Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
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Überall auf dem Wege fand Letzkau Dörfer und Gutssitze verwüstet oder besetzt von feindlichen Kriegshaufen. Die Köllmer und Bauern, die er sprach, waren mutlos und hielten jeden weiteren Widerstand für nutzlos und verderblich. Im Schlosse zu Subkau war es lebhaft wie in einem Bienenkorbe. Dort hielt der Bischof stets offene Tafel für die polnischen Offiziere. Seine Waldmeister und Fischmeister mußten für Wild, Geflügel und Fische sorgen; das fetteste Schlachtvieh wurde von seinen Kämmerern aufgekauft oder auch halb mit Gewalt den Besitzern abgenommen. Seinem Keller fehlte es nie an Wein und Met, seinem Nachtisch nie an Honigkuchen und anderen Leckerbissen. Deshalb war man auch seines Lobes voll im königlichen Hauptquartier, und täglich kamen und gingen Boten mit geheimen Briefschaften. Man sagte, der Bischof habe aus Haß gegen den Orden dem Könige sogar verraten, wo in den Kirchen die kostbarsten Bildwerke und Geräte zu finden seien, damit er seine Beute vergrößere.
Der Bischof von Kujawien war ein kleiner, hagerer Mann, sehr beweglich und redegewandt. Seine hohe Stirn schien wie mit gelblichem Pergament straff überspannt, die Augenbrauen liefen über der schmalen Nase in feine Spitzen aus, die listigen Augen lächelten unablässig halb geschlossen. Er ließ Letzkau sogleich in sein Kabinett eintreten, ging ihm bis zur Tür entgegen und bot ihm den Ehrensitz in einem hochlehnigen, mit Kissen bedeckten Sessel. Ihr habt lange auf Euch warten lassen, sagte er; der König ist schon ungeduldig. Aber ich kenne die Danziger: sie übereilen sich im Handel nicht und bringen ihre Ware erst zu Markt, wenn sie viel begehrt ist. Nun – Ihr kommt gerade zur rechten Zeit.
Letzkau gefiel dieser leichtfertige Ton wenig, aber er überwand seinen Widerwillen gegen den ränkesüchtigen Priester und antwortete, auf seinen Scherz eingehend: Wir gedenken auch jetzt nicht, um jeden Preis loszuschlagen, was sich halten läßt. Die Stadt Danzig hat feste Mauern und ist nach der See offen. Der Orden hat ein starkes Haus, und wenn wir es ihm bewahren helfen, dürfen wir wohl auf seinen Dank rechnen.
Der Bischof lachte. Ich meinte, ihr Danziger habt schon erfahren, wie der Orden treue Dienste lohnt. Ihr wißt so gut wie ich, daß Dank nur beim Könige zu erwarten ist.
Vielleicht – wenn er die Macht hat, sich dankbar zu beweisen, antwortete Letzkau, es wird dann sein eigener Vorteil sein.
Zweifelt Ihr noch? Das ganze Land hat ihm bereits gehuldigt.
Die Marienburg widersteht.
Pah! Wie lange? Wir sind genau von dem unterrichtet, was innen vorgeht, ich habe einen geschickten Kundschafter dort. Er hat sich auf mein Geheiß einschließen lassen und bindet nun von Zeit zu Zeit einen Zettel an den Pfeil, den er von der Mauer zu uns hinüberfliegen läßt. Plauen hat wenig über viertausend Mann in seinem Dienst in den weitläufigen Werken. Unter den Söldnern ist viel träges und nichtsnutziges Gesindel. Auch hat er die ganze Vorburg mit Weibervolk und Kindern überladen, die nur überall im Wege sind und den Vorrat an Lebensmitteln schnell aufzehren helfen. Auf Entsatz darf er nicht hoffen. Was bleibt ihm übrig, als sich auf Gnade oder Ungnade zu ergeben?
Und wenn der König mit dem Orden Frieden schließt?
Er nimmt nur völlige Unterwerfung an, das ist sein Schwur.
Solche Schwüre bricht die Not.
So sorgt dafür, daß ihn die Not nicht zwinge, sie zu brechen. Auf euch, die Bürger dieses Landes, wird er sich am liebsten stützen; beweist ihm, daß er euch ohne Rückhalt vertrauen kann.
Freilich würde unsere Stärke seine Stärke sein. Zu unserer und seiner Sicherheit müßten wir große Forderungen stellen und Pfänder in Händen haben.
Fordert! Ich will's an ihn bringen und für euch vermitteln. Mir selbst ist daran gelegen, daß der König nicht übermütig wird.
Letzkau überlegte eine Weile. Ich will erst mit eigenen Augen sehen, sagte er dann. Im Lager wollen wir weiter über die Sache verhandeln. Die großen Städte stehen zusammen.
Der Bischof preßte die Lippen aufeinander und maß ihn mit einem listigen Blick von der Seite her. Dann schob er sich im Sessel vor, so daß er ihm ganz nahe kam, und sprach zischelnd: Herr Bürgermeister, verständigen wir uns bei guter Zeit. Ich weiß, daß der König Euch hochschätzt und daß ich ihm einen Dienst erweise, wenn ich ihm einen solchen Mann gewinne. Darum bemühe ich mich gern für Euch. Sagt ohne Umschweife: Was begehrt Ihr für Euch selbst?
Letzkau stand rasch auf. Nichts, rief er unwillig, bei Gott dem Allwissenden, nichts! Ich stehe hier und vor dem Könige nur für die Stadt Danzig. Ihr beleidigt mich durch solchen Verdacht.
Der Priester lächelte und zog ein wenig die Achsel auf. Gut – gut, sagte er, ich lobe solche Gewissenhaftigkeit und achte Euch deshalb um so höher. Es sollte mir leid tun, wenn Ihr versäumtet, Euch beim König eine Gnade auszubitten, was durchaus mit der strengsten Pflicht bestehen kann. Weiter wollte ich nichts sagen. Gehen wir zu Tisch! Ich begleite Euch dann selbst ins Lager. Überzeugt Euch dort, daß ich in allem recht habe und zum Besten rate.
Bei der Tafel ging's hoch her. Die polnischen Hauptleute betranken sich und würfelten dann um Beutestücke. Sie erzählten weinselig, daß der König jedem polnischen Edelmann ein Landgut in Preußen zugesichert habe. Dann kam es zum Streit zwischen ihnen und zwei litauischen Starosten, die prahlerisch behaupteten, daß der Großfürst Witowd der eigentliche Kriegsherr sei, der König ihn aber aus Neid zurücksetze. Die Säbel wurden gezogen, es floß Blut; nur mit Mühe konnte der Wirt seine Gäste beschwichtigen. Dann tranken sie wieder um so unmäßiger auf die Versöhnung, bis sie friedlich nebeneinander am Boden lagen.
Letzkau hatte sich längst zurückgezogen. Neben ihm bei Tisch saß der Bischof Heinrich von Ermland, und gegenüber hatten einige Herren aus Thorn ihren Platz gehabt, die ebenfalls als Sendboten ihrer Stadt kamen. Mit ihnen sprach der Bürgermeister lange in einer Fensternische.
Die Thorner entschuldigten sich, daß sie so rasch vom Orden abgefallen wären; ihre Stadt liege aber auf der Grenze, und der König habe dort schon seit Jahren Freunde geworben. Sie hofften nun, daß Danzig ihnen noch nachträglich günstige Bedingungen verschaffen werde.
Übrigens meinten sie es gar schlau eingerichtet zu haben, wenn sie die preußischen Städte zu einer Tagfahrt nach Marienburg beriefen. So sei es auch in Friedenszeiten stets gehalten worden, und der Orden, wenn er wider Erwarten nochmals zu Kräften kommen sollte, könne es ihnen nicht übel deuten, daß sie bei löblicher Gewohnheit geblieben seien und gemeinsam ihre Gerechtsame wahrgenommen hätten.
Gegen Abend stieg die ganze Gesellschaft zu Pferde und ritt, der kujawische Bischof an der Spitze, ins königliche Lager. Wagen mit Lebensmitteln und Zelten folgten. Zur Nachtzeit langte man an.
19. DIE BELAGERUNG DER MARIENBURG
Traurig genug sah's in der Marienburg aus. Ununterbrochen vom frühen Morgen bis zum späten Abend donnerten die Kanonen vom Turm der Stadtkirche gegen die Mauern des rechten Schlosses. Ein großer Teil der Brustwehren auf dieser Seite war zerstört, und wenn auch die städtischen Bauhandwerker fleißig mit Ziegelsteinen und Mörtel arbeiteten, so waren doch die Nächte zu kurz, eine vollständige Herstellung zu ermöglichen, und schnell rissen bei Tage die gut gezielten Kugeln das frische Mauerwerk wieder СКАЧАТЬ