Verlogen, dumm und unverschämt. Christof Wackernagel
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Название: Verlogen, dumm und unverschämt

Автор: Christof Wackernagel

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Essay-Reihe

isbn: 9783944369518

isbn:

СКАЧАТЬ Aufgabe ist es, bei diesem Prozess der Selbstvernichtung der Menschheit Menschen zu Marionetten zu machen. Sie ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Menschen sich das Leben zur Hölle machen, obwohl sie nach jahrtausendelanger Anstrengung endlich die materiellen Voraussetzungen geschaffen haben, das Paradies auf Erden zu verwirklichen.

      Das Buch beginnt mit Dokumentationen und Reflexionen über den bis heute letzten Versuch, diesen furchtbaren Prozess umzukehren: das verzweifelte Aufbäumen der Roten Armee Fraktion als bereits aussichtslosem Ausläufer der kulturrevolutionären Bewegung der sechziger und siebziger Jahre.

      Es folgen selbstkritische Betrachtungen, in denen die falschen Mittel von den richtigen Zielen unterschieden werden.

      Schließlich Beispiele dafür, dass das Bewusstsein von der Ungerechtigkeit auf diesem Globus in dem Maß gewachsen ist wie die Ungerechtigkeit selbst.

      Einige dieser Texte schafften es bis zur Veröffentlichung, einige führten zu Hasstiraden.

      So finden sich in diesem Band veröffentlichte, vor allem aber auch nicht veröffentlichte, gar mit Schaum vor dem Mund zurückgewiesene Kommentare.

      Das 1980 gegen mich geführte Verfahren wegen Mitgliedschaft in der RAF fand damals auch deshalb besonderes Medieninteresse, weil ich zehn Jahre davor noch der »deutsche James Dean« des Neuen Deutschen Films gewesen war, die Zeitungen schrieben: »Von Engelchens Welt in den Untergrund«, »RAF statt Hollywood«.

      Was ich mitzuteilen hatte, wurde freilich nicht referiert. Dieses Versäumnis wird hier im ersten Beitrag dieses Bandes nachgeholt:

      Auch wenn ich das Wesentliche, was ich in unserer »Erklärung zur Sache« sagte, heute nicht mehr mit den selben Worten ausdrücken würde, dokumentieren diese Überlegungen nicht nur eine damalige Haltung, sondern gewähren auch Einblicke in damals relevante Zusammenhänge und machen damit Handlungen aus diesen Jahren nachvollziehbar – ohne sie zu rechtfertigen, was man ja leider selbst heute immer noch dazu sagen muss. Vielleicht ist dieser Text sogar angesichts von IS mehr denn je virulent: »Die Geschichte wird uns freisprechen«.

      Die Aktionen der RAF waren ebenfalls höchst umstritten. Hier ist eine sehr ungewöhnliche Interpretation zu lesen – die Entführung und Ermordung Hanns Martin Schleyers als Gründungslegende der Bundesrepublik Deutschland: »Und Ödipus tötete Kain«.

      Die Haftbedingungen der Gefangenen aus der RAF waren ein höchst umstrittenes Thema – hier werden sie ausführlich beschrieben im »Frankenthal-Bericht«.

      Einerseits sind sich alle einig, dass Gewalt verabscheuenswert und zu verurteilen ist, andererseits kann sie sich im Fernsehen hemmungslos austoben: »›Im Schmerz geboren‹ – Der Film zum Krieg«.

      Wir haben dagegen in Wirklichkeit Kultur. Die geben wir – gratis! – weiter, wir zahlen sogar fürs Weitergeben. Da brauchen wir die davon Beglückten gar nicht vorher zu fragen. Die können froh sein, dass wir uns überhaupt um ihre kulturelle Erweckung kümmern: »Schwarzafrika, das weiße Blatt Papier«.

      Alle Terroristen sind krank – ihre Motive brauchen wir nicht zu diskutieren. Unsere globalen ökonomischen Verhältnisse haben nichts mit den Angriffen auf sie zu tun, aber wer Drohnen sät, wird Selbstmordattentäter ernten: »Schießen statt reden. Ein Spiegelbild«.

      Hilfe, daran nicht zu verzweifeln, finden wir auf einer Salami-Verpackung: »Mit Wurst zur Erleuchtung«.

      Wenn der Krieg der Vater aller Dinge ist, ist die Werbung die Mutter.

      Kulturindustrie ist die Werbeabteilung der Politik. Sie ist Teil des Krieges.

