Verlogen, dumm und unverschämt. Christof Wackernagel
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Название: Verlogen, dumm und unverschämt

Автор: Christof Wackernagel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Essay-Reihe

isbn: 9783944369518

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СКАЧАТЬ wir da auch zu ergebnissen kamen, daß es länder gibt, in denen wir uns nicht bewaffnen, zeigt am besten das beispiel der verhafteten und nicht ausgelieferten guerillas aus der raf in jugoslawien. in holland mußte das natürlich gänzlich anders aussehen, nachdem über so dümmliche propaganda, wie die, die raf wolle ihren prinzen oder hätte diesen entführt, die bka-rollkommandos sich im land festgesetzt hatten, wo sie vor allem schon während der schleyerentführung den büttel für eine von der nato betriebene fahndung gemacht hatten, bis in ihr letztes landwirtschaftliches gehöft hinein; trotzdem haben wir es noch nie als unseren job verstanden, den bewaffneten kampf in holland zu führen – die widersprüche, die sie nicht lösen können, in der weise zuzuspitzen, machen diese länder schon selber –, wenn, dann sind es immer andere gründe, wegen denen wir uns in solchen ländern aufhalten. etwa struktur, internationale kontakte zur vereinheitlichung einer widerstandsfront auf dem kontinent gegen die hauptfeinde von uns allen: die achse bonn-washington etc. pp., da stehen wir im übrigen in keiner anderen tradition als die der kpd, die nach der machtergreifung hitlers und vor der militärischen besetzung hollands von dort – natürlich nicht nur von dort – den widerstand in verschiedenen bereichen organisiert hat. das heißt, es gab also noch ne ganze menge politischer gründe – außer den bereits grundsätzlich genannten –, einer konfrontation mit dem holländischen repressions-apparat auszuweichen, wenn wir auch sehr lange zuvor wußten, daß dieser holländische nationalstaat im prozeß der westeuropäischen integration von der brd ausgehöhlt wurde, allerdings nicht um sein morsches gerüst vollends zu zerstören, sondern es funktional zu machen für eine krisensteuerung vor ort, denn soviel hat diese brd schließlich aus der geschichte gelernt: mit truppen und direktiven allein aus berlin oder bonn ist es nicht getan.

      das andere ist die wohnung, schließlich weiß man in so ner telefonzelle nicht nur nicht immer gleich, was so ein bulle will, vielleicht mißverständnis etc., sondern man weiß auch nicht, ist die wohnung um die ecke schon hoch oder sowas, und das ist nicht einfach die frage von wohnung etc., sondern davon, wer von uns noch hinkommen könnte (also auch exekutiert werden könnte), infos, operatives wissen etc., überhaupt die ganzen nachteile der fahndung: halt all das, was durch ne vorschnelle schießerei und vor allem bei ner erschießung eines bullen in bewegung geraten kann.

      es ist also nicht nur grundsätzlich so, daß wir dieses niveau der auseinandersetzung mit dem repressionsapparat nicht wollen, sondern im normalfall schadet es uns ganz konkret, wirft uns immer ein stück zurück, politisch, strukturell etc., selbst wenn es gut ginge aus rein militärischer sicht, wenn es also einen willen der gruppe gibt, den der einzelne vermittels seiner politischen identität hier in seinem konkreten handeln verwirklicht, dann kann es nur der sein, alles ihm mögliche zu tun, der konfrontation mit der ganzen list und flexibilität unserer taktik soweit es geht und so gut es geht auszuweichen, wenn das auch durchaus seine grenze hat.

      ich möchte das mal an ein paar beispielen verdeutlichen, aus anderen zuvor gelaufenen situationen, die wir gemeinsam besprochen haben, es sind erfahrungen, die in der illegalität ständig oder zumindest nicht nur einmal von jedem gemacht werden.

      a. wir fuhren im auto … verkehrskontrolle … aber woran soll man das heutzutage auf die schnelle erkennen … 12-15 bullen mit mp … sie winken uns raus … was jetzt tun … durchstarten: dann gibts zwar sicher ne schießerei, aber die militärischen chancen sind dann größer davonzukommen, als wenn man anhält und mit den papieren doch hängenbleibt … in der unmittelbaren nähe ist ne wohnung gewesen, wenn es ne schießerei gegeben hat, war die sicherlich auf jeden fall hochgegangen mitsamt leuten darin … was tun? – die entscheidung lief letztlich über den faktor wohnung: also anhalten … 5 km/h zu schnell gefahren, mit etwas gequatsche und 20 dm war die Sache erledigt.

      b. diese geschichte ist auch im spiegel nachzulesen, man muß sie mit schmunzeln auf den lippen erzählen … also: auf dem weg, wo schleyer angeblich zu seiner arbeit fuhr, sei eines abends von einem kleinbürger, der etwas aufgebracht und aufgehetzt sein mußte, bei der kölner polizei angerufen worden, vor seinem hochhaus stünde ein alpha mit zwei frauen davor, was wohl terroristinnen sein müßten … kölner bullen gleich mit voll einsatz hin … und was haben die frauen entgegen aller »draufknallraster« gemacht? neeein, sie haben »nicht die waffen gezückt«, sondern gleich so zwei jungsche knechte in uniform zum autoreparieren und abschleppen eingespannt … jeder im raum stelle sich die verantwortung vor, die auf ihnen gelastet hat … was wär gewesen, wenn es zu ner schießerei gekommen wäre … dann würd ja möglicherweise schleyer immer noch seinen finsteren machenschaften in den konzernhierarchien und chefetagen imperialistischer macht unbehelligt nachgehen können … das revolutionäre proletariat auf jeden fall hätt diesen fehler der raf nicht so leicht verziehen, eine sünde am proletarischen internationalismus.

      daß wir in dieser spezifischen holländischen konstellation den politischen willen der gruppe verwirklicht haben: indem wir den konfrontationszeitpunkt auf dieser ebene so weit wie möglich und vertretbar rausgeschoben haben und damit den politischen willen der gruppe, ihr ziel, zu ihrem ureigensten gemacht haben, steht für mich hier außer frage, aber die konfrontation rauszuschieben, um bessere bedingungen für politisches handeln zu haben, hat nichts mit hadern zu tun oder sich die gesetze des handelns vom gegner aufzwingen zu lassen, es findet seine äußerste und allerletzte grenze da, wo das hadern und nicht-handeln zum selbstmord wird, richtiges politisches militärisches handeln heißt auch, im richtigen moment zu handeln, und dann vor allem umso entschlossener, das ist die lehre, die von der revolution in einem noch viel weitergehenden sinne nutzbar gemacht werden muß.

      ich weiß, daß ich bisher nur zu einem kleinen teil gekommen bin von dem, was in diesem prozeß noch zu sagen wäre, doch dies hier ist ein prozeß, der nie aufhört, wie groß der aufwand, uns zu zerstückeln in personen, delikte, selbst in unseren sätzen, wörtern und buchstaben etc. auch sein mag.

      – UNSERE SACHE IST BEWAFFNETER PROLETARISCHER INTERNATIONALISMUS IN DER METROPOLE BRD

      – UM ES MIT FIDEL ZU SAGEN: DIE GESCHICHTE WIRD UNS FREISPRECHEN

      WIR SIND SICHER, DASS WIR SIEGEN WERDEN.

       Frankenthal-Bericht

       Beschreibung der Sonderhaftbedingungen in der Justizvollzugsanstalt Frankenthal 1981

      1. die allgemeine situation, wie sie für alle gefangenen gilt:

      schon aus der luft sieht das ganze aus wie ein modell in der landschaft, 5 oder 6 rechteckige kästen mit einer mauer drumrum, geschlossene blöcke, zugemauerte klotze – erst wenn man näher rankommt, kann man erkennen, daß es vier stockwerke fensterreihen gibt, die aber zu 50 % mit breiten, von oben nach unten verlaufenden betonträgern ohne querverstrebungen verschlossen sind. da alles mit einem durchgehenden einheitsgrau verputzt ist, sieht es so aus, als seien die geschlossenen wände der trakte nur von länglichen, schießschartenartigen luftschächten durchbrochen; direkt davorstehend kann man sich die fabrik vorstellen, in der die fertigbauteile hergestellt werden, wie riesige maschinen rechteckige betonstücke stanzen, aus denen dann die fassade zusammengesetzt wird, schön ein kästchen neben dem andern, eins wie das andre durch sauber verputzte verbindungslinien aneinandergeklebt. »anstaltsfremde besucher« werden von mehreren wächtern empfangen, von denen einer das übliche absonden mit gezogener (wahrscheinlich konsequenterweise auch entsicherter) pistole überwacht, eine rheinland-pfälzische spezialität, laut jumi sei das »weder eine bedrohung noch eine diskriminierung bestimmter besucher oder berufsstände«, sondern diene vielmehr der »fürsorge«, und zwar »der die durchsuchung vornehmenden beamten«. es hat ja schließlich auch noch keinen mcleod gegeben. in den gängen leicht beige abgewiegelte farben, »aufgelockert« von bildern von gefangenen an der wand, in gedämpften farben gehaltene »freizeitprodukte rehabilitierter«, auf die die beamten mit verhaltenem stolz verweisen, sie unausgesprochen als erfolg ihrer arbeit deklarierend; gummibäume in plastikkästen, adrette holztischchen mit roten, blauen und grünen stühlen davor, hübsch СКАЧАТЬ