Mars, dem Kriegsgott identifiziert. Gar nicht zu reden von den gehörnten Kriegerhelmen von Orange, Vaucluse, und ihrer Reliefdarstellung aus La Brague, Alpes-Maritimes in Frankreich, oder den schwer gehörnten Zeremonialhelmen der britischen Kelten. Wobei es sich wahrscheinlich um Ritualsobjekte handelt, denn Hörner machen einen Helm für den Kampf unpraktisch. Ein guter Helm leitet den Schlag nämlich ab. Alles in allem haben wir also einen Haufen unterschiedlicher gehörnter Gottheiten. Eindeutig ist, dass gehörnte Götter bei vielen eisenzeitlichen Kulturen beliebt waren, aber dass es sich dabei um einen einheitlichen Gott gehandelt hat, ist mehr als unwahrscheinlich. Also vergessen wir am besten die Frage, wer Cernunnos wirklich war. Fragen wir lieber, welche Variation der gehörnten Gottheiten Dir am Herzen liegt.

       Matronen

      Ein weiteres Lieblingsthema sind die Matronen. Hier wird es wirklich verzwickt. So viele Gelehrte des 19. Jahrhunderts haben die Verehrung einer hypothetischen großen Muttergöttin in archaischen Zeiten postuliert… Du weißt schon, die Art von Gottheit, die immer mit Fruchtbarkeitskulten und der Verehrung der Genitalien einhergeht. Unter den wissenschaftlichen Themen des letzten Jahrhunderts war das eines, das den Leuten den Mund wässrig machte, und unter schlecht informierten Neuheiden ist es das noch heute. Die große Göttin, von zahllosen Neuheiden in aller Welt verehrt, hat nur wenig historische Berechtigung. Sie wurde von Wissenschaftlern erfunden, die nach einem Gegenstück zum üblichen männlich-monotheistischen, patriarchalen Gott judäo-christlichen Ursprungs suchten. Diese Wissenschaftler waren der Ansicht, dass Monotheismus der Normalzustand ist (was eine sehr moderne Idee ist), und dass er unweigerlich mit solchen Dingen wie zentralistisch organisierten Staaten, einem einheitlichen Glaubensbekenntnis und so weiter einhergeht. Zu viele moderne Autoren folgen diesem Trend. Sie gehen von einer einzigen keltischen Muttergöttin aus und haben den Nerv, zu behaupten, dass alle anderen weiblichen Gottheiten der Kelten im Grunde Teilaspekte einer großen Mama waren. Wenn man liest, dass sogar blutrünstige, unverheiratete und kinderlose Kriegsgöttinnen Aspekte der großen Muttergöttin sein sollen, fragt man sich, ob der Begriff überhaupt irgendeine Bedeutung hat. Haben Frauen kein Existenzrecht, wenn sie keine Mütter sind? Können Frauen auch noch irgendetwas anderes sein als ein Teil des ewigen Jungfrau-Mutter-Alte-Karussells? Ist Vermehrung das Einzige, was zählt? Wie kommt es eigentlich, dass nicht auch alle männlichen Götter gemeinsam in eine Schublade geworfen werden, auf der „Vatergottheit” steht? Können wir nicht an Götter denken, ohne ihnen gleich ein Geschlecht zuzuordnen? Und was sollen wir mit Göttern anfangen, die das Geschlecht wechseln, tierähnlichen Gottheiten, Gottheiten, die Tiergestalt annahmen, um zu kopulieren, oder asexuellen Göttern? Hätten die alten Kelten tatsächlich geglaubt, dass alle weiblichen Gottheiten Aspekte einer einzigen, alles umfassenden Muttergöttin gewesen wären, warum hätten sie sich dann die Mühe machen sollen, Hunderte von ihnen zu erfinden?

      Wie sich herausstellt, wissen wir fast nichts über das Familien- und Sexualleben der meisten keltischen Götter. Wenn wir nach Muttergöttinnen Ausschau halten, finden wir die Matronen, und nicht einmal in Bezug auf sie stimmen die populären Vorurteile. Das Wort Matronen bedeutet Mütter. Die Matronen sind drei Frauen, üblicherweise sitzend dargestellt, die in den letzten Tagen der La Tène-Zeit populär waren und während der römischen Besatzung noch mehr. In Britannien existieren fast 60 Widmungen und Weiheinschriften für sie, davon 49 in römischen Forts oder von Angehörigen der Armeen angefertigt, von denen viele ursprünglich aus dem Rheinland stammten. In den Fussstapfen der Legionen verbreitete sich ihr Kult. Etwa 1.000 Weiheinschriften, Ikonen und Altäre für die Matronen haben überlebt; die meisten stammen aus dem 2. bis 4. Jahrhundert. Wie der Name schon sagt, handelt es sich um Muttergöttinnen. Der Ikonographie nach wäre das nicht ganz so leicht festzustellen, denn keine von ihnen zeigt Anzeichen von Schwangerschaft, und sie werden auch nicht von Kindern begleitet. Manchmal tragen sie einen Korb voller Früchte, aber das tun zahlreiche Gottheiten in der gallo-römischen Bilderwelt. СКАЧАТЬ