Gesammelte Werke. Ernst Wichert
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ernst Wichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027237517

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СКАЧАТЬ das mittlere Schloß, die Hochmeisterwohnung, sehr von den Geschossen der Angreifer, die hohen Zinnen waren zum Teil eingestürzt. Die Schützen auf dem Brückentor und den Mauern am Flusse reichten mit ihren Kugeln und Pfeilen nicht so weit, um die Belagerer zu schädigen. Nur wenn sie sich mit Sturmleitern heranwagten, wurden sie mit blutigen Köpfen zurückgetrieben.

      Oft stand Plauen auf der Platte des hohen Wachtturms und schaute sorgenvoll ringsum ins Land hinaus. Eine weite Aussicht hatte er von dort. Da glänzten im Sonnenschein die weißen Zelte der Polen und Litauer in langen Reihen, geschützt durch Erdwerke. Viele davon hatten früher dem Orden gedient und in den Vorratsspeichern des Haupthauses gelagert. Weiter zurück gegen Stuhm hin schien eine ganze Zeltstadt errichtet zu sein; dort war des Königs Lager. Gegenüber zeigte sich in wenig geringerem Umfange des Großfürsten Quartier. Überall starrte es von Waffen.

      Kein Tag verging, an dem nicht näher oder ferner einige Gehöfte oder Dörfer in hellen Flammen loderten. Deutlich war's zu sehen, wie die Reiterscharen über das Feld zogen und mit Beute beladen zurückkehrten. Stromauf von Elbing her und stromab aus der Richtung von Thorn, Kulm, Graudenz kamen Lastkähne mit Lebensmitteln aller Art an und wurden von den Belagerern abgeladen. Dann ging's lustig her zwischen den Zeltreihen: bis in die Nacht hinein wurde geschmaust und gezecht.

      Das alles sah der Statthalter, und trübe Gedanken bestürmten sein Gemüt. Vergebens spähte er nach Hilfe aus; die Freunde waren fern und mutlos. Vielleicht hatten die Brüder in den Burgen am Memelstrom sich gegen die Einfälle der Szamaiten zu wehren. Von den Häusern Königsberg, Brandenburg, Balga war kaum auf Unterstützung zu hoffen, da sie selbst den Feind erwarten mußten. Es wäre auch Tollkühnheit gewesen, sich mit einem kleinen Haufen vorzuwagen, da das Heer des Königs in freiem Felde den Eintritt in die Burg hinderte. Das hielt Plauen sich selbst vor, und doch sagte er sich: du an ihrer Stelle würdest es wagen – du würdest nicht müßig liegen – du würdest das Landvolk bewaffnen oder mit Sensen und Dreschflegeln heranführen – du! Gab es denn wirklich im Orden keinen beherzten Mann mehr, der die Ehre höher achtete als das Leben?

      Wenn er dann durch die Wehrgänge und hinter den Zinnen entlang ging, sich selbst zu überzeugen, daß seine Befehle pünktlich ausgeführt waren, begegnete er hier und dort Ermüdeten und Entmutigten, auf deren Gesichtern schon die Unzufriedenheit über den strengen Wachtdienst geschrieben stand. Den eisernen Komtur nannten ihn die Söldner, und sie behaupteten allen Ernstes, er schlafe sogar im Harnisch. Er sprach wenig, aber wen sein Blick traf, der richtete sich unwillkürlich auf und stand in strammer Haltung, bis er vorüber war.

      Saß er in seinem Gemach – er hatte sich der bescheidensten eines zu seiner Wohnung gewählt –, so ließ man ihm doch keine Stunde Ruhe. Die Befehlshaber des mittleren Schlosses und der Vorburg schickten Boten, berichteten von neuen Notständen und forderten Verhaltungsregeln. Dann klopften die Soldhauptleute bei ihm an und stellten vor, daß ihre Leute schwierig würden. Sie hätten keine Hoffnung mehr, daß der Orden die Oberhand behalte, und wenn die Marienburg erliege, werde schwerlich der König ihre Rechnungen ausgleichen. Was wollt ihr? bedeutete der Stadthalter sie dann wohl. Wenn ich euch auf Heller und Pfennig bezahlte oder euch ausreichend Pfand gäbe, hättet ihr dann Sicherheit? Nimmt der König die Burg mit Sturm, so wird er keinen der Euren abziehen lassen, bevor seine Taschen geleert sind. Euch kann nur geholfen werden, wenn ihr dem Orden helft, die Burg zu behaupten. Dann soll niemand zu klagen haben. So beschwichtigte er sie für den Augenblick, aber er wußte wohl, daß er sich nicht fest auf sie verlassen könne.

      Endlich, in der ersten Woche des August, geschah denn auch etwas, das der Statthalter lange befürchtet hatte: die eigenen Brüder verzweifelten an dem glücklichen Ausgange des ungleichen Kampfes. Sie schickten den Bruder Erich von Weißensee zu ihm, einen alten Mann mit schneeweißem Haar und Bart, der schon viele Jahre lang an der Firmarietafel gesessen, nun aber wieder die Waffen angelegt hatte, um in der allgemeinen Not auch seine schwachen Kräfte nicht vorzuenthalten. Der zitterte freilich nicht vor Altersschwäche, als er nun vor ihm stand und bat, ihn gütig anzuhören, wennschon ihm seine Rede nicht gefallen könne. Ich kämpfte schon wider den wilden Litauer, sagte er, als Ihr noch ein Knabe waret, und mehr als ein Hochmeister hat mich belobt wegen meiner Tapferkeit und Mannhaftigkeit. Auch jetzt, obschon das Alter meinen Arm geschwächt hat, daß er Schild und Schwert im Kampfe nicht lange halten könnte, ist doch der Geist noch frisch und die Seele stark wie im Jüngsten. Deshalb werft mir nicht vor, daß ich pflichtvergessen sei, wenn ich zu bedächtigem Handeln rate. Sagt man doch, daß guter Rat von den Greisen komme. Und scheltet auch nicht, wenn ich ihn anbiete. Wohl weiß ich, daß Ihr der Statthalter seid, und will nicht eingreifen in Euer Amt; aber gerade weil Ihr alle Verantwortung tragt, seid Ihr vielleicht befangen in Eurem Urteil und hindert in Euch selbst den Entschluß, der doch unabweislich ist. Mir aber, wie Euch, liegt vor allem des Ordens Sache am Herzen, und deshalb komme ich ungerufen.

      Kommt Ihr aus eigenem Antriebe, werter Bruder? fragte Plauen, um ganz sicher zu gehen; oder wissen auch andere um Euer Vorhaben?

      Ich will Euch nichts vorenthalten, antwortete der Ritter, die Brüder sind nicht zusammengetreten ohne Euer Gebot, aber viele hatte ich zu sprechen Gelegenheit, und alle waren sie derselben Meinung, so daß ich wohl mit Sicherheit voraussagen könnte, wie sie im Kapitel stimmen würden. Sie halten dafür, daß diese Burg keinen Entsatz zu erwarten hat und daß sie in kurzer Zeit fallen muß. Und sie überlegen weiter, daß dann die ganze Besatzung kriegsgefangen ist und der Orden seine letzten tapferen Streiter verloren hat, der König aber mit denen nicht verhandeln wird, die er unbedingt in seiner Macht hat. Jetzt ist er vielleicht noch geneigt, mit den unbesiegten Verteidigern des Haupthauses, mit dem Statthalter des Ordens, Frieden zu schließen –

      Einen schimpflichen Frieden, fiel Plauen ein; keinen anderen haben wir zu erwarten.

      Einen Frieden, der dem Orden schwere Opfer auferlegt, berichtigte der Greis, keinen schimpflichen Frieden. Denn es kann uns kein Schimpf sein, daß wir einen Teil verloren geben, wenn wir hinderten, daß alles verloren war, und wenn wir der Notwendigkeit weichen. Dem einzelnen Manne mag es zum Ruhm gereichen, wenn er, den sicheren Tod vor Augen, doch ritterlich mit eingelegter Lanze auf seinem Posten ausharrt bis zum letzten Atemzuge. Ihr aber steht nicht nur für Euch selbst, und keiner von uns steht hier nur für sich selbst und seine Mannesehre. Wir sind die Brüder vom Deutschen Hause und müssen sorgen, daß das Haus erhalten bleibe, damit es sich künftig wieder fülle. Lassen wir den Feind einziehen, so werden die Brüder es nie mehr zurückgewinnen. Geben wir jetzt aber einen Teil unseres Besitztums hin, damit wir Frieden erhalten, so kommt wohl noch die Zeit, wo wir das Verlorene wieder einbringen und uns reichlich entschädigen. Deshalb rate ich: sucht den Frieden mit dem König und seid versichert, daß niemand Euch tadelt. Im Kapitel darf keiner von den Brüdern wagen, einen solchen Vorschlag zu machen; wenn Ihr selbst aber sie darum befragt, werden sie einstimmig beitreten.

      Und Ihr verlangt, rief Plauen, daß ich die Sache, für die ich mit Leib und Leben eingetreten bin, für die ich die Brüder zum Kampfe gerufen habe, aufgebe, daß ich mich aufs tiefste erniedrige vor unserm Todfeinde? Habt ihr mich deshalb zu eurem Statthalter erwählt, daß ihr meiner Ehre diesen Makel anheften könntet? Nein, verlaßt mich, wenn ihr wollt – setzt mich ab –, tötet mich, aber verlangt nicht, daß ich euch entehre!

      Bändigt Euren Stolz, bat der Ritter, und bedenkt, daß wir alle nur Saatkörner sind in der Hand Gottes. Er streut sie aus, wie er will. Demütigt Euch vor der Heiligen Jungfrau, der Schutzpatronin dieses Hauses, und vergeßt nicht, daß ihr Sohn auch weltliche Schmach auf sich genommen hat, um seinem Vater im Himmel zu gefallen. Und eine Schmach ist's Euch nicht einmal, wenn Ihr als Oberhaupt des Ordens tut, was jeder Fürst in gleichem Falle unbedenklich tun würde, sich nach verlorener Schlacht sein Land zu erhalten. Der Orden ist besiegt, und der Besiegte bittet den Sieger um Frieden, so war's von Anbeginn. Tut, was Ihr vor Gott verantworten könnt.

      Plauen stützte die schwere Stirn in die Hand und starrte auf den Tisch. Laßt mich's überlegen, sagte er mit keuchender Stimme. Wahrlich, es kommt mir schwer an, nachzugeben! Lieber ließe ich mein СКАЧАТЬ