Warnung vor Büchern. Erzählungen und Berichte. Ханс Фаллада
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СКАЧАТЬ unentbehrlich, wird ungern fortgelassen, solch Gesuch wird gar nicht befürwortet. Und dann hat die Leitung ja auch ein Interesse daran, den Gefangenenbestand möglichst hochzuhalten. Seit die Strafen der Inflationszeit größtenteils verbüßt sind, ist der Bestand der Gefängnisse teilweise unter 50 v. H. der Normalbelegung gesunken. Das hat Beamtenentlassungen, Zusammenlegungen etc. zur Folge. Nein, sicher ist es mit dem Befürworten ganz und gar nicht.

      Schon ein paar Wochen nach der Stellung seines Gesuches ist eine Antwort da. Der Gefangene soll angeben, wo er in der Zwischenzeit seit Begehung seiner Tat gearbeitet hat. Der Gefangene ist Beamter, Angestellter; man wird also an seinen früheren Arbeitsstellen anfragen, wie er sich dort geführt hat. Er hat schon so schwere Sorgen, wie er nach der Entlassung Arbeit bekommen wird, nun sieht er es beinahe unmöglich werden, da das Gericht so eifrig für Bekanntwerden seiner Verschuldung sorgt. Nach Verbüßung der Strafe wird erst die wahre Schädigung beginnen.

      Vielleicht bekommt der Gefangene dann schließlich sechs Wochen B.-F. zugebilligt. (In den meisten Fällen [26]nicht.) Aber wie oft hat er unterdes die Stunde verflucht, da er von dieser B.-F. hörte. Er kam her, er hatte sich mit sechs Monaten abgefunden. Dann machte man ihm Hoffnungen, er lebte die ganze Strafzeit darin. Es waren peinigende, quälende Hoffnungen. Sie zwangen ihn zu erschöpfender Arbeitsleistung. Sie brachten ihn zur tiefsten, feigsten Demut. Er wurde von den andern isoliert, er wurde ihr Spion, ihr Aufpasser, ihr Verräter. Dann zerstörte man ihm auch noch die spärlichen Aussichten für seine Zukunft.

      Man glaubt doch nicht, dass der einzelne Beamte daran Schuld trägt. Der Beamte ist in weitem Maß dafür verantwortlich, dass der Gefangene nicht flieht, sich anständig benimmt usw. Die Behandlung durch die Beamten ist gut. Gewiss, es sind fast nur Subalternbeamte, die zudem im jahrzehntelangen Strafanstaltsdienst stumpf geworden sind. Aber was sie tun können, die Lage nicht unnütz zu erschweren, das tun sie. An ihnen liegt es nicht.

      Es liegt an dem System, der Gesamtheit des Strafvollstreckungsdienstes, der längst ein toter Körper, versteinertes Gerippe ist. Was vielleicht einmal sinnvoll war, hat längst seinen Sinn verloren. Und es ist zwecklos, an dieser Leiche Kuren zu versuchen. Man sehe doch, wie ein an sich menschlich gewolltes Gesetz, wie das über die B.-F. sich in sein Gegenteil verkehrt, hässliche Quälerei wird.

      Tot ist tot, ein anderes muss werden.

      [27]Tscheka-Impressionen

      1

      Ich komme wieder einmal heim aus den Verhandlungen des Staatsgerichtshofs gegen die Tschekaleute, angewidert, halb krank, aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht: erledigt. Ist etwas Besonderes geschehen? Gar nicht. Zwar: es hat Ordnungsrufe ohne Zahl gegeben; zwar: Wortentziehungen sind nicht eben selten erfolgt; zwar: Zeuge und Angeklagter haben sich gegenseitig »Lump, Lügner, Meineidiger« geschimpft; zwar: Zeugen und Angeklagte, am Ende ihrer Nervenkraft, haben Geschlechtskrankheiten, Weiberbekanntschaften, Betrunkenheiten mit allen (körperlich schmierigen) Folgen einander ins Gesicht geschrien – aber ist das etwas Besonderes? Das hören, das sehen wir seit vier Wochen alle Tage.

      Ein Verteidiger beginnt zu reden. Vorsitzender: »Herr Rechtsanwalt, ich entziehe Ihnen das Wort.« – »Ich erbitte das Wort zu einem Antrag.« – »Sie können den Antrag später stellen. Ich entziehe Ihnen das Wort.« – »Ich verlange Protokollierung dieser Verweigerung.« – »Ich lehne diese Protokollierung ab.« – »Nach § X der Strafprozessordnung …« – »Herr Rechtsanwalt, ich entziehe Ihnen das Wort!«

      Auf der Anklagebank sitzen rund ein Dutzend Männer, seit über einem Jahre in Untersuchungshaft, durch die endlose Voruntersuchung zermürbt, seit vier Wochen auf der Marterbank dieses Prozesses, sie werden von Tag zu Tag blasser, gereizter, kränker. Immer wieder meldet sich einer: [28]»Mir wird schlecht.« – »Ich kann nicht mehr folgen!« – »Ich habe Hunger. Ich muss erst was zu essen haben.« Ist es ihnen zu glauben. Man sehe sie an. Doch, es ist ihnen zu glauben.

      Dieser Gerichtshof ist – wie jeder Gerichtshof – dazu eingesetzt, die Wahrheit zu finden. Es geht bei den meisten Beteiligten um Strafen, die ihr ganzes Leben vernichten werden. Menschlichstes wird verhandelt? Ich höre immer: Nach § … Wortentziehung … Gerichtsbeschluss … Protokollierung …

      Wer noch einen Beweis braucht, dass dieser Staatsgerichtshof nicht in der Lage ist, seine Aufgabe – sie besteht nicht in Verurteilung, sondern in Wahrheitsfindung – zu lösen, der höre diese Verhandlungen an. Hier vernimmt man – am Richtertisch – eine sinnlose, überreizte Schärfe des Tons, eine fast persönlich zu nennende Feindschaft wird sichtbar, eine überpäpstliche Unfehlbarkeitspose verhindert jede weichere Tönung –: all dies war bei dem Reichsgericht, das der Stamm war, aus dem auf höheren Befehl die Frucht Staatsgerichtshof reifte (nein, nicht reifte), – all dies, sage ich, war vor wenigen Jahren hier noch nicht möglich. Solche Verhandlungen müssen das Ansehen des obersten deutschen Gerichtshofes in nie wieder gutzumachender Weise erschüttern.

      Die Wahrheit finden? O nein. Zwischen Vorsitz und Verteidigung wird ein Beutestück hin und her gezerrt (der Reichsanwalt sitzt in seinem Winkel und schweigt), und es gehört keine Prophetengabe dazu zu sagen, wer in diesem Prozess Sieger sein wird: der Vorsitz.

      Und die Zerrupften zahlen die Zeche.

      [29]2

      Von einer Reihe von Angeklagten wird behauptet, in der Voruntersuchung seien Erpressungen an ihnen versucht oder verübt, Geständnisse seien belohnt, größere Belohnungen seien in Aussicht gestellt.

      Margies, ein herzlich unsympathischer Typ, sehr wenig Mensch und sehr viel Tier, aber was tut das zur Sache? Er gibt an, dass er, als er auch beim zweiten Verhör während der polizeilichen Voruntersuchung die Aussage verweigert habe, nicht in seine frühere Zelle, sondern in eine Dunkelzelle zurückgeführt sei, in der er acht Wochen habe zubringen müssen. Während acht Wochen habe er keine frische Wäsche erhalten, der Zukauf von Lebensmitteln aus eigenem Gelde, der den anderen Gefangenen erlaubt gewesen sei, sei ihm trotz Erlaubnis des Untersuchungsrichters nicht gestattet worden, die Freistunde-Bewegung in frischer Luft – sei ihm verweigert.

      Die Wahrheit dieser Angaben wird nicht bestritten. Der Kriminalbeamte, der seinerzeit die Vernehmungen vornahm, erklärt unter seinem Eid, er habe diese Strafmaßnahmen nicht veranlasst. Dies ist ihm zu glauben, ist damit aber die Sache erledigt? Wer hat dies denn veranlasst? Weiß man so wenig vom Innenbetrieb der Gefängnisse, dass es noch der ausdrücklichen Versicherung bedarf, ein Kriminaloberinspektor habe diese Maßnahmen nicht veranlasst? Er wird sich hüten! Es ist ja auch gar nicht nötig, man weiß doch, wie rasch in einem Gefängnis das Ergebnis solcher Vernehmung durchsickert. Er hat nicht gestanden! Wir werden es dem Bruder schon zeigen!

      [30]Das Gegenstück: Poege. O welcher Glanz! Er hat den wahren Bekenntniseifer gezeigt, sogar dem Oberinspektor ist er mit seinen ewigen Vorführungswünschen, seinem Enthüllungsfieber ein wenig auf die Nerven gefallen. Aber immerhin hat ihm dieser Oberinspektor doch als Gegenleistung einige Versprechungen gemacht, über deren Tragweite natürlich die Aussagen des Verhörführers und des Beschuldigten ein wenig auseinandergehen.

      Immerhin leugnet dieser Beamte nicht, dass er dem Poege, in Anbetracht seiner Verdienste um Rettung des Staates, eine weitgehende Strafermäßigung, vielleicht gar Strafaussetzung in Aussicht gestellt hat. Sogar von der Verhandlung dieses Prozesses in Stuttgart statt in Leipzig soll die Rede gewesen sein, damit Held Poege nicht den Blicken seiner Leipziger Genossen im Gerichtssaal ausgesetzt wird. Und natürlich hat Poege in keiner Dunkel-, in keiner Einzelzelle gelegen, man hat ihn in Gemeinschaftszelle gelegt, wo er andere Untersuchungsgefangene ausgehorcht und ihre Geständnisse brühwarm hinterbracht hat, man hat ihm diese »häufigen Spaziergänge in frischer Luft zum Polizeipräsidium gerne gegönnt«, er hat gutes Essen und СКАЧАТЬ