Warnung vor Büchern. Erzählungen und Berichte. Ханс Фаллада
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Warnung vor Büchern. Erzählungen und Berichte - Ханс Фаллада страница 10

СКАЧАТЬ

      [61]Die Verkäuferin auf der Kippe

      Fräulein! Ja, Fräulein! Hansa 8576 bitte. 8576, ja doch! Könnte ich wohl Frau Eschwege sprechen? Selbst? Tag, Trudel. Bist du allein? Dein Chef ist zum Mittag –? Na also!

      Nein, ich rufe vom Automaten. Ich musste dich durchaus gleich sprechen. Also, Trudel, vor allen Dingen, wenn der Hans heute zu euch kommt, erzähl ihm, ich war gestern Abend bei euch. Sag’s auch deinem Mann, dass er sich nicht verquatscht.

      Was? War schon da? Gestern Abend? Und du konntest gar nicht schwindeln? Ach, Trudel, Trudel, wie ich das finde! Ich zittere am ganzen Leibe. Erzähle doch bloß. Jedes Wort muss man dir …

      Blass ist er gewesen? Aufgeregt? Kunststück! Ich bin auch aufgeregt. Ob er Verdacht hat? Dir hat er kein Wort gesagt?

      Natürlich hat er Verdacht. Er hat mich doch neulich mit Max aus dem Café kommen sehen. Ich hab’ ihm vorgeschwindelt, es wär’ ein Vetter auf der Durchreise gewesen. Aber geglaubt hat er’s nicht, ich hab’s ihm gleich angemerkt. Wenn ein Mann schon rücksichtsvoll wird und beim Sprechen ’nen Rührungskloß in der Kehle hat, steht’s allemal flau.

      Gott, Trudel, ich hab’ auch immer Pech. Du kannst sicher sein, die Verlobung mit Hans fliegt auch wieder auf. Die Eltern …

      Ich soll solide sein? Du hast gut reden. Du hast deinen Oskar und ’nen Trauschein. Wenn du mal einen Seitensprung machst … Ich – für uns Mädel sorgt keiner. Was mache ich denn mit den 90 Mark, die Bremer im Monat [62]gibt? 45 Mark kriegt Mutter und die Abzüge für Krankenkasse un so, es bleiben keine 20 Mark für Kleidung und Schuhe und Ausgehen. Und das ewige Haarschneiden und Nackenrasieren und Ondulieren. Ja, man will sich doch auch nicht ausstechen lassen!

      Bei Karstadt ist ein fabelhaftes Crêpesatinkleid, gar nicht teuer, 59 Mark, aber wie soll unsereins dazu kommen? Es ist ein Jammer. Und so gerne ich den Max habe, auf die Dauer wird’s ja mit dem Jungen auch nichts, wenn er mal in der Bar 10 Mark ausgegeben hat, ich bin sicher, er schiebt die ganze Woche Kohldampf.

      Ich soll mich mit Hans aussöhnen? Ach was, daraus wird nichts. Der mit seinem ewigen Misstrauen! Eigentlich bin ich ganz froh, dass es so gekommen ist. Noch vier, fünf Jahre verlobt sein und dann Kammer und Küche oder bei den Schwiegereltern wohnen, man kommt nicht raus aus der Vormundschaft.

      Neulich habe ich die Minna Lenz getroffen. Du weißt doch! Wir nannten sie auf der Schule immer den Ölgötzen, weil sie so doof war. Jetzt heißt sie Mia! Und einen Blaufuchs trägt das Geschöpf, ich bin fast geplatzt vor Neid. Die hat’s raus. 90 Mark im Monat, ich hab’ es ihr gar nicht sagen mögen, ich hab’ mich so geschämt vor ihr in meinem Konfektionsfähnchen. Die verdient manchmal an einem Abend mehr.

      Ich soll mich was schämen? Schmutzgeld? Dass ich nicht lache! Wenn Mia nachher Auto fährt, riecht keiner, woher das Geld stammt. Und einen Mann kriegt sie auch noch, wenn sie zur rechten Zeit aufpasst. Es gibt immer welche, die grade auf so eine fliegen, und es braucht gar nicht immer ein alter Daddi zu sein.

      [63]Was du redest! Sie geht gar nicht auf die Straße. Sie ist Tanzdame auf der Freiheit. Erstklassiges Lokal. Ich hab’ neulich mit dem Max davor gestanden, aber wir konnten’s uns nicht leisten. Sie hat nur mit den Herren zu tanzen und an ihrem Tisch mitzutrinken. Davon hat sie keine 90 Mark am Abend? Sie kriegt doch Prozente vom Wein!

      Und wenn schon! Sie kann sich doch aussuchen! Die geht lange nicht mit jedem. Sie hat mir gesagt, ich soll mal hinkommen und es mir ansehen. Ich weiß noch nicht, aber vielleicht gehe ich mal hin. Ihr Chef stellt mich jeden Tag ein, sagt sie.

      Gott, Fräulein, unterbrechen Sie doch nicht immer! Nein, wir sind noch nicht fertig. Der wird auch warten können mit seinen Trikotagen.

      Bist du noch da, Trudel? Ein Kunde wollte euch. Na, der kommt auch noch früh genug zu seinen Netzhemden!

      Sag mir nur, was mache ich heut Abend bloß mit dem Hans? Das gibt eine schreckliche Szene. Und ich hasse Szenen. Gewalttätig? Das wollte ich ihm nicht raten! Nee, Hans ist schlapp. Der heult höchstens. Natürlich tut er mir leid, aber was soll ich dabei machen?

      Wenn er zu Vater läuft, der ist imstande und verhaut mich. Vater hat keine Ahnung von uns Mädels heute, das muss doch alles so sein wie auf seiner Landstelle in Mecklenburg. Hätt’ er doch besser aufgepasst in der Inflation, dann müsste ich heute nicht für 90 Mark …

      Mutter hilft mir ja, aber wenn Vater mich schlägt, lauf ich fort. Ich darf doch zu dir kommen? Auf der Chaiselounge. Warum soll ich mich schämen? Dein Mann? Ach, dein Mann hat nichts zu melden, den kriegen wir schon rum.

      [64]Was ich nun eigentlich will? Max? Hans? Oder –? Ja, Trudel, ich weiß es doch selbst nicht, wie soll ich denn das wissen? Ich warte eben ab, was heute Abend passiert. Und kommt gar keiner, gehe ich zu dir. Oder auch mal zur Freiheit, Ansehen kostet ja nichts.

      Nee, nur das nicht. Ewig warten und hinter dem Ladentisch stehen. Und die andern tanzen und fahren dicke im Auto? Das habe ich nicht nötig. Na, wir werden ja sehen.

      Also schön, Fräulein, wir machen jetzt Schluss.

      Und sieh dir das Crêpesatinkleid an. Goldig, sage ich dir. Diese Woche kriege ich’s noch, wetten? Trudel! Trudel!!

      Schon weg. Na, denn nicht. Verkaufen wir also wieder Trikotagen. –

      [65]Rache einer Hamburgerin

      Ich habe Tredup, Wilhelm Tredup, seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Gestern traf ich ihn wieder, im D-Zug Travemünde – Hamburg. Ich hätte ihn nie erkannt, er aber rief mich sofort beim Namen, half meinem schlechten Gedächtnis nach und ein paar Minuten später schwelgten wir schon in den schönsten Jugenderinnerungen.

      Was hat sich in den letzten zwanzig Jahren nicht alles ereignet – heimlich mustere ich Tredup von der Seite: Was wohl aus ihm geworden ist, was er wohl heute ist? Eigentlich sieht er ein bisschen bequem geworden, salopp aus – und er war doch der Geck des Christianeums. Und sein Braun macht einen so bauerhaften Eindruck, das ist sicher nicht das Braun von vier Wochen Travemünde oder Niendorf.

      In einer gedankentiefen Pause – wir haben gerade den griechischen Pauker durch – frage ich beiläufig: »Sag einmal, bist du nun wirklich Exportkaufmann geworden, wie du wolltest?«

      Er ist sichtlich gekränkt: »Exportkaufmann? Hab ich nie gewollt! Offizier wollte ich doch werden!«

      »Und du bist Offizier geworden?«, frage ich weiter.

      »Ja – nein – es ging schief …«

      Er versinkt in Erinnerungen. Ich habe auf einen kranken Nerv getippt und lenke ab: »Übrigens, siehst du brillant aus. Warst du in Niendorf?«

      »Ich kann dir die Geschichte erzählen. Sie ist –«, er lächelte mühsam, »– ganz nett. Ich wollte Offizier werden und ich wurde es, so sehr der alte Herr vom Burstah schimpfte. Ich war bei den Wandsbeker Husaren und [66]bekannt im ganzen Nest. Auch bei den Mädchen, gerade bei den Mädchen. Nun war da eine angehende Lehrerin, Hamburgerin … Die Hamburgerinnen, sage ich dir, wir erzählen immer von Sizilien und den Spanierinnen, von der Rachsucht der Weiber dort, nun, meine Mieke, ich sage dir, die hat mich ruiniert …«

      Er sah nicht sehr ruiniert aus. Ich sagte es ihm.

      »Doch! Doch! Ich werde es dir erzählen. Also es kam, wie es kommen СКАЧАТЬ