Lieber für die Ideale erschossen werden, als für die sogenannte Ehre fallen. Christoph Regulski
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СКАЧАТЬ Verwundete zu beklagen. Elf Schiffe der Hochseeflotte kehrten nicht zurück, darunter ein Schlachtschiff und ein Schlachtkreuzer216. 3.058 Seeleute waren tot oder verwundet217.

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      Decktreffer auf der Derfflinger

      Entscheidend für den weiteren Verlauf des Seekrieges aber war, dass auf deutscher Seite zehn Großkampfschiffe schwer beschädigt218 und somit am 2. Juni 1917 nur zehn Schiffe dieser Größe seetüchtig waren.

      Dem standen 24 Schiffe des Admirals Jellicoe gegenüber, die vollständig einsatzbereit gewesen waren219. Als das wichtigste Ergebnis der Skagerrak-Schlacht stand für Admiral Scheer fest, dass Seeschlachten keine Option für die deutsche Flotte waren220. Die deutsche Marine konnte auch zukünftig nicht die englische Seeblockade durchbrechen221, denn das Stärkeverhältnis der Flotten war nach der Schlacht unverändert222. Die maritime Überlegenheit Englands war trotz des deutschen Sieges nicht zu überwinden, und die Strategie der Royal Navy blieb gleich223. Die britische Bereitschaft zu einer großen Seeschlacht war ein einmaliges Abenteuer224, das der Navy schmerzhafte Verluste einbrachte. Auch für Admiral Scheer blieb die eingeschlagene Strategie, in erster Linie aus Mangel an Alternativen, unverändert bestehen225. Eine direkte Folge der Skagerrak-Schlacht war der Beginn des uneingeschränkten U-Bootkrieges am 1. Februar 1917226, um die britische Vormachtstellung zur See zu erschüttern227.

      Der Sieg der deutschen Hochseeflotte war nur möglich, weil Schiffsleitung und Mannschaft reibungslos zusammenarbeiteten228. In der Schlacht waren die Spannungen auf den Schiffen ausgeblendet229. Jeder an Bord konzentrierte sich auf seine Aufgabe, es blieb keine Zeit für Schikanen oder dünkelhaftes Auftreten. Die Skagerrak-Schlacht zeigt deutlich, dass die Matrosen trotz aller zuvor erlebten Ungerechtigkeiten bei einer militärischen Herausforderung zuverlässig waren230. Sie erfuhren eine besondere Anerkennung, als der Flottenchef auf eigene Anordnung allen schwer verwundeten Matrosen das Eiserne Kreuz zweiter Klasse verlieh. Dabei bedachte er drei Offiziere, zwei Deckoffiziere, 39 Unteroffiziere und 184 Mannschaften231 und verteilte die Auszeichnungen somit nach tatsächlich erbrachter Leistung und persönlichem Opfer232. Die Autorität des Kaisers war bei den meisten Matrosen nach der Schlacht ungebrochen233.

      Albin Köbis nahm als Heizer auf der Prinzregent Luitpold an der Skagerrak-Schlacht teil und leistete wie seine Kameraden über zwei Tage körperliche Schwerstarbeit, wenngleich er in der Schlacht keine besondere Ruhmestat der Marineführung erkennen konnte234.

      Willi Weber kritisierte ebenfalls den Verlauf der Schlacht, die mit der Flucht der deutschen Schiffe endete235. Max Reichpietsch bewährte sich in verantwortungsvoller Position als Signalgeber auf dem Flaggschiff Friedrich der Große von Admiral Scheer.

      Die Marinebewegung ein Jahr später war auf die sich stetig verschlechternden Verhältnisse auf den Schiffen selbst und die sinnlose maritime Kriegsführung zurückzuführen. Hans Beckers betonte in seinen Erinnerungen ausdrücklich, dass selbst am 2. August 1917, dem Tag des Ausmarsches nach Rüstersiel, der alte Schlachtengeist noch lebte. »Würde man (…) die Meldung überbracht haben, daß der Engländer vor Helgoland erschienen sei und unsere Schiffe zum Auslaufen bereit liegen –, dann wären fast alle in rasender Eile zur Werft zurückgeeilt.«236 Richard Stumpf hob hervor, dass es nie einen Unterschied zwischen vaterlandstreuen und -untreuen Matrosen gab. »Nein, wir Alle waren vaterlandsliebend, Offiziere wie Mannschaften.«237

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      Schwerstarbeit im Heizraum

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      Die Heizer der Prinzregent Luitpold (ganz links stehend Albin Köbis)

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      Signalgast auf der Brücke während der Schlacht

      Willi Weber sah in dem Kommando »Seeklar!« stets etwas Befreiendes238. Während der Fahrt auf dem offenen Meer, als jederzeit mit Feindkontakt zu rechnen war, funktionierte das Zusammenspiel von Offizieren und Mannschaften. Es war ein »ganz anderer Geist da«239.

      4. DAS FRÜHJAHR 1917

      Nach der als bedeutender Sieg gefeierten Seeschlacht und den Besuchen zahlreicher Bundesfürsten240 hielt die positive, fast euphorische Stimmung unter der Besatzung noch einige Wochen an241. Die Schlacht war nach Richard Stumpf »eine Erlösung für Alle.«242 Sowohl Offiziere als auch Mannschaften standen noch unter dem Eindruck der bislang größten Seeschlacht und dem gelungenen Zusammenwirken aller Kräfte auf den Schiffen243. Die Marine hatte sich als Ganzes ausgezeichnet. Somit war die ungerechte Behandlung durch die Vorgesetzten für kurze Zeit vergessen244.

      Doch nach der Schlacht folgte die große Ruhe245. Zahlreiche Schiffe waren schwer beschädigt, die militärischen Lehren aus der Schlacht lauteten, dass die deutsche Marine auf keinen Fall eine zweite große Begegnung mit der Grand Fleet riskieren dürfte.

      Aus diesem Grund kam es nur noch zu wenigen Fahrten in die Nordsee mit militärischen Aufträgen246. Bis zum März 1917 plante die Seekriegsführung neun größere Operationen, von denen aber nur zwei überhaupt ausgeführt werden konnten247. Am 19. August 1916 begann Vizeadmiral v. Hipper einen Vorstoß gegen die Stadt Sunderland, den er mit nur zwei seiner älteren Schlachtkreuzer führen musste. Erst am 16. Mai 1917 waren die Kleinen Kreuzer Bremse und Brummer unter Fregattenkapitän Leonhardi in ein Gefecht mit englischen Schiffen verwickelt. Es gelang, einen von Zerstörern gesicherten Geleitzug beinahe vollständig zu vernichten248. Alle anderen in der Zwischenzeit geplanten Vorhaben mussten aus den bekannten Gründen wie Schiffsreparaturen oder ungünstige Wetterverhältnisse abgesagt werden. Dazu kam es bereits in der Planungsphase bei einzelnen Vorstößen zu heftigen Kontroversen in der Seekriegsleitung249. In der Tat blieben diese beiden Angriffe die einzigen Aktionen der deutschen Marine in dem Zeitraum zwischen der Skagerrak-Schlacht und dem Ausbruch der Matrosenbewegung Anfang August 1917. Bei einem Blick auf die auf sechs Geschwader verteilten 56 Schiffe der Hochseeflotte250 wird mehr als deutlich, dass nur ein Bruchteil der Schiffe in ein Gefecht zog.

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      Die schwer beschädigte Seydlitz nach der Skagerrak-Schlacht

      Der überwiegende Teil der Matrosen blieb auf den Schiffen im Hafen251. Der Dienst wurde durch fehlende Herausforderungen eintönig252. Auf der Helgoland verweigerten weite Teile der Mannschaft bereits im Herbst 1916 den Gehorsam253. Diese Verweigerungen wiederholten sich im Frühjahr 1917 auf dem Kaperschiff Möwe und auf Minensuchbooten, die ihre Häfen nicht verließen254. Einzelne Matrosen übten erste Kritik an dem monarchischen System. Es sei veraltet und müsse verschwinden255.

      Auf der Posen kam es um die Jahreswende 1916/1917 zu einer Aufsehen erregenden Einzelaktion durch den Matrosen Pistor. Die zentralen Sätze auf dem von ihm aufgehängten Transparent kritisierten die unwürdige Behandlung und die erheblich bessere Versorgung der Offiziere. »Ob alt oder jung, man behandelt uns gleich, man sieht in uns nur den Pöbel. Kein Lernen, kein Fortschritt, kein Denken darf sein, nur Gewalt, Drill und Zwang sollen halten fein СКАЧАТЬ