Gesammelte Werke. Ernst Wichert
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ernst Wichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027237517

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СКАЧАТЬ Aber auch Ulrich von Jungingen stürmte gegen den Feind in den Tod, und hätte dem Orden doch besser gedient, wenn er sich am Leben erhalten und sein geschlagenes Heer hinter der nächsten Burg gesammelt hätte. Es gehört freilich manchmal mehr Mut dazu, zu leben, als zu sterben.

      Plauen richtete sich auf und reichte ihm die Hand. Ihr habt recht, antwortete er. Wohlan denn – es muß sein! Beruft die Brüder morgen in der Frühe, daß ich ihre Vollmacht einhole. Ich will dem König einen Frieden antragen, solange wir noch Macht haben, den Krieg fortzusetzen. Möge er dem Orden nicht zu teuer werden!

      Er winkte, und der Ritter ließ ihn allein. Nun stand er auf und ging mit schweren Schritten im Gemach hin und her, oft mit der Hand ins buschige Haar greifend. Seine Stirn war finster, seine grauen Augen hatten einen fiebernden Glanz. Doch – doch … murmelte er. Alles vergebens! Sie folgen nicht weiter – sie halten nicht aus bis zum Ende. Klug mag's sein – vielleicht! Aber tapfer ist's nicht, heldenmütig ist's nicht! Sie sind die Ritter nicht mehr, denen Siegfried von Feuchtwangen Gesetze schrieb. Sie verstehen es kaum, daß mein Herz sich empört, diesen traurigen Gang zu gehen.

      Aber wenn ich ihn weigere –? Nein, ich bin ihres Beistandes nicht sicher – sie halten nicht aus bis zum Ende! Zu groß war mein Vertrauen! Auch diese äußerste Not erzieht dem Orden keine todesmutigen Helden mehr. Sie wollen verhandeln, und ich – ich –! Nieder in den Staub!

      Die Tür öffnete sich, und Hans von der Buche trat ein, er hatte eine Bestellung von des Statthalters Vetter, dem Befehlshaber der Vorburg, zu überbringen. Der wollte bemerkt haben, daß man im Lager einen Sturm vorbereitete, und forderte einen Teil der Besatzung des mittleren Hauses zur Aushilfe. Ich wollte, er hätte recht gesehen! rief der Statthalter. Der König soll wissen, daß er noch weit vom Ziele ist. Ein

      siegreicher Kampf diese Nacht, und unsere Niederlage morgen ist nicht so schwer! Unsere Niederlage? fragte der Junker bestürzt. Ich hoffe – Sorgen wir nicht um morgen, unterbrach Plauen. Heute wollen wir kämpfen wie Männer! Ich komme selbst!

      Er warf den Mantel um, gab im Vorgemach Befehle und hieß Hans von der Buche ihm folgen. Im mittleren Schlosse ordnete er an, daß ein Teil der Mannschaft zur Nacht gerüstet unter der Mauer am Graben Wache halten und auf ein gegebenes Zeichen nach der Vorburg eilen solle.

      Dann ging er über die Brücke. Der weite Hof der Vorburg sah einem Wanderlager von Nomadenvölkern ähnlich. Hier hatten die Marienburger und die Bauern aus dem Werder ihre Habseligkeiten zusammengehäuft. Jeder Familienvater hatte einen besonderen Raum angewiesen erhalten und sich darauf in der Enge einzurichten gesucht. Aus Brettern waren Baracken zusammengeschlagen; viele begnügten sich auch mit einem Gerüst von Stangen, über die Decken von verschiedener Größe und Farbe befestigt waren. Das Vieh stand daneben in Hürden. Häufig brach ein Stück aus und wurde dann von den Weibern und Kindern durch die Lagergassen mit Geschrei zurückgetrieben, bevor es den Söldnern in die Hände fiel, die dergleichen gute Beute ungern herausgaben. Auf offenen Herden hingen große Kessel über den Feuern, und die Bürger- und Bauersfrauen mußten sich daran gewöhnen, hier ihr gemeinsames Mahl zu bereiten, da in den Baracken und Zelten keine Feuerstelle gelitten wurde. Bewaffnete Männer saßen hier und dort, die irdene Schale mit dem Abendessen auf den Knien, wohl auch einen Krug mit Tafelbier zur Seite, sich zum Nachtdienst zu stärken. Von Zeit zu Zeit ließ sich der dumpfe Ton eines Geschützes vernehmen, eine Steinkugel schwirrte durch die Luft und fiel nicht weit von der Mauer in den Sand, viel Staub aufwirbelnd. Man achtete kaum darauf.

      Plauen schritt mit seinem jungen Begleiter mitten durch das Lager, mitunter eine Minute stehenbleibend und dem Treiben der Leute zuschauend. Sein Dienst im alten Schlosse hatte ihm bisher nicht erlaubt, hier in den Außenwelten sich umzutun. Welches Elend, dachte er schaudernd, wenn der wilde Feind hier einbricht – Tataren und Russen! Dahin darf es nicht kommen!

      Indem fiel es ihm schwer aufs Herz, daß auch Waltrudis in der Nähe weilen mußte, derselben Gefahr ausgesetzt. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend nur um die Verteidigung der Burg bekümmert und mit Sorgen beladen, wie er der allgemeinen Not abhelfe, hatte er sich des lieben Mädchens kaum einmal flüchtig erinnert. Nun fragte er den Junker, wie es seiner Schutzbefohlenen gehe, und seine sonst rauhe Stimme hatte dabei einen weichen Klang.

      Oh, das Fräulein ist wohlauf, antwortete Hans von der Buche, froh über seine Erkundigung, und hilft der Frau Gießmeisterin wacker in der Wirtschaft und bei der Pflege der Kranken – da am liebsten. Ich fürchte nur, es wird dem zarten Körper zuviel. Unermüdlich ist sie im Wohltun, und überall segnet man ihre hilfreiche Hand.

      Der Statthalter ließ einen forschenden Blick über ihn hingleiten. Seht Ihr Waltrudis oft? fragte er.

      Der Junker sah zur Erde. Täglich von weitem, wenn sie nach dem Spital geht. Frau Ambrosius leidet nur selten Besuch in ihrem Hause, und wenn ich in Eures edlen Vetters Auftrag mit dem Manne zu sprechen habe, ist sie meist oben in ihrem Turmstübchen. Aber manchmal schenkt sie mir doch ein paar Worte und fragt dann jedesmal nach Euch, gnädiger Herr, immer in großer Sorge.

      Ein freundliches Lächeln glitt über das ernste Gesicht des Ritters. Ich will sie heute noch sehen, sagte er nach einigem Bedenken. Ihr sollt mich zu ihr führen, wenn es die Zeit erlaubt. Dann wandte er das Gesicht und murmelte in den Bart: Wahrlich, ich bedarf des stärkenden Zuspruchs einer reinen und treuen Seele.

      Die wenigsten von denen, die den Statthalter vorübergehen sahen, schienen ihn zu kennen; nur selten grüßte einer von den Männern ehrerbietig. Als sie aber an einer Herdstelle vorüberkamen, um die sich die Soldknechte, Troßbuben und allerhand Leute mit verwetterten Gesichtern gelagert hatten, richtete sich ein Armbrustschütze auf, betrachtete den Mann im weißen Mantel aufmerksam und folgt ihm dann in einiger Entfernung.

      Es war derselbe Mensch, dem wir schon begegnet sind, als Waltrudis mit den Pferden auf Hans von der Buche wartete. Er hatte sich seitdem viel in der Nähe der Wohnung des Gießmeisters umgetrieben und auf das Fräulein achtgehabt. Einmal hatte er sich auch ins Haus gewagt und mit Frau Ambrosius ein Gespräch über ihren offenbar vornehmen Besuch angeknüpft, war aber bald abgetrumpft worden. Ein andermal machte er sich an den Junker und bot ihm seine Dienste an. Er nannte sich Liszek und behauptete, bei verschiedenen großen Herren in Polen und im Ordenslande gedient zu haben. Hans traute seinem spitzbübischen Gesichte nicht und wies ihn ab.

      Der Statthalter suchte zunächst seinen Vetter auf und hielt mit ihm eine lange Verabredung für die Nacht. Auch sagte er ihm, was wegen der Verhandlung mit dem Könige im Werke sei, damit es ihn später nicht überrasche. Denn er hielt seinen Verwandten in hohen Ehren und wollte von ihm nicht verkannt sein. Es ist nicht anders, bestätigte ihm der wackere Kriegsmann seufzend, der Orden muß um Frieden bitten und für jetzt in allen Streitpunkten nachgeben. Sorgt nur, daß der König nicht zu übermütig fordere.

      Unsere Nachgiebigkeit hat ihr Maß, versicherte der Statthalter.

      Hans von der Buche erwartete ihn draußen und führte ihn zu der Wohnung des Gießmeisters. Wieder folgte der Strolch von weitem, ohne sie aus den Augen zu lassen.

      Die gehören also zusammen, sprach er vor sich hin, als er den Statthalter eintreten sah; das muß man sich für alle Fälle merken. Dachte ich doch gleich, daß da einer sein Dämchen in Sicherheit gebracht habe. Der also –!

      Er lauerte noch eine Weile. Da die Männer nicht zurückkamen, schlich er hinter eine Mauerecke, wo er nicht leicht gesehen werden konnte, schrieb auf einen schmalen Streifen Papier in polnischer Sprache die Worte: »Der Statthalter ist in der Vorburg – zielt auf den dritten Turm« und wickelte ihn um einen Armbrustbolzen. Er ging dann eine Strecke weiter, die hölzerne Stiege hinauf, die zum Mauergange führte, und mischte sich unter die Wachen. Laßt mich auch einmal einen Schuß tun, bat er. Ich sehe, daß die Burschen sich heute nahe genug heranwagen; das ist unverschämt. Gleich darauf legte er die Armbrust СКАЧАТЬ