Deutschland und die Migration. Maria Alexopoulou
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Deutschland und die Migration - Maria Alexopoulou страница 10

СКАЧАТЬ nur auf den ersten Blick egalitäreren arbeitsrechtlichen Bestimmungen schrieb die Rolle von Arbeitsmigrant*innen institutionell fest: eine stets verfügbare, zweitklassige Arbeiter*innenschicht.

      Während der Weimarer Republik ermöglichten diese Steuerungsinstrumente dem Reichsarbeitsministerium, die Beschäftigung bestimmter Ausländergruppen aus »wirtschaftlichen, kulturellen und bevölkerungspolitischen Gründen« abzubauen. Beispielsweise wurden feste Kontingente für Landwirtschaftsarbeiter*innen aus Polen – ca. 100 000 pro Jahr – auch gegen die Wünsche einiger Bundesländer und des Reichsernährungsministeriums eingeführt. Der Plan, der teilweise verwirklicht wurde, war, sie mit ›deutschstämmigen‹ Landarbeiter*innen (auch solchen, die nur saisonal aus dem Ausland kamen) zu ersetzen und, so der zuständige Abteilungsleiter im Reichsarbeitsministerium im Jahr 1928, »die gesamte Öffentlichkeit dahin« zu erziehen, »die Beschäftigung von Ausländern in solch hoher Zahl als etwas Unerträgliches zu betrachten«.2 Im Zuge der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren schloss sich der Arbeitsmarkt für ausländische Arbeitsmigrant*innen ohnehin weitgehend. Damals lebten in Deutschland verstreut nur noch einige tausend ausländische Facharbeiter*innen, die schon länger dort ansässig gewesen waren, meist Österreicher*innen oder Niederländer*innen sowie kleinere Kolonien von Italiener*innen.

      Es gab freilich auch noch die alte polnisch-deutsche Gemeinde. Nach dem Krieg war allerdings ein beträchtlicher Teil der Ruhrpolen in den neuen Staat Polen migriert, woraufhin auch die nationalpolnischen Aktivitäten zurückgegangen waren. Andere hatten während des Ersten Weltkrieges, in dem sie als »feindliche Ausländer« gegolten hatten, schlechte Erfahrungen gemacht und waren dann nach Frankreich ausgewandert. Diejenigen, die blieben, standen zwar in den nächsten Jahren nicht mehr so stark im Fokus der Behörden. Dass sie als Gruppe aber weiterhin diskriminiert wurden, legen beispielsweise die Berichte ruhrpolnischer Schulkinder aus jener Zeit nahe.

      Die Eltern hätten ihre Kinder trotz guter Leistungen nicht aufs Gymnasium geschickt, da sie sie nicht den Schikanen und dem Hass der Mitschüler*innen und der Lehrkräfte aussetzen wollten. Der Grad der Diskriminierung sei mit dem Grad des schulischen Aufstiegs gewachsen, berichteten Zeitzeug*innen in lebensgeschichtlichen Interviews Ende der 1980er Jahre. Aber auch auf der Volksschule erlebten die Kinder, die oft nur noch am Namen als polnischstämmig zu erkennen waren, Ungleichbehandlung und systematische Herabwürdigungen.

      So erzählte eine Frau, im Unterricht sei gelehrt worden, dass die Polen minderwertig und die Deutschen überlegen seien, was etwa am Vergleich der deutschen Wohnkultur mit den »Erdhütten« der Polen veranschaulicht wurde. Rosalia Czerwonek erzählte weiter: »Das war der Kulturmensch und das war hier der dumme, dreckige Pole aus dem Osten.« Eine andere Frau erinnerte sich an ihren Lehrer wie folgt:

      Der […] hat mich dauernd getriezt. Der hat nur: ›Du kleiner Pollack! Du Zwerg! […] also so ungefähr, daß ich ›degeneriert‹ wär. Den Ausdruck kannte ich damals nicht. Aber ich habe kapiert, was er damals meinte. Ich war eine minderwertige Rasse.3

      Zur gleichen Zeit wurden die masurischen Ruhrpolen Ernst Kuzorra und Fritz Szepan deutsche Fußballidole und der in den Anfängen als »Polacken- und Proletenverein« geltende FC Schalke 04 zum Inbegriff des Reviers. Szepan und Kuzorra traten als Masuren, die als ›deutschstämmig‹ galten, später sogar der NSDAP bei, während politisch oder kulturpolitisch aktive »polnische« Ruhrpolen im »Dritten Reich« verhaftet, interniert und vielfach ermordet wurden. Dank ihrer jahrzehntelangen Anwesenheit war diese Einwanderer*innengruppe, die freilich recht heterogen war und sich im Laufe ihrer Existenz auch stetig transformierte, schon längst zu einem integralen Bestandteil des Ruhrgebiets geworden. Gleichwohl schützte sie das, solange sie noch als Pol*innen erkennbar blieben, weder vor Diskriminierungen noch vor Verfolgung.

      Die polnischen Jüdinnen und Juden, von denen 1925 etwa 90 000 in Deutschland lebten, bildeten gewissermaßen eine Randgruppe in der polnischen Einwanderer*innen-Gemeinde. Erst während des Ersten Weltkrieges wurden sie unter der Bezeichnung »Ostjude« zum Inbegriff des Ausländers. Dass man besonderes Augenmerk auf diese Gruppe legte, hatte viele Ursachen: die deutsche Besatzung Polens im Krieg, den massenhaften Einsatz von osteuropäischen Jüdinnen und Juden als Zwangsarbeiter*innen während dieser Zeit und die Tatsache, dass viele sozialistische Revolutionär*innen in Deutschland wie Rosa Luxemburg als »Ostjüdinnen« dargestellt wurden.4 Die meisten osteuropäischen Juden und Jüdinnen hielten sich als unerwünschte Flüchtlinge oder Einwanderer*innen auf einer »gestoppten Durchwanderung« in Berlin auf und trugen dort zum modernen, transkulturellen Flair der Stadt bei, das bis heute als Atmosphäre der »Goldenen Zwanziger« bisweilen überhöht wird.5

      Unter dem Deckmantel der Feindschaft gegen »Ostjuden« ließ sich auch der gegen deutsche Jüdinnen und Juden gerichtete Antisemitismus gut verbergen. Die Frühphase der Weimarer Republik hatte »eine Verstärkung des Antisemitismus in nicht gekanntem Ausmaß« gebracht, der letztlich alle Jüdinnen und Juden traf.6 Das Ende der Weimarer Republik war dann vollends von Hass und Ausgrenzung geprägt.

      Gerade Jüdinnen und Juden hatten nur noch sehr geringe Chancen, sich naturalisieren zu lassen. In Mannheim wurden zwar noch Menschen jüdischer Religion eingebürgert, doch der überwiegende Teil der Anträge wurde abgelehnt. Eingebürgert wurden in jenen Jahren in Mannheim wie im gesamten Reich neben den ›Deutschstämmigen‹ aus der alten Habsburgermonarchie ohnehin zumeist nur »Volksdeutsche«, selbst wenn deren Einwanderung nicht gern gesehen war. Angesichts der ökonomischen und wirtschaftlichen Verwerfungen nach den Verlusten des Krieges stellte die soziale Integration größerer Einwanderer*innengruppen eine Herausforderung dar.

      Schwerer wog allerdings, dass die Abwanderung der »Volksdeutschen« aus dem Osten und Südosten der deutschen Außenpolitik ein Druckmittel nahm. Ihre Anwesenheit vor Ort war notwendig, um den Forderungen nach einer Revision des Versailler Vertrags, insbesondere nach der Rückgabe ehemals zum Kaiserreich gehörender Gebiete im Osten, Gewicht zu verleihen. Statt der Einwanderung wurde eine »Deutschtumspolitik« gefördert, die den Minderheitenschutz sichern und damit die eigenen Ansprüche auf das Territorium lebendig halten sollte. Anders als im »Dritten Reich« formulierte man während der Weimarer Republik keine »Heim-ins-Reich«-Politik; Deutschland holte erst unter den Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg den Raum und die »Volksdeutschen« heim, während man die Anderen vertrieb oder genozidal ermordete.

      Dennoch hatten jene »Volksdeutschen« und ›Deutschstämmigen‹, die nach dem Ersten Weltkrieg ins Reich migrierten, Anspruch darauf, als deutsche Staatsbürger*innen anerkannt zu werden. Die Einbürgerungspraxis richtete sich somit hauptsächlich auf sie aus. Im Zuge dessen wurden in den entsprechenden Institutionen – den Innenministerien und den lokalen Polizeibehörden, die die Einbürgerungen bearbeiteten – auch immer konkretere Wissensbestände über das »Deutsche« sowie über den vermeintlichen Wert anderer Herkünfte produziert. Die ›Deutschstämmigkeit‹ und »Volkszugehörigkeit« wurden immer mehr zur Folie, vor der auch Anträge anderer Staatsangehöriger betrachtet wurden, wobei sich deren Chancen auf eine Einbürgerung stetig verschlechterten. Was man unter einem Deutschen zunehmend verstand, fasst eine Verordnung des preußischen Ministers für Volkswohlfahrt 1927 treffend zusammen:

      Unter dem Wort ›deutschstämmig‹ sind Personen deutscher Nationalität und deutschen Geblüts [sic], also Personen, die politisch dem deutschen Reich und stammesmäßig dem deutschen Volkstum zugehören, zu verstehen.7

      Es war also nicht einfach damit getan, von einem Vater (eine deutsche Mutter genügte ohnehin nicht) abzustammen, der die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, sondern er musste die vermeintlich biologische Eigenschaft »Deutschsein« in seinem Blut haben, das »stammesmäßig« dem deutschen Volk entsprang. Diese völkisch-biologistischen Wissensbestände gewannen einen immer stärkeren Einfluss innerhalb der Behörden und Institutionen, die sich mit der Thematik befassten. Aber auch im ›Volk‹ selbst verbreiteten sie sich.

      Wie ein Brandbeschleuniger für vollends ideologisierte und radikale Rassist*innen wirkte СКАЧАТЬ