Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
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Es dunkelte bald vollständig. Jenseits des Grabens bemerkte man aber doch eine Ansammlung von Massen und machte dem Reuß von Plauen davon Anzeige. Sogleich besetzte derselbe die Mauern an der bedrohten Stelle. Teertonnen wurden zur Beleuchtung angezündet und hinabgeworfen. Nun zeigte sich's, daß drüben Kriegsvolk in dichten Haufen stand, Sturmleitern bereit gehalten wurden und viele von den Leuten in den vorderen Reihen gefüllte Säcke neben sich stehen hatten. Sobald die Angreifer merkten, daß man sie erwartete, erhoben sie ein wildes Kriegsgeschrei und stürmten vor. Sie wurden aber mit einem Hagel von Pfeilen empfangen. Auch einige Feuerstöcke, die Ambrosius auf die flankierenden Türme postiert hatte, taten ihre Schuldigkeit. Die Polen erwiderten nun das Schießen, verursachten aber wenig Schaden, da die Pfeile und Bolzen über die Mauerkante hinwegflogen oder gegen die festen Steine anprallten. Endlich gingen sie unter dem Schutz von hölzernen Schirmdächern vor und warfen die Säcke ab, aber so ohne feste Ordnung, daß kein Damm zustande kam und die Vordersten im Wasser versanken.
Sie mußten nun wieder zurück, trugen aber bald neues Material an Erdsäcken, Faschinen, Stangen und Leitern herbei und versuchten den Übergang zu erzwingen. So viele auch von den Geschossen getroffen zu Boden sanken, immer neue Rotten traten in die Lücken ein, und wenn das Pulver aus den Feuerstöcken aufblitzte, sah man drüben in einiger Entfernung noch breite Streithaufen in Reserve aufgestellt.
Mit besonderer Gewalt richtete sich der Angriff des Feindes gegen den dritten Turm. Auf ihn waren auch zwei Eisenrohre gerichtet, die man an den Graben geschleppt hatte. Die Kugeln bohrten sich ins Mauerwerk, konnten dasselbe aber nicht durchdringen. Oben auf der Plattform, über Waltrudis' Stübchen, befehligte Hans von der Buche.
An diesen Turm schloß sich das Metzhaus an. Der Statthalter saß nach in des Gießmeisters Wohnstube, als der Lärm draußen losbrach. Frau Ambrosius hatte ihm zu Ehren eine Wachskerze angezündet und auf einen zinnernen Leuchter gespießt. Auch war ihm der Lehnstuhl eingeräumt, und Waltrudis hatte vor ihm auf einem niedrigen Bänkchen Platz genommen. Wenn sie zu ihm aufschaute, war das Gesicht von der Wachskerze voll erleuchtet, und er schien seine Freude daran zu haben, denn er nickte ihr öfters zu, legte wohl auch seine Hände auf das goldblonde, wellige Haar, drückte die Stirn ein wenig zurück und sagte: Wie sie ihrer verstorbenen Mutter gleicht! Sie mußte ihm erzählen, wie die Reise von Schwetz hierher vonstatten gegangen war, und unterließ nicht, ihrem Beschützer wegen seiner Umsicht und Sorgfalt Lob zu spenden. Dann bat sie um wollene Decken und linnene Tücher für ihre Kranken aus den Vorräten des Haupthauses, und er erlaubte ihr, danach zu schicken. Eine Stunde war rasch vergangen.
Nun nahm er eiligen Abschied, empfahl der Gießmeisterin sein Pflegekind, versprach, nicht wieder solange auszubleiben, und trat auf den Hof hinaus, wo sein Vetter die Marienburger Bürger sammelte, um nach einiger Zeit die Söldner auf den Mauern abzulösen. Das war eine rechte Seelenstärkung, sprach er vor sich hin; daß ich sie mir nicht längst gegönnt habe! Diese Stunde Müßiggang macht die Arbeit doppelt wirksam. In dieses klare Auge mußte ich schauen, um wieder rechtes Gottvertrauen zu gewinnen und den Mut zum Schwersten. Gott, Herrgott, verlaß deinen Knecht nicht!
Reuß von Plauen kam ihm mit den Worten entgegen: Es ist kein Zweifel mehr, sie haben es in dieser Nacht ernstlich auf die Vorburg abgesehen. Es wird einen heißen Kampf geben.
Und wir müssen Sieger bleiben, antwortete der Statthalter – müssen! Er stieg die äußere Treppe zum Turmdach hinauf. Der Vogt warnte ihn, sich in seinem weißen Mantel der Gefahr auszusetzen. Er achtete aber nicht darauf.
Oben ließ er Pulver auf die Eckzinne schütten und dasselbe anzünden. Es gab eine mächtige Flamme, die einen Augenblick die ganze Umgegend zu übersehen gestattete. Er wußte genug und schickte Hans von der Buche sofort nach dem mittleren Schlosse, um die bereit gehaltene Hilfsmannschaft heranzuholen. Seinen Plan hatte er schon gemacht.
Im Hofe nahm er die Truppen in Empfang, die Hans heranführte. Es waren Söldner und Danziger Schiffskinder, sämtlich mit Eisenhut und Brustharnisch, Schwert und Spieß bewaffnet. Er sagte ihnen, was im Werke sei, und forderte diejenigen auf, vorzutreten, die sich freiwillig bei dem gefährlichen Ausfall beteiligen wollten. Hans von der Buche war der erste, der sich meldete. Dann rief einer von den Danzigern – Klaus Poelke war's, Barbaras Schwestersohn – : Wir Schiffskinder sind sämtlich bereit mitzutun, wo's etwas dreinzuschlagen gibt. Geht's uns drüben schlecht, so schwimmen wir allenfalls über den Graben. Nun schlossen sich auch viele von den schlesischen Söldnern an, und ihre Hauptleute blieben nicht zurück.
Es war ein stattliches Häuflein, das sich zu dem Wagnis stellte und seitab durch ein enges Tor ausgelassen wurde. Hans von der Buche führte die Schiffskinder.
Es ging genau nach der Verabredung. Schon glaubten die Polen sich Sieger, als die im Schutz der Dunkelheit Heranschleichenden sich auf die jenseits des Grabens stehenden und zuwartenden Haufen warfen, sie völlig überrumpelten und ihnen ein schweres Blutbad anrichteten. Es war ihnen nicht möglich, die Stärke des Gegners zu schätzen. Wollten sie sich nicht in den Graben drängen lassen, so mußten sie ihre Reihen auflösen und sich truppweise durch die Flucht zu retten suchen. Viele Hunderte wurden erschlagen.
Sobald die Stürmenden merkten, was drüben vorging, ließen sie von den Mauern ab und suchten die Furt durch den Graben zu gewinnen. Aber immer nur wenige zur gleichen Zeit konnten den Rückweg antreten, und wer das jenseitige Ufer erreichte, wurde von den starken Danzigern ins Wasser gestoßen. Von der Mauer und dem Turm hagelte es nun aber Steine und Balkenstücke hinab auf die Köpfe der Polen, die in langer Linie auf dem schmalen Rande des Grabens standen und sich die Flucht versperrt sahen. Bald ergriff sie Verzweiflung. Sie stürzten übereinander weg, ganze Haufen wurden erdrückt oder im Graben ersäuft. Drüben entstand ein entsetzliches Handgemenge, aus dem wenige heil entkamen.
Ein erneuter Angriff mit frischen Truppen aus dem Lager unterblieb für diese Nacht.
Auch von den tapferen Verteidigern der Burg hatte so mancher seine Wunden zu verbinden. Hans von der Buche war getroffen, wennschon nicht schwer. Den Hieb mit der Streitaxt, der ihm von dem Anführer der Polen zugedacht war, hatte Klaus Poelke mit seinem Spieße aufgefangen, so daß er ihm nur die linke Schulter streifte. Derselbe Spieß hatte gleich darauf den langen Gesellen vom Pferde gestochen, worauf denn der Haufe, der bis dahin noch gesammelt um den Führer stand, bald ins Schwanken geraten und aufgelöst worden war.
Als nun die Danziger Schiffskinder, von den Marienburgern mit lautem Zuruf empfangen, wieder in den Burghof einrückten und sich vor dem Statthalter in Reih und Glied stellten zur Musterung nach dem Gefecht, der aber erfahren wollte, wer sich besonders tapfer gehalten habe, faßte der Junker den Seemann am Arm und zog ihn einen Schritt aus der Reihe hervor. Ich kenne seinen Namen nicht, sagte er, der aber hat mit seinem Spieß den Kampf mit dem Hauptmann der Polen bestanden und den Schwerbewaffneten vom Pferde geworfen. Ihn nenne ich deshalb zuerst.
Plauen schüttelte ihm die Hand, fragte, wie er heiße, und forderte ihn auf, sich für seine kühne Tat ein Gnadengeschenk zu erbitten.
Poelke lachte vor sich hin. Es ist recht gern geschehen, gnädiger Herr, sagte er, und nicht viel Lobes wert; wir Schiffer wissen mit den Stangen umzugehen, wenn es auch sonst nicht Spieße sind. Soll ich aber etwas erbitten, so will ich nicht faul sein. Denn so gut wird es mir so bald nicht wieder. Und so hätt' ich denn eine Frage an Ew. Gnaden selbst, und ich bitte Ew. Gnaden recht schön, darauf Antwort zu geben.
Fragt immerhin, antwortete der Statthalter etwas verwundert.
Ich hab' nämlich in der Rechten Stadt Danzig eine Muhme, müssen СКАЧАТЬ