Krawattennazis. Peter Langer
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Название: Krawattennazis

Автор: Peter Langer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783942672870

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СКАЧАТЬ Doch Freese hatte ihn schon durchschaut. „Kennst du dich da überhaupt aus?“ Emde musste lächeln. „Ertappt. Ich habe eigentlich keine Ahnung. Ich kenne nur Billie Holiday.“ Er sah, wie sich seine Beifahrerin zu ihm hindrehte und die Augenbrauen nach oben gingen. „Respekt. Du kennst dich nicht aus, sagst du. Aber Billie Holiday kennst du? Woher das denn?“ Emde berichtete ihr von seiner Bekanntschaft mit Kleine und dessen nicht zu verachtender Sammlung an Jazzschallplatten. „Und Klassik. Der Typ liebt einfach gute Musik.“ „Gute Musik, na, wenn du das selber schon sagst.“ Sie schwieg. Dann beantwortete sie seine zuvor gestellte Frage. „Jamiroquai. Incognito. Daft Punk. Kann auch mal elektronisch sein, aber am liebsten schön locker tanzbar.“ Die Namen, die sie nannte, kannte Emde. Vor allem Jamiroquai. Das war doch dieser Typ mit der Strahlenkrone. Oder es war, er musste sich korrigieren, der Name der Band des Typen mit der Strahlenkrone. Emde erinnerte sich an verstörend elegant wirkende Tanzeinlagen in fernvergessenen Videos, die damals in den frühen neunziger Jahren so anders waren als das damals übliche Herumgehopse zu Hip-Hop oder das Wüten von Metalfans. „Meine erste CD war von Soul II Soul. Ich fand damals den Titel ‚Keep on Moving‘ einfach unschlagbar.“ Soul II Soul? Auch da meinte Emde, eine entfernte Erinnerung zu haben. Irgendetwas mit einem satten Bass. Eine Sängerin mit dunklen Rastalocken. Immerhin gerade noch am Rande seiner ‚Achtziger‘. Aber nichts, was auf den Scheunenpartys lief, die er in glückseligen Jugendtagen besucht hatte. Damals wurde etwas derbere Kost bevorzugt. Etwas, das zu aufgeplatzter und zerbrutzelter Grillwurst, Dosenbier und Lederkutten mit Aufnähern passte. Der letzte Cowboy, der aus Gütersloh kommt, einsam und immer unterwegs ist und den letzten Keks knabbert. Von der Thommie Bayer Band. Schon verrückt, aber manchmal sangen sie es heute noch, wenn sie bei Weihnachtsfeiern wieder ein Glas zusammengepanschtes Zeug zu viel getrunken hatten oder wenn auf dem Lenkenberg das Osterfeuer so weit heruntergebrannt war, dass keine Gefahr mehr bestand und auch die Freiwillige Feuerwehr zur ‚Feierwehr‘ wurde.

      Ihre Frage riss ihn aus dem süßen Schwelgen seiner Erinnerung wieder in die Gegenwart. „Was war deine erste CD, die du dir gekauft hast?“ Emde überlegte, ob er das sagen durfte. Sie würde ihn auslachen. Und schon morgen wüsste es sein ganzes Team, ganz sicher: Guck mal da, der Emde, weißt du, was der hört? Boah, schlimmer noch als Pur! „Nun, das war eigentlich keine CD. Damals gab es nur die Wahl zwischen Single, Maxisingle und Langspielplatte.“ Noch hielt es ihn zurück. Dann war es raus. „Meine erste Single war High on Emotion“. Sie überlegte. „High on Emotion? Ist das nicht von …“, sie zögerte, „Chris de Burgh?“ Emde nickte und spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Jetzt wird sie mir sagen, dass der nur noch Partys im Altersheim beschallt. Aber verdammt, dieser Titel war echt gut, damals, 1984. Genauso, wie 1984 einfach ein gutes Jahr war, das Orwelljahr, vor dem alle Angst hatten, und das dann doch um so vieles entspannter verlief. Doch Nora Freese lächelte, blickte zu ihm herüber und erteilte ihm die Absolution: „Immerhin, kein Stück, für das man sich heute schämen müsste.“

      Kapitel 7

      Sie erreichten die Gemeinde Diemelsee gegen halb sechs. Noch eine halbe Stunde bis zur Ratssitzung und Kleine, der regelmäßig solche Veranstaltungen besuchte, hatte vorher den Tipp gegeben, etwas früher da zu sein. Denn je nachdem, welche Punkte auf der Tagesordnung standen, konnte es auf den freien Plätzen für Presse und Öffentlichkeit schon mal etwas enger werden. Und das war regelmäßig der Fall, wenn es um die Grube Christiane ging. Der Journalist wartete an der Bushaltestelle unweit eines ehemaligen Gasthauses an der Straße nach Flechtdorf, als die beiden Polizisten in Emdes Auto um die Ecke bogen. Das Innere der Bushaltestelle war mit einem überdimensionalen achteckigen Wappenstern von Waldeck auf gelbem Grund bemalt. Nur wenige Meter weiter stand der Stromkasten mit dem missratenen Davidstern. Emde verfluchte sich gedanklich – er hatte die Information noch nicht weitergeleitet. Doch innerlich wusste er bereits jetzt, dass sich nicht viel tun würde. Man würde es zu den Akten legen. Täter konnte nicht ermittelt werden. Sie haben doch wohl keine Fragen, Emde, oder? Guter Mann! Die hoch aufragende Gestalt von Kleine im langen Mantel hatte durch den Wappenstern hinter ihm etwas Aristokratisches. „Ist das der Typ, von dem du gesprochen hast? Der Jazzfan?“, fragte Nofri. Emde nickte. „Das ist Paul Kleine.“ Er zögerte, blickte kurz auf die Uhr. Nein, die Zeit reichte jetzt nicht mehr zu einem Gespräch. „Ich stelle euch bei anderer Gelegenheit mal richtig vor“, entschied er. Sie stiegen aus. Kleine starrte Nora Freese erstaunt an und lächelte ein verhaltenes Begrüßungslächeln, das Emde noch nie auf dessen Gesicht gesehen hatte. Nofri lächelte zurück. Nicht ohne einen leisen Anflug von Neid musste Emde anerkennen, dass sich die beiden bestimmt mehr zu erzählen hätten, als sich nur die Tageszeit zu nennen. Kleines eigener Wagen, ein blauer Kombi nicht mehr ganz neuen Datums, stand ein paar Meter weiter die Straße hoch in Richtung Adorf.

      Während seine Mitarbeiterin sich ohne viele Worte verabschiedet hatte und nach Korbach weitergefahren war, kamen Kleine und Emde nach wenigen Minuten in Adorf an. Der Hauptkommissar berichtete von den Ergebnissen des Tages. Jetzt bin ich nur noch mit einem Freund auf dem Weg zu einer lokalpolitischen Veranstaltung, dachte er. Kleine hat mehr Ahnung davon, würde federführend zuhören und ihn, Emde, darauf aufmerksam machen, wenn er in der komplizierten Verwaltungssprache etwas heraushören würde, was von Bedeutung sein könnte. Fühlt sich zwischendurch gut an, Verantwortung abgeben zu können. Emde hatte während des Gesprächs mit Döhrenbach am Nachmittag übersehen, dass der ballistische Bericht eingegangen war. Die Kugel, zumindest das, was von ihr übrig geblieben war, war eine .223 mit grain 77, Kaliber 5,56 x 45 mm. Die Standardmunition der Nato, allerdings mit etwas erhöhtem Bumms für größere Distanzen. Lieberknecht war tatsächlich, wie Meistermann vermutet hatte, mit einem Jagdgewehr erschossen worden. Die Experten tippten auf eine Remington 700, ein einfaches, robustes Gewehr, das in Jägerkreisen, aber auch bei Scharfschützen einen ausgezeichneten Ruf besaß und bei verschiedenen Streitkräften im Einsatz war. Keine Informationen jedenfalls, die die Ermittlungen erleichtern würden. Und das wirklich Schlimme daran: Diese Waffe war in Deutschland bei Vorlage der entsprechenden Papiere frei zu erwerben.

      Die Ratssitzung, die gewöhnlich im Gemeindezentrum tagte, fand wegen des zu erwartenden großen Zuspruchs in der Dansenberghalle statt, einem Mehrzwecksaal mit dem spröden, schnörkellosen Charme der frühen achtziger Jahre. Mal wurde der Raum als Festsaal genutzt, mal als Kinosaal, mal als Sporthalle, wie der Linoleumboden und die dort aufgebrachten Spielfeldmarkierungen bekundeten, mal für eine Discoveranstaltung, in deren Verlauf dann draußen vor dem Haus hin und wieder mehr Blaulicht flackerte als drinnen durch die Spots und die Discokugel. Der weitläufige Parkplatz davor war einmal im Jahr Schauplatz eines Kram- und Viehmarktes und seit einigen Jahren auch eines sehr erfolgreichen Traktorenkinos, bei dem große und kleinere Traktoren im Kreis aufgestellt wurden und mitunter ganze Familien in den geöffneten Fahrerkabinen saßen und – einem Autokino gleich – einen Film sahen, der meistens ein Kultfilm war, der mit viel PS zu tun hatte. ‚Convoy‘ etwa mit Kris Kristofferson. Jetzt war die Halle eben ein Ratssaal. Der war bereits gut gefüllt. Während die Ratsdamen und -herren der verschiedenen Fraktionen an Tischen saßen, die zu einem offenen Hufeisen zusammengestellt waren, hatten die weiteren Gäste, Zuhörer, Bürger und zwei Journalisten der beiden größten Tageszeitungen in der Region, auf Stühlen mit festmontiertem Klapptischchen Platz genommen wie bei einem Volkshochschulkursus für kreatives Schreiben. Kleine und Emde kamen beinahe als Letzte. Vor der Tür standen nur einige versprengte Besucher, die noch auf die Schnelle eine Zigarette rauchten. Man wusste ja im Vorfeld nie so genau, wie lange so eine Sitzung dauern würde – und gleich der erste Tagesordnungspunkt versprach einen hohen Unterhaltungs- und Empörungswert. Drinnen ergatterten sie noch zwei Stühle – einige Plätze auseinander. Zwar wussten viele in der Gemeinde, dass der Ermittler und der Journalist miteinander befreundet waren. Aber es musste ja nicht sein, dass die Öffentlichkeit so offenkundig mitbekam, wie sie sich während der Sitzung Informationen zukommen ließen. Insgeheim war Emde froh, dass auch Nofri nicht genauer nachgefragt hatte.

      Kleine legte sich Block und Kugelschreiber zurecht und überflog kurz die Tagesordnung, die er mitgebracht, die aber auch auf einem kleinen Tisch am Eingang zum Saal bereitgelegen hatte. Etwa zehn Meter von ihm entfernt, vor einer Fensterreihe, saßen die Mitglieder der Fraktion der Grünen. Am Diemelsee waren СКАЧАТЬ