Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
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Fürchtet ihr nicht, daß der Feind im nächsten Jahre zurückkehrt und alles wieder zerstört? fragte er gern die Bauern, sie ausholend.
Da müßte nicht Herr Heinrich von Plauen des Ordens Meister geworden sein, antworteten sie. Gegen den kann der König nichts, das hat er gezeigt in der Marienburg.
So kam er bis zur Engelsburg und nahm dort vorerst Quartier. Im ganzen Kulmer Lande war man dem Orden noch feindlich gesinnt und hielt's offen und versteckt mit dem Könige. Rechnete man doch bestimmt auf dessen Wiederkehr. So galt es denn, dieses Gebiet zu beruhigen und mit zuverlässiger Mannschaft zu besetzen, um künftig im Rücken gesichert zu sein.
Hans von der Buche, der sich im Gefolge des Meisters befand, ritt, sobald sein Dienst es gestattete, nach Buchwalde, sein väterliches Erbe in Augenschein zu nehmen. Er machte sich darauf gefaßt, den Gutshof in Schutt und Asche zu finden, und durchstrich mit beklommenem Herzen das Wäldchen am Fuße des Hügels. Aber ganz so traurig sah's drüben nicht aus, als er gefürchtet hatte. Das alte Haus mit seinem Turm stand unversehrt. Ein Teil der Stallungen und Scheunen freilich war durch Brand arg beschädigt und auch das Dach über dem neuen Wohnhause auf der Südseite eingefallen, so daß die verkohlten Sparren in die Luft ragten. Aber überall standen doch die festen Mauern aus Feldsteinen, und einige von den Gebäuden in dem großen Viereck waren auch noch bedacht. Türen und Fensterladen schienen dort neu eingesetzt zu sein, wie sich aus der hellen Farbe des Holzes schließen ließ. Hier und dort weidete auch eine Kuh oder Ziege neben den Lehmhäuschen in der Dorfstraße; den armen Leuten war also nicht ihr ganzes Besitztum geraubt.
Der Junker ritt langsam in den Hof ein bis zum Brunnen unter der Linde, stieg dort ab und schöpfte einen Eimer voll Wasser für sein Pferd. Dann ging er nach dem Hause. Die Türen waren verschlossen oder durch vorgenagelte Bretter gesperrt. Einige von den Fensterladen hingen lose in den Angeln und ließen sich leicht öffnen. Er sah die Gemächer innen völlig ausgeräumt, die Wände kahl und die Füllungen der Schränke zerbrochen. Augenscheinlich hatte der Feind hier geplündert und alle Sachen von Wert mitgenommen. Dann aber mußte eine ordnende Hand vorgesorgt haben, daß nicht Regen und Sturm das Zerstörungswerk fortsetzten.
Wie er da noch so stand, vernahm er hinter sich eine polternde Stimme: Was will der Strolch da? Fort mit ihm vom Hofe! Im ganzen Hause ist keine Menschenseele, und selbst die Mäuse und Ratten sind ausgerückt, weil's nicht einmal eine Brotrinde zu nagen gibt. Wer erlaubt Euch, die Laden aufzureißen? Fort, sag ich!
Hans von der Buche blickte um und sah den Waldmeister vom alten Hause her mit eiligem Schritt auf sich zukommen. Er hatte ein großes Beil in der Hand und drohte damit. Grüß Gott, lieber Alter, rief der Junker; kennst du mich nicht mehr, Gundrat?
Der Waldmeister stutzte und ließ im nächsten Augenblick das Beil auf die Erde fallen. Ihr seid's? sagte er verwundert. Ja, dann ist's freilich ein anderes. Verzeiht die rauhen Worte. Man hat's hier seit Monden mit so viel Teufelspack zu tun, daß man sich auf ein gutes Gesicht gar nicht mehr einrichtet.
Um so willkommener wird es dann sein, meinte der Junker und schüttelte ihm die Hand. Ich sehe, Ihr habt wacker hausgehalten. Steht noch etwas auf seiner Stelle, so ist's sicher Euch zu danken, und ich dank's Euch aus treuem Herzen. Jetzt erst bemerkte er, daß der Alte unter dem breiten Hut eine Binde um den Kopf trug. Aber was ist das? erkundigte er sich teilnehmend. Ihr seid verwundet?
Gundrat schnippte mit den Fingern durch die Luft. Pah, die Polen haben scharfe Säbel, und man kann ihnen nicht allemal aus dem Wege gehen, wenn sie betrunken sind. Es hat nicht viel auf sich. Aber Ihr lebt, Junker! Ich nenne Euch noch immer Junker, obschon Ihr jetzt hier der Herr seid – das tut die lange Gewohnheit. Ja, ich war schon besorgt um Euch, da so lange keine Nachricht kam. Wo zum Teufel stecktet Ihr denn?
In der Marienburg, mein Alter.
Dachte ich's doch, daß Ihr Euch mit dem Schwetzer Komtur dort hättet einsperren lassen. Der ist ja nun Hochmeister geworden.
Heinrich von Plauen ist Hochmeister und hält jetzt Rast in der Engelsburg auf dem Wege nach Thorn, wo er mit dem Könige zu verhandeln gedenkt wegen eines ehrenhaften Friedens.
Den will ich ihm gönnen! rief Gundrat. Er hat sich brav gehalten, das muß ihm der Feind lassen. Der Mann gefällt mir – wahrhaftig, der gefällt mir!
Kennt Ihr ihn?
Nein, ich sah ihn nie. Was hätte ich auf den Schlössern der Ordensherren zu tun? Aber der Mann ist seine Tat, und seine Tat gefällt mir, darum gefällt mir der Mann.
Begleitet mich nach der Engelsburg, so will ich Euch den Herrn Hochmeister zeigen.
Gundrat warf den Kopf zurück und lachte. Ich bin nicht neugierig. Sorgt nur, daß ich bald wieder in meinen Wald zurück kann. Doch was stehen wir hier auf dem Hofe? Tretet bei mir ein, Junker. Ich habe mir im alten Hause ein Stübchen zurechtgemacht, darin sollt Ihr auch einen Stuhl finden, wenn Ihr müde seid. Den Gaul bringe ich lieber jenseits des Grabens in Sicherheit – es streift noch immer viel diebisches Gesindel um. Folgt mir.
Er ging, ohne die Antwort abzuwarten, nach dem Brunnen, nahm den Zügel des Pferdes auf und führte es dem alten Hause zu. Die Brücke war abgebrochen, man mußte durch den Graben, in dem sich das Wasser der Herbstregen in Pfützen gesammelt hatte. Drüben stand unter dem tiefen Torbogen noch ein zweites Pferd an einen Mauerring angebunden; zu dem gesellte er den Gaul des Schloßherrn. Ich reite täglich ab und zu, sagte er, das kostet viel Zeit.
Der Waldmeister führte Hans seitwärts die Stiege hinauf in den mit Ziegeln gepflasterten Flur und in eins der kleinen gewölbten Gemächer des unteren Stockes. Dort war in einer Ecke mit Brettern eine Schlafstelle abgegrenzt und der Raum mit trockenem Laube gefüllt, worauf Gunrats Mantel ausgebreitet lag. Einer von den Tischen, die sonst in der Halle gestanden hatten, war vor das Fenster geschoben; daneben standen zwei Holzstühle ohne Lederbezug. Ist das alles, was uns der Feind gelassen hat? fragte der Junker.
Der Alte stieß ein paar Laute aus, die wie ein heiseres Lachen klangen. Das ist alles, was wir dem Feinde gelassen haben, antwortete er – es hat seine Beutegier nicht gereizt, aber ich hab' dafür manches Schimpfwort hinnehmen müssen.
Das andere ist in Sicherheit?
So ziemlich. Es liegt im Heidenwall unter einem Bretterschuppen, den wir rasch zusammenzimmerten. Was die Preußen gestohlen haben, dafür stehe ich nicht gut.
Und Pferde und Vieh?
Weiden im Walde am Melno-See, bis auf fünf oder sechs von den schlechtesten Stücken, die ich absichtlich preisgegeben habe, damit sich der Feind nicht zu eifrig aufs Suchen legen möchte. Die Strohdächer deckten sie ab, um Pferdefutter zu haben, da unsere Scheunen bald geleert waren. Im Wohnhause hatten sich polnische Schlachtschitzen einquartiert, die brachten von Tannenberg einen Leiterwagen voll Bierfässer, soffen Tag und Nacht, bis ihnen über den Köpfen der rote Hahn aufflog, denn sie hatten in der Halle Feuer angemacht, und einer der Holzpfeiler war in Brand geraten bis zum Dachstuhl hinauf. Da zogen sie fluchend ab. Das geschah schon, als der König auf die Marienburg zog. Hinterher merkte jeder Haufe, der nachrückte, daß hier schon geplündert war, und hielt sich nicht lange mit der Nachlese auf. So stand der Hof noch verwüstet da und recht jämmerlich СКАЧАТЬ