Verlogen, dumm und unverschämt. Christof Wackernagel
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Название: Verlogen, dumm und unverschämt

Автор: Christof Wackernagel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Essay-Reihe

isbn: 9783944369518

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СКАЧАТЬ selbstverständlichkeiten – für die wächter –, wie ich sie jeden tag zu hören gezwungen bin, weil ich gegenüber des »dienstzimmers« bin; sie sind zwar nicht charakteristisch für den ton mir gegenüber (manche ham’s am anfang auch bei mir so versucht, aber, bezeichnend für die ausgangslage mir gegenüber, sich diesen ton verkneifen müssen – ausgerechnet so einem terroristen gegenüber), aber allgemein wichtig, denn das ist nicht der normale ton (und die struktur), sondern ausdruck der methode, mit der gefangene, die nicht funktionieren, für den angepaßten »normalvollzug« weichgeklopft werden sollen:

      – morgens wird hier zusätzlich noch jede tür aufgeschlossen und ein schneidiges »guten morgen« im barraston gewünscht (demonstration der verfügbarkeit, bei mir zum glück aus sicherheitgründen nicht, weil sie nicht genug leute haben), wer aber trotz schrillem dreiklang und grellem neonlicht noch nicht aus dem bett gesprungen ist, wird mit »los, los, dalli, dalli, aufstehn, aber ’n bißchen schnell jetzt« und ähnlichem hochgescheucht.

      –leises gemurmel eines gefangenen (daran, daß ich noch nie einen gefangenen verstehen konnte, kann man ermessen, wie unnatürlich laut die wächter immer reden), antwort: »ich hab sie heut morgen schon belehrt, jetzt läuft nichts mehr, los, ab in die zelle, aber schnell, los.«

      –»machen sie das hemd in die hose – so läuft man hier nicht rum.« (haben sie bei mir auch versucht, als ich auf dieser station ankam – bei der andern nicht –, »wie ein normaler mensch« solle ich rumlaufen; ich weigere mich, und nach 6 wochen haben sie es aufgegeben, mich für den weg zur besuchszelle dazu zwingen zu wollen …)

      –»rechtsanwalt ist da, stehn’se vom stuhl uff, hopp, hopp.«

      –»friß nicht so viel.«

      –»sie sind ja zu blöd zum denken.«

      –»hausarbeiter!«, pause: »hausarbeiter!!!«, ein entferntes »ja«, darauf ein charakteristischer hundepfiff (in gleichem ton einmal lang, mehrmals kurz) – und der hausarbeiter kommt: gerannt.

      es gibt in anderen gefängnissen immer mal wieder dumme sprüche, aggressionen, konfrontationen – aber ich habe es bis jetzt noch nirgendwo erlebt, daß wie auf dieser station permanent höchststufe gefahren wird, das ist auch nur als sondermaßnahme gegen besondere gefangene möglich (und auch gegen die nur eine zeitlang, würden sie dauernd hierbleiben, würden sich weniger rabiate strukturen automatisch herausbilden, weil beide seiten sonst nicht überleben könnten – gegen immer neue ist das aber drin und wird von den wächtern offensichtlich als lust empfunden: »erstmal zeigen, wo der hammer hängt« etc., befriedigung von machtgelüsten), als rechtfertigung nannte ein wächter in einem der beiden gespräche, die ich bis jetzt je 5 minuten lang mal führen konnte und in denen ich einige informationen herauslocken konnte, es sei hier eine »besondere station« (welcher art genau, wollte er nicht sagen!), in der ein »besonderes kommando« seinen dienst tue, das erstens »besonders ausgebildet« sei, zweitens stärker besetzt als auf anderen stationen (drei bis vier anstatt zwei), drittens immer gleich bliebe (im gegensatz zu andern stationen) und viertens: »die gefangenen erziehen« wolle.

      3. was dazu noch extra gegen mich läuft:

      also genau die richtige station für einen »gefährlichen terroristischen gewalttäter«, wie ich es bin. die einzige station in diesem knast, in der 50 % der maßnahmen, die sonst extra für mich eingeführt werden müßten, strukturell schon vorhanden sind oder ohne großen zusätzlichen aufwand durchgezogen werden können – und dabei als »normal« bezeichnet werden können, auch und gerade wenn sie selbst die vom olg bestimmten haftbedingungen weit überziehen. hier bedeutet es, mehrmals pro stunde ausgiebig betrachtet zu werden, nebenher bei ihrer arbeit, insoweit sie sich sowieso auf dem gang abspielt, aber auch zusätzlich, da es ja nur drei schritte vom »dienstzimmer« zu meiner zelle sind, man kann die schritte übrigens sehr deutlich hören, wie man überhaupt alles sehr deutlich hören kann, nicht zuletzt am quietschen der gummisohlen. rekord war bis jetzt in einer stunde, in der ich mal vor wut nichts anderes machen konnte und nur darauf geachtet habe: 7 – sieben – mal, das scheint normal zu sein, denn ich achte ja nicht immer so genau drauf, und es wäre je ein zu großer zufall, wenn ausgerechnet dann mehr als sonst wäre, manchmal bleiben sie auch eine zeitlang vor der tür stehen, klappern mit den schlüsseln oder flüstern, wenn sie zu zweit sind – als ich mal mittags versuchte, etwas zu schlafen, und sie in abständen von 5 minuten zum dritten mal ankamen und ausgiebig zu zweit, flüsternd und schlüsselklappernderweise, mir beim schlafen zuschauten, habich’s dann fast platzend vor wut aufgegeben: es ist, als würde einem einer mit einer spritze tröpfchenweise aggressiv machendes aufputschmittel einflößen, es legt sich eine plastikhaut über einen und lähmt, blockiert alles; wenn du es nicht schaffst, nicht drauf zu achten, es dir scheißegal sein zu lassen (was ich die meiste zeit natürlich hinkriege, sonst wäre ich längst verrückt geworden), dann fixiert sich alles auch nur noch darauf und bläst dir jeden andern gedanken aus dem kopf, es ist eine der methoden, gezielt aggressionen zu erzeugen, um – wenn sie dann mal unkontrolliert aus dem gefangenen ausbrechen, der wächter angegriffen oder auch nur beschimpft wird, oder der gefangene was zusammenschlägt –, eine legitimation für weiteres zudrehen der schraube zu kriegen und außerdem nachträglich die begründung für die maßnahme selbst bestätigt zu kriegen, sozusagen typischer fall von »self-fulfilling-prophecy«. nachts läßt das aber nicht nach, sondern steigert sich teilweise sogar noch, da sie da überall reinglotzen und deshalb, wenn es extrem kommt, jedes mal, wenn sie eine tour durchhaben, wieder von vorn anfangen, quietsch quietsch quietsch, stop, quietsch quietsch quietsch, stop, usw., bis er dann an die eigene zelle kommt – nachts ist das ja besonders deutlich zu hören, normalerweise ist es aber z. b. zwischen 22 und 23, wo ich immer noch wach bin, »nur« viermal; besonders scharf sind sie dabei auf selbstgemachte kerzen, die übrigens in anderen knästen gang und gäbe sind – außer in düsseldorf, wo man eh so lange licht anhaben konnte, wie man wollte. ins nichts reden und aus dem nichts wütende repliken erhalten: das ist viel schlimmer als 1984: das ist 1981 normal – inzwischen kann ich nur noch weiter drüber nachdenken, wie man so schnell wie möglich ein system beseitigen kann, restlos wenn’s geht, das in kürze solche strukturen nicht nur in knästen als normalzustand haben wird.

      zur überwachung gehört als letztes aber auch noch das – natürlich nicht beweisbare – abhören mit der anlage, wer das als erstes dementiert, hat allen grund dazu, warum soll das nur dann gehen, wenn ich am anfang einen knopf gedrückt habe, wenn im verlauf des gespräches selbst auch mein sprechen von außen möglich gemacht wird? und seit wann werden technische möglichkeiten (das hier ist ja auch offiziell eine »spezialanlage« – man müßte, falls es wirklich bei den anderen nicht möglich sein sollte, nur ein drähtchen umlöten) nicht ausgenutzt und dann auch noch bei uns, wo eh alles erlaubt ist? mit »flucht- und suizidprophylaxe« können sie das hinterher jederzeit rechtfertigen, wenn es rauskommen sollte.

      abgesehen von diesen überlegungen habe ich aber auch schon mal was gesagt und eine antwort bekommen, ohne daß ich am anfang den knopf gedrückt hatte, durch den sie draußen erst die möglichkeit zum hören bekommen sollten, angeblich, ich glaube auch nicht, daß sie ständig abhören, sondern nur stichproben machen, erkennen läßt sich das vor allem an unregelmäßigem rauschen, knistern, pfeifen oder knacken, das ebenso unmotiviert anfängt wie aufhört, manchmal, nachdem ich gerade gerülpst, gehustet oder laut geflucht habe, weil ich mich z. b. verschrieben habe: könnte also sein, daß sie das fluchen original hören und dann mal nachhorchen, was los ist. der gipfel in dieser beziehung war bis jetzt auch einmal so ein knacken und rauschen – und dann plötzlich eine telefondurchsage:»kein anschluß unter dieser nummer« … wenn sich das einer als schikane ausgedacht hätte (ist ja ein kommunikationsgerät, das diesen inhalt einem totalisolierten mitteilt), wäre es eine meisterleistung – als querschaltung ist es ein beleg fürs abhören.

      die überwachung funktioniert aber auch »umgekehrt«: durch eine art zwang zum zusammenleben – mit den bewachern! ich liege nämlich weniger deshalb gegenüber zum »dienstzimmer«, damit sie schneller СКАЧАТЬ