Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
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Einige von seinen Knechten hoben ihn auf und trugen ihn fort. Um Himmels willen, was ist Euch geschehen, Meister? fragten sie. O meine Augen, meine Augen, rief er jammernd, ich bin blind!
Da erfaßte die Menge Furcht und Entsetzen. Viele sanken auf die Knie, erhoben die Hände zu dem Bilde und beteten um Vergebung ihrer Sünden. Die meisten flüchteten eiligst und trugen durch das Lager die Schreckenskunde: Der Büchsenmeister des Königs sei mit Blindheit geschlagen, weil er sich an der Mutter Gottes versündigt habe.
Auch Jagello erfuhr, was geschehen war. Er riß sein Gewand über der Brust auf und rief: Weh uns, das ist eine üble Vorbedeutung! Nun werden unsere Feinde hohnlachen, unsere Freunde aber mutlos werden. Betet, betet, daß noch schwereres Unheil von uns abgewandt werde!
Er gelobte der Heiligen Jungfrau eine Kirche zu bauen, so prächtig sie noch nie in einer gethront habe, wenn sie den Frevel seines vorwitzigen Dieners gnädig verzeihen wolle. Aber er glaubte selbst nicht an solche Gunst, und ihm zitterte das Herz wie die zum Schwur erhobene Hand.
In der Burg wußte man bald, was vorgegangen war, und auch hier sah man's als ein Wunder an, daß der Schuß auf das Muttergottesbild sich gegen den frechen Schützen selbst entladen und ihm für immer das Licht der Augen geraubt hatte. So wuchs das Vertrauen auf die gute Sache. Das Kriegsvolk verlangte nun selbst zu Ausfällen vor die Tore hinausgeführt zu werden, und so weit drangen diese Rennhaufen in des Königs Lager ein und so verbissen war ihr Kampf mit dem zwar entmutigten, aber noch immer übermächtigen Feinde, daß die anführenden Ritter und Hauptleute oft große Mühe hatten, sie wieder hinter die Mauern zurückzubringen. Den Königlichen geschah dadurch großer Schaden, und da kaum eine Nacht verging, in der sie nicht aufgestört wurden, so wuchs ihre Unzufriedenheit. In seinem Unmut sagte der König: Wir wähnten, sie seien von uns belagert; allein wir sind's mehr von ihnen.
Wie zum Lohn für seine Standhaftigkeit gingen dem Statthalter nun auch wiederholt gute Nachrichten zu. Die beste brachte ein heimlich eingeführter Brief des Königs von Ungarn. Er ermutigte darin die Verteidiger der Burg, sich tapfer zu halten, und versprach schleunigst in Polen einzufallen und zum Ersatz der Marienburg herbeizueilen. Plauen ließ den Inhalt dieses Schreibens seinen braven Truppen unter Trompeten- und Posaunenschall verkünden. Die Königlichen hörten den Lärm bis ins Lager und verwunderten sich darüber, daß man im Schlosse schon frohe Feste feiere, da sie selbst doch nur Not und Plage hätten.
Nun meinte der Statthalter auch nach außen hin beweisen zu müssen, daß die Sache des Ordens nicht aufgegeben sei. Es kam darauf an, die Freunde mit Geld zu versehen und zur Werbung von Söldnern aufzufordern. So berief er denn den alten Wigand, übergab ihm Wechsel über dreißigtausend Dukaten und Briefe an die Komture in Deutschland und verabredete mit ihm eine List, wie er damit wohlbehalten durch das königliche Lager kommen solle. Es wurde ein Herold zum König geschickt, der um freies Geleit für einen alten Ordenspriester bitten sollte, dessen Körper die Strapazen der Belagerung nicht länger ertragen könne. Jagello, der sich gegen einen Mann der Kirche nicht hart erweisen wollte, ging darauf ein und wurde überlistet. Bald zogen von Deutschland auf allen Straßen Heerhaufen heran.
Bis sie in Preußen anlangen konnten, hatte es freilich noch gute Weile. Aber auch in der Nähe drohte dem König eine nicht zu verachtende Gefahr. Er erhielt glaubhafte Nachricht, daß der Landmarschall von Livland mit einem großen Heer in Königsberg angelangt sei und im Vertrauen darauf das ganze Niederland an den Haff- und Seeküsten und weit ins Land hinein sich für den Orden erhebe. So berief er denn Witowd und schickte ihn mit einem Heerhaufen dem Marschall entgegen. Als der Großfürst aber an das Flüßchen Passarge kam, das sich bei Frauenburg in das Frische Haff ergießt, fand er schon ganz Ermland und Natangen in Aufstand und alle Straßen verlegt. Der Bischof Heinrich Vogelsang von Ermland, der sich einiger Schlösser bemächtigt hatte, hielt es selbst für geraten, ihn vor weiterem Vordringen zu warnen, und so mußte er unverrichtetersache zurückkehren. Vergebens hatte der tapfere und kriegskundige Mann früher seinen erlauchten Vetter gebeten, ihn mit einem Teil des Heeres nordwärts zu schicken, sich des ganzen Ordenslandes zu versichern. Eifersüchtig auf jeden Zuwachs seines Ruhmes, hatte der König ihn zurückgehalten. Nun war's zu spät, das Versäumte nachzuholen.
Jagello schäumte vor Wut. Täglich wurde der polnische Adel unter seinen Fahnen schwieriger, und die Burg, so viel er sie auch mit Büchsen und Bliden beschoß, wollte sich nicht ergeben. Dann sann er darauf, wie er sie durch Verräterei nehmen möchte. Er beriet deshalb mit dem schlauen Bischof von Kujawien, den er seit dem glücklichen Abschluß mit Danzig nun fast unausgesetzt um sich hatte. Der meinte wohl helfen zu können. Bei ihm war der ermländische Domherr Bartholomäus, Dechant zu Frauenburg, ein ränkesüchtiger und sehr verschlagener Priester, der sich vorher beim Statthalter in der Marienburg aufgehalten hatte, auch von ihm mit einer Summe Geld nach Danzig geschickt war, weil er seinen Worten vertraute, daß er sich mit seinem Bischof Heinrich verfeindet habe und dessen Rückkehr ins Land unter polnischen Schutz hintertreiben wolle. Dann hatte der Domherr aber doch gemeint, das Sicherste spielen zu müssen, und war heimlich ins Lager gekommen, seine Dienste anzubieten. Man konnte ihn nun leicht als Spion brauchen, und darauf stützte sich des Bischofs Johannes Plan.
Es ist Ew. Gnaden vielleicht nicht bekannt, sagte er zum König, daß der Baumeister des mittleren Hauses seine Kunst in einem besonderen Falle der Nachwelt vorzüglich wundersam hat erscheinen lassen wollen. Es ist ihm nämlich gelungen, das große Gemach, dessen Fenster dort zwischen den kleinen, die wuchtigen Mauerleisten unterbrechenden Säulen hervorschauen, auf einen einzigen dünnen Granitpfeiler zu wölben, der in der Mitte steht und die ungeheure Last des Oberbaues trägt. Jenes Gemach ist der Remter, in dem die Hochmeister stets ihre Konvente zum Kapitel zu versammeln pflegten und wo sicher der Statthalter jetzt von Zeit zu Zeit mit seinen Getreuen und den Soldhauptleuten zu Rate geht. Können wir nun erforschen, wann alle die Herren dort versammelt sind, so muß man dorthin mit einer Steinkugel schießen und den Pfeiler zu treffen suchen. Gelingt das, so stürzt unfehlbar das ganze Gewölbe zusammen und begräbt unter seinen Ziegelmassen alles, was sich Lebendiges im Saale befindet. Dann ist uns die Übergabe der ganzen Burg sicher.
Dieses listigen Anschlages war der König froh, und gern gab er seine Genehmigung. Er hieß den geschicktesten Büchsenmeister zu sich kommen und gab ihm auf, am Ufer der Nogat gegenüber dem mittleren Schlosse eine große und erprobte Steinbüchse zu einem Schusse bereit zu halten, der ihm noch angezeigt werden solle. Er versprach ihm eine große Summe Geldes, wenn er scharf ziele und glücklich treffe, dem Domherrn aber sicherte er die Ordensgüter zu Tolkemit und Bassenheim zu, sofern die List gelinge. Der Bischof Johannes hatte mit ihm dann noch geheime Rücksprache und wies ihn an seinen Diener Liszek, den er in der Burg gelassen habe, damit er für ihn kundschafte. Es ist ein verschlagener Bursche, setzte er hinzu, zehnmal für den Galgen reif gewesen und stets durchgeschlüpft. Er wird sich in den Remter einschleichen und kurz vor der Zeit, wenn die Versammlung stattfindet, eine rote Mütze an das Fenster hängen können. Es muß gerade an einer solchen Stelle geschehen, daß unser Büchsenmeister, wenn er auf die Mütze zielt, den Pfeiler trifft; das merkt Euch und schärft ihm ein. Somit Gott befohlen!
Der Dechant erhielt leicht Einlaß in die Burg, da man ihn als einen Freund des Statthalters kannte, und er richtete auch an diesen, um ihn ganz sicher zu machen, die Nachricht aus, daß der Landmarschall von Livland im Anmarsch sei. Darüber war große Freude, und Plauen schickte denn auch sogleich ins mittlere Haus und in die Vorburg, zum nächsten Vormittage seinen edlen Vetter, seinen Bruder und alle die anderen Ritter und Hauptleute zur Beratung, wie man dem Landmarschall am besten entgegenkomme, nach dem Remter zu entbieten. Der Dechant aber, als er seine Wünsche so gefördert sah, suchte eiligst Liszek auf, drückte ihm einige Goldgulden in die Hand und belehrte ihn, was er zu tun habe. СКАЧАТЬ