      Christof Wackernagel, 5.6.2015

       Die Geschichte wird uns freisprechen

       Auszüge aus der »Erklärung zur Sache« im Prozess gegen mich wegen »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung«, Frühjahr 1980 – Kollektivtext

      die frage also, wie wir die gesetze des handelns bestimmen, ist nichts anderes als die frage nach unserer politischen identität: nach der substanz der gruppe, des kollektivs, in dem wir kämpfen, nach der notwendigkeit und möglichkeit bewaffneter proletarischer internationalistischer politik, strategie, taktik etc., von der wir hier ausgehen. die politische identität aber, um die es hier geht, ist weder ein von außen dem guerillero aufgepfropftes handeln, schließlich ist er gerade so – wie jeder andere in der gruppe – ein selbsttätiger produzent dieser gemeinsamen politischen identität, noch ist es irgendwie ein spontaneistisches bockprinzip, eine klägliche rettung des eigenen bauches oder sonst irgendein dem zufall überlassener krimineller instinkt: es ist die gewissheit und die gewußte erfahrung, daß es selbsttätiges handeln, produzieren etc. außerhalb der kollektiven struktur, die durch den befreiungskrieg wächst, nicht geben kann.

      fangen wir beim territorium hier an, den gegebenen kräftever-hältnissen mit ihren eklatanten besonderheiten, schließlich kann man sich die beschaffenheit seiner feinde nicht herbeiwünschen, sie müssen so genommen, bekriegt und besiegt werden, wie sie sind.

      die brd ist eine unterdrückernation, die andere nationen unterdrückt, ausbeutet, neokolonisiert und darüber zur zweitstärksten imperialistischen macht in der innerimperialistischen staatenkette hochgeklettert ist. die brd ist eine unterdrückte nation, die unter der knute der hegemonie des us-imperialismus einer andauernden militärischen besatzung ausgesetzt ist; die gipfelt in der möglichkeit – mit all ihrem derzeit nicht unrealistischen hintergrund –, daß nicht in bonn, sondern in washington über atomare vernichtung deutscher bevölkerung und landschaft im kriegsfalle entschieden werden wird, und das alles mit ihrer zweifelsohne gestiegenen polit-ökonomischen macht, oder andersherum. trotzdem, schließlich sind diese ökonomischen potenzen, mit denen schmidt heute hausieren geht, ein europäisches währungssystem installiert, eine politische integration westeuropas betreibt etc. pp., nur innerhalb dieser gesamtimperialistischen konstellation möglich geworden, also unter der hegemonie der usa. insofern erklärt sich diese so breitgefächerte konsensbildung zwischen dem nationalen großkapital und den amerikanischen multis – mit ihrer tendenziell immer engeren kapitalverpflechtung und: daß die traditionelle stiefelputzerrolle als politische kraft für die usa – eben die sozialdemokratie – nicht zwischen konkurrierenden nationalstaaten zerrissen wurde, sie wurde in der gesamtimperialistischen strukturkrise zur treibenden und vorantreibenden politischen kraft der seinerzeit schon über die trilaterale eingeleiteten restrukturierung imperialistischer herrschaft.

      doch völker, die andere völker unterdrücken, können nicht selber frei sein, sagt engels. die modernen imperialistischen produktionsverhältnisse haben noch an keinem punkt der geschichte deutlicher werden lassen als heute:

      wie das eine durch das andere auf sämtlichen wellenlängen der politischen ökonomie und dem politisch-militärischen zusammenwirkt, abhängigkeiten schafft, ausspielt, ausbeutung perfektioniert etc. (stichwort neue internationale arbeitsteilung, internationalisierung der produktion), und völkermord in immer neueren varianten bestialisch verfeinert. selbst jene aufrichtigen, die angetreten sind, die revolution wenigstens (und nur) von innen zu machen, sind mit der tatsache konfrontiert, daß sie sich zum handlanger nach außen machen.

      das war die geburtsstunde eines proletarischen internationalis-mus, der die vorgegebenen grenzen, strukturen, mechanismen von imperialistischer herrschaft zu zerreißen hatte, das war die geburtsstunde einer politischen identität: der strategischen konzeption raf, als konsequente entwicklung aus der jugendrevolte und vietnambewegung ende der 60er jahre; das wissen, daß ohne das vorantreiben der sozialen revolution nicht nur kein krieg gegen die us-besatzer möglich ist, sondern grad so, daß es eine sozialrevolutionäre perspektive in der СКАЧАТЬ