Krawattennazis. Peter Langer
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Название: Krawattennazis

Автор: Peter Langer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783942672870

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СКАЧАТЬ an. „Ich habe hier nur einmal Emde …“, begann er seinen Satz unsicher und mit der brüchigen Falsettstimme eines jungen Erwachsenen. Emde drehte die Augen zur Decke. „Kommissarin Freese ist meine Assistentin in den Ermittlungen.“ Sein Ton ließ keinen Zweifel daran, dass er die Rückfrage des jungen Mannes für eine peinliche Entgleisung hielt und sie absolut daneben fand. Doch im gleichen Augenblick ärgerte er sich schwarz. Ermittlungen? Welche Ermittlungen? Dieser Bursche dürfte kaum wissen, was der Grund ihres Besuchs bei Prospersoil war. Nun wusste er es und würde es herumerzählen. Leute, die Prospersoiltypen haben heute Besuch von den Bullen bekommen! Doch, doch! Als Nora Freese mit einer elegant-fließenden Bewegung lautlos ihren Dienstausweis auf den Tresen legte, wurde der Mann vollends blass. Auch das würde er nicht für sich behalten können, eine African Queen, Alter, so etwas habe ich noch nicht gesehen! Ein Telefonhörer war plötzlich an sein Ohr gezaubert, auf einem unsichtbaren Telefon wurde eine Durchwahl gewählt. Nur zwei Minuten später öffneten sich vor ihnen die Fahrstuhltüren in den dritten Stock: Über einen geräumigen Flur mit dezenter Beleuchtung und Teppichboden mit tiefem Flor kam ihnen ein Mann etwa um die Dreißig in einem perfekt sitzenden, modisch-taillierten grauen Anzug und weißem offenen Hemd entgegen. Er hatte eher etwas von einem Startrompeter als von einem Büroarbeiter, dachte Emde und verfluchte sich zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten – er hätte Döhrenbach vorher googeln müssen! Aber offensichtlich schien dies tatsächlich der Sprecher von Prospersoil zu sein. Wie ein Schwert hatte er bereits zehn Meter zuvor seinen rechten Arm zum Gruß ausgestreckt und schien Emde zunächst gar nicht wahrzunehmen. „Frau Kommissarin Freese, es ist mir eine außerordentliche Freude …“ Das freundliche Lächeln erinnerte Emde an das Jungengesicht auf den Pappschachteln von Kinderschokolade. Es schien beinahe echt. Dann war er an der Reihe. „Hauptkommissar Emde. Willkommen bei Prospersoil. Nun, es sind tragische Umstände, die uns zusammenführen, aber was wir tun können, um Sie bei den Ermittlungen zu unterstützen, das wollen wir tun. Auch in unserem Interesse.“ Seine Hand, die vorher wie eine Waffe auf sie gerichtet war, wies ihnen nun den Weg den Gang hinunter.

      Die beiden Besucher wurden in ein nüchternes Besprechungszimmer geführt. Dort standen bereits mehrere Tassen, eine Kanne Kaffee und eine Schale mit Gebäck bereit. Die Wände zierten riesige Panoramafotos von Bohrinseln in stürmischer See, Grubenarbeitern mit rußgeschwärzten, verschwitzten Gesichtern, die im fahlen Licht der Helmbeleuchtung Kohle abschürften, einem Park mit Windkraftanlagen in einer Wüste und von einer Ölförderanlage, in deren Vordergrund ein Mann mit rot-weißer Kufiya auf dem Kopf und strahlend weißem ­Dischdasch zu sehen war. Genau nach Proporz ausgewählt und sehr beeindruckend, dachte Emde. See, Erde, Wind, Öl. Nordsee, Amerika und Persischer Golf, alles dabei. Döhrenbach griff nach einer Fernsteuerung. Lautlos schlossen sich die Lamellen der Jalousie vor der bodentiefen Glasfront, während sich die Raumbeleuchtung an der Decke langsam aufblendete. Weichfließendes, angenehmes indirektes Licht flutete aufwärts und füllte den Raum. Sie nahmen Platz. „Also …“, begann der Pressesprecher und faltete die Hände, als wolle er eine Beichte ablegen. „Über die Fakten wissen wir natürlich bereits, was in der Presse stand. Was also können wir für Sie tun und was können Sie uns sagen, wie Herr Lieberknecht verstorben ist?“ Täuschte Emde sich da oder nahm er gerade den Anflug von Nervosität wahr? Nein, er täuschte sich nicht, denn Nofri hatte es ebenfalls bemerkt und preschte bereits vor: „Herr Döhrenbach, was macht Sie denn gerade so nervös?“ Richtige Frage, denn der Pressesprecher zuckte kurz zusammen, fing sich dann aber mit einem Lächeln, das jede unverbindliche Kinderschokolade-Freundlichkeit verloren hatte. „Nervös? Ach was, das täuscht. Wer ist denn hier nervös?“ Er zögerte, war sich offenbar bewusst, dass er im Begriff war, auf ganz kurzen Beinen zu lügen, fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Dann entschied er sich für Offenheit. Zumindest für etwas, was er für den Augenblick dafür hielt. „Wissen Sie, Nervosität kann man das nicht nennen. Aber seitdem wir die Nachricht bekommen haben, dass Herr Lieberknecht einem, nun ja, kann man das so sagen? Mord?“ Emde nickte. Diese Tatsache war geklärt und konnte ruhig das Licht der Welt erblicken. „Nun … einem Mord zum Opfer gefallen ist, herrscht hier schon eine gewisse Unruhe. Wie Sie ja sicher bereits wissen, weil es eben im Internet ohne Probleme zu recherchieren ist, war Herr Lieberknecht sehr involviert in das Projekt der Wiederinbetriebnahme der Grube Christiane.“

      Döhrenbach stoppte, blätterte in einigen Papieren und gab einen kurzen Überblick über das Projekt. Emde fiel auf, dass er die Streitigkeiten, die sich seit der ersten Erwähnung des Vorhabens in der lokalen Presse am Diemelsee abspielten, mit keinem Wort erwähnte. Auch nicht, dass es bereits zum Austausch verbaler Freundlichkeiten mit einigen Einheimischen gekommen war. „Tja, und auch dieser Standort hier in Kassel ist sehr eng mit dem Erfolg des Projekts verbunden.“ Emde machte sich Notizen, dann stoppte sein Kugelschreiber. „Heißt: Geht das Ding in die Hose, können Sie einpacken?“ Döhrenbach zögerte, nickte dann aber beinahe unmerklich. „Wie viele Jobs hängen da dran?“, fragte Emdes Kollegin. Der Pressesprecher überlegte kurz. „Wir sind hier knapp 25 Personen, hinzu kommen noch derzeit 13 Freelancer, die nicht fest zum Unternehmen gehören.“ Emde stutzte. Womit waren 38 Personen beschäftigt, wenn es nur um die Projektierung eines Vorhabens ging? Nora Freese hatte den gleichen Gedanken zur selben Zeit und stellte die Frage laut. Doch der Sprecher schien darauf vorbereitet. Er lächelte, als würde er eine Weihnachtsüberraschung bereithalten und zauberte aus einer bereitliegenden eleganten Ledermappe einen Organisationsplan des Unternehmens.

      Was folgte, war eine Kurzeinführung in die Geschichte und Struktur von Prospersoil. Und wieder, dachte Emde, verkauft er uns das Unternehmen als absoluten Heilsbringer für die gesamte Menschheit. Sein Job, sein Territorium, dafür wird er bezahlt und verdient wahrscheinlich ein Gehalt, von dem er, Emde, als Hauptkommissar nur träumen konnte. „Und hier …“, Döhrenbachs Finger deutete auf ein kleines blaues Rechteck am Rande der Grafik, „hier befindet sich der Standort Kassel, gleichzeitig auch Sitz der hundertprozentigen deutschen Tochter von Prospersoil, der Prospersoil-Germany.“ Die beiden Ermittler beugten sich über die Darstellung und versuchten, einen nachhaltigen Überblick über das Unternehmen zu gewinnen. Was ihnen nicht gelang. Was Freese und Emde dagegen sahen: Niederlassungen, nicht nur, wie sie bereits wussten, an exotischen Orten, in denen man es mit der Steuererhebung nicht allzu genau nahm, sondern auch auf nahezu jedem Kontinent. Zu den Projekten zählte die Erschließung oder auch Rückerschließung von Gold- und Diamantminen in Südafrika, Gasfeldern in der Nordsee und in Sibirien. Es hatte eine Anfrage für Projektbetreuung bei der Erschließung eines Gasfeldes vor Zypern durch die Türkei gegeben. Richtig, darüber hatte Kleine mal etwas erzählt. Offenbar ein nicht ganz unstrittiges Thema dort unten, da das entsprechende Seegebiet weit vor der Küste verschiedener Staaten, unter anderem Israels und Libyens, lag. Diese Länder waren eben auch bereit, das Gebiet ihren Festlandsockeln anzuschließen, und die Sicherheit der Erdgasförderung dort draußen auf See und damit die Staatseinnahmen mit entsprechend ausgestatteten Marineeinheiten zu sichern und im schlimmsten Fall zu verteidigen. „Wir sind hier natürlich in der Hauptsache mit der Erzgrube am Diemelsee beschäftigt“, nahm Döhrenbach den Faden wieder auf. „Aber wann immer es um rechtliche Angelegenheiten anderer Projekte geht, die die Bundesrepublik Deutschland oder deren Interessen betreffen, kommen wir auch ins Spiel.“ Nofri sah auf. „Das heißt, Sie betreiben so eine Art Lobbyismus für diese Projekte?“ Döhrenbach nickte mit einem milden Lächeln, das jeder Buddhastatue Ehre gemacht hätte. „Ganz genau. Hier geht es mitunter um sehr, sehr große Summen und Projekte, die den langen Atem vieler Jahre brauchen.“

      Emde räusperte sich. „Nun, Herr Döhrenbach. Ich hätte jetzt eine Frage an Sie, die Sie sicher aus den meisten Fernsehkrimis kennen: Was glauben Sie, wer hätte ein Motiv, Carl Lieberknecht tot sehen zu wollen? Und wem könnte es recht sein, wenn das Ganze auch wie ein Mord aussieht? Immerhin wurde ihm zuvor schon mal Gewalt angedroht.“ Emde spürte, wie Nofri neben ihm begann, leicht mit dem feuerverzinkten Stahlrahmen des edlen Mies van der Rohe-Stuhls zu wippen. Der Pressesprecher überlegte und schürzte die Lippen, schüttelte zunächst den Kopf, schien sich dann aber an etwas zu erinnern und etwas sagen zu wollen. Doch noch hielt er damit zurück. Emde wurde ungeduldig. Baute sich der Mann eine Antwort zurecht? „Nun?“, hakte der Ermittler nach. „Wissen Sie …“ Der Pressesprecher holte tief Luft, bevor er weitersprach. „Diese Bedrohungsgeschichte damals, die Sie СКАЧАТЬ