Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
isbn:
Wie, Nichtswürdiger, Ihr wollt mich hier vielleicht wochenlang der Freiheit berauben?
Es ist durchaus notwendig zu meiner Sicherheit und der guten Sache wegen. Fügt Euch in Geduld. Es soll Euch hier im Schlosse an nichts fehlen. Ich will Euch des Herrn Hochmeisters Gemach nach Eurer Bequemlichkeit einrichten lassen und meinen eigenen Diener zu Eurer Verfügung stellen.
Den spitzbübischen Polen! Der steckt freilich mit seinem sauberen Herrn unter einer Decke. Ich rate Euch: gebt mich frei. Jede Stunde, die Ihr mich länger in Gefangenschaft haltet, könntet Ihr schwer zu bereuen haben.
Er machte eine ablehnende Bewegung mit der Hand. Spart Euch solche Drohungen. Sie können mich nur darin bestärken, Euch die Macht zu nehmen, mir zu schaden.
Und wenn ich einen feierlichen Eid leiste, zu schweigen? Genügt das zu Eurer Sicherheit, Komtur?
Er bedachte sich einen Augenblick. Ihr könntet sagen, der Eid sei erzwungen worden.
Gott weiß, daß ich mich dazu erboten habe, um die Freiheit zu gewinnen.
Aber die Menschen wissen's nicht, und es gibt gefällige Priester, die von solcher Gewissenspflicht lossprechen.
Natalia schwieg eine Weile und sah mit finsteren Blicken zur Erde. Die rechte Hand war zu einer Faust zusammengekrampft, und die Fußspitze bewegte sich ungeduldig auf und ab. Ihr spracht von einem Lösegeld, sagte sie dann grollend. Ich dachte dabei nicht an heut und nicht an morgen, Fräulein. Eins freilich wüßte ich, das schnell jeden Argwohn beseitigen und mich der Notwendigkeit entheben könnte, Euch mit Gewalt zurückhalten zu müssen.
Und das –?
Bedenkt, welche Geständnisse ich Euch im geheimen gemacht habe. Nie hatte ein anderes Weib über mich solche Macht. Tag und