Warnung vor Büchern. Erzählungen und Berichte. Ханс Фаллада
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СКАЧАТЬ Dr. Delbrück, der ehemalige Leiter [50]der Bremer Irrenanstalten, auf diese Frage gab. Vielleicht, ich weiß es nicht.

      Professor Delbrück ist ein alter Mitkämpfer unsers Ordens. Mit feinem Humor erzählte er, wie allmählich Schritt für Schritt der Gedanke der völligen Enthaltsamkeit vom Alkohol an Boden gewann. Noch als er in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zum medizinischen Examen paukte, las er in seinen Lehrbüchern, das beste Mittel, dem Volk den Schnapsgenuss abzugewöhnen, sei die Verbreitung des Biertrinkens. Damals gab es auch schon eine Trinkerheilstätte in Deutschland, wie es in ihr aber zuging, kann man daraus ersehen, dass dort auch noch regelmäßige Bierabende für die Insassen veranstaltet wurden.

      Auch Professor Forel, unser mutiger Vorkämpfer, war nicht von vorneherein für den Gedanken der Totalabstinenz eingenommen. Delbrück erzählt von einem Erlebnis, das ihn bekehrte.

      Forel hatte Ende der 80er Jahre in seiner Irrenanstalt einen Alkoholkranken, der seine Anstalt ungeheilt verließ. Später schrieb dieser Patient einen Brief an Forel, in dem er spöttisch mitteilte, dass seine Heilung, die den hochgelehrten Herren Ärzten nicht geglückt sei, einem einfachen Schuster vom blauen Kreuz gelungen wäre, und das einzig wirksame Heilmittel hieße völlige Abstinenz.

      Als dann Anfang der 90er Jahre die Engländer ihre Irrenanstalten zum Teil abstinent machten, folgte Forel ihrem Beispiel. Nur zögernd, unter ständigen Kämpfen, schlossen die übrigen Anstalten sich an. Noch heute wird ja in vielen Krankenhäusern den Patienten zur »Stärkung« Kognak oder Wein gegeben, den werdenden und stillenden [51]Müttern Bier. Denn alle diese Getränke enthalten Kalorien und heute wird eben alles, was Kalorien enthält, für nahrhaft angesehen.

      Ich darf an dieser Stelle vielleicht einen Augenblick abschweifen und eine kleine Anekdote erzählen, die der dritte Redner jenes Vortragsabends, Dr. Bornstein-Berlin, uns erzählte.

      Also: Dr. Bornstein sitzt mit irgendeinem hohen Tier aus einem Ministerium in einer Berliner Gastwirtschaft. Der hohe Herr hat zwei Glas Kognak bestellt und kann ganz und gar nicht begreifen, dass Dr. Bornstein den Kognak verschmäht. »Aber mein lieber Herr Doktor«, sagt er schließlich, »Kognak ist nahrhaft, Kognak hat Kalorien!« – »Jawohl«, antwortet Dr. Bornstein schlagfertig, »und Benzin hat auch Kalorien. Ober, ein Glas Benzin für den Herrn Geheimrat!« –

      Ich sprach Ihnen davon, dass nur sehr langsam der Gedanke der Totalabstinenz an Boden gewann. Damals wurden schwere Kämpfe zwischen den sog. Mäßigen und den Total-Abstinenten – vor allem den Guttemplern – ausgefochten. Unser Orden war noch jung in Deutschland und stieß überall auf heftigsten Widerstand.

      1905 verschickte Professor Delbrück Fragebogen an sämtliche Irrenanstalten des deutschen Sprachgebietes betr. Abstinenz. Die Hauptfragen lauteten: Bekommen die Patienten noch Alkohol? Bekommen die von der Anstalt beköstigten Ärzte und Pfleger noch Alkohol? Befindet sich in Apotheke und Küche der Anstalten noch Alkohol? Der Berichterstatter fasste das Ergebnis dieser Umfrage optimistisch dahin zusammen, dass die Tendenz auf Abstinenz hinginge.

      [52]Die damaligen Hoffnungen haben sich aber nicht erfüllt. Seit 1905 sind keine wesentlichen Fortschritte erzielt worden. Nach Professor Delbrücks Ansicht liegt der Grund vor allem darin, dass die Abstinenzler, die Guttempler, wesentlich duldsamer geworden sind, seitdem sie gewissermaßen offiziell anerkannt wurden. Sie haben an Kampfkraft verloren.

      Man darf nicht vergessen, dass unser Orden in seinen ersten Anfängen sehr schwer zu kämpfen hatte. Nicht nur das Alkoholkapital, nein, auch die breite Masse der Bevölkerung, ja, selbst unsere Kampfgenossen, die Mäßigen, übergossen den Orden und jedes Ordensmitglied mit Hohn und Spott. Unsere Ziele galten als verstiegenes, laienhaftes, unwissenschaftliches Idealistentum; wer damals dem Orden beitrat, musste ein ganzer Kerl sein, um dem Spott und Hohn in Familie, Freundeskreis und Arbeitsstätte zu trotzen. Es ist dem Orden unter diesen Verfolgungen nicht schlecht ergangen, es ging ihm ähnlich wie der sozialistischen Partei, die sich, in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgelöst, immer fester zusammenschloss. Die Lauen, die Mitläufer zogen sich ängstlich zurück, die Spreu wurde vom Weizen gesondert, und was übrigblieb, waren aufrechte Männer und Frauen, die kein Hohn und Spott, keine Verfolgung ihren Idealen untreu machen konnte.

      Allmählich erkannten die Behörden, die breite Masse, dass der Orden nicht ganz so verstiegen und weltfremd war, wie sie geglaubt hatten. Kein Mensch mit offenen Augen konnte die Erfolge der Guttempler in der Trinkerrettung und Bewahrung übersehen. Die menschenkundige, weltkluge Idee seines Gründers, dem Trinker nicht nur die [53]Last seines Abstinenzgelübdes aufzuerlegen, die allein zu tragen er doch zu schwach wäre, sondern ihm im Familienleben, in der Anteilnahme der Loge einen Ersatz für das abendliche Kneipenleben zu bieten, – diese Idee siegte.

      Immer mehr wurde der Orden von Wohlfahrtsorganisationen, von Behörden zur Trinkerrettung herangezogen. Wo eine Frau über ihren Mann, der Woche für Woche seinen Lohn in der Kneipe vertrank, ganz verzweifelt war, fand sich sicher eine Nachbarin, die schon vom Orden gehört hatte und ihn als Retter empfahl. Der Orden wurde groß und kräftig, er war anerkannt, nur noch Dummköpfe spöttelten über seine Arbeit.

      Aber in dieser Anerkennung lag jene Gefahr, der dann der Orden auch nicht entgangen ist. Ja, dort, wo ein Familienleben vor dem Ruin stand, wo ein vertrunkener Mensch sich und die Welt verzweifelnd aufgab, dort waren wir gut zur Hilfe. Wir sollten die Wunden heilen, die der Alkohol schlug, sie immer von neuem heilen, aber die Hand, die sie schlug, den Alkohol selbst, sollten wir nicht bekämpfen.

      Was würde man wohl zu einem Arzte sagen, der sich nicht darum kümmern wollte, wie eine Krankheit entstanden ist, der sich nur um ihre Heilung bemüht? Ein Typhuskranker kommt zu ihm, er heilt ihn, aber es kümmert ihn nicht, wo die Brutstätte der Typhusbazillen sitzt, er lässt hundert andere erkranken, und begnügt sich mit der Heilung der einzelnen, die den Weg zu ihm finden. Wir würden sagen, das ist ein Pfuscher, das ist ein gewissenloser Arzt, und würden ihn wegjagen.

      Ist es unserm Orden nicht ähnlich ergangen? Die dort draußen, die einzelnen, die Brauer, die Gastwirte, die Schnapsfabrikanten, die Wohlfahrtsstelle, alle, alle, jeder [54]einzelne, der draußen herumläuft, sagt: Sei zufrieden, Guttempler, wir schicken dir die Lahmgeschlagenen des Lebens, die Kranken, die Vergehenden, du darfst sie heilen. Mehr nicht. Aber du darfst sie heilen.

      Unmerklich ist der Orden immer mehr in die einseitige Arbeit der Trinkerrettung gedrängt worden.

      Und so verdienstvoll das ist, was er auf diesem Gebiete geleistet hat und noch leistet, so ist das doch nur ein Teil seiner Arbeit. Wichtiger als die Heilung der Wunden ist es, ihre Entstehung zu verhindern. Grade in den Kreisen der Jugend wird das heute immer stärker empfunden. So mancher Wehrtempler hat mir gesagt: »Wir empfinden es bitter, dass ihr Grundtempler so wenig Zeit für uns habt. Wenn ein Wehrlogenwart gesucht wird, wenn die Stelle der Leiterin einer Jugendloge besetzt werden soll, seid ihr Grundtempler schwer dazu zu bekommen. Ist es aber nicht wichtiger, uns alle vorm Trunke zu bewahren als einen schon Gefallenen zu retten?«

      So spricht die Jugend. Und mag diese Einstellung neben manchem zweifellos Berechtigten auch Übertriebenes enthalten, eines ist sicher: Die breite Masse draußen, das Volk, hat kein Interesse mehr für die über die Trinkerrettung herausgehenden Ziele unserer Arbeit. Sie finden, dass wir Guttempler ihnen eigentlich nichts zu sagen haben, sie singen: »Brüderlein trink!«, sie betrinken sich mit Maßen, sind also keine Trinker, und haben darum auch nichts mit uns zu tun. Trotzdem nach dem Kriege eine starke Zunahme der Alkoholkranken zu verzeichnen ist, will das Volk daraus nichts lernen, ja, nicht einmal etwas davon hören.

      Wenn also nach Ansicht von Professor Dr. Delbrück die Frage der Abstinenz niemanden praktisch mehr [55]interessiert, so ist dafür eine andere Frage in den Vordergrund gerückt: die für und gegen das Alkoholverbot.

      Es erscheint auf den ersten Blick seltsam, dass СКАЧАТЬ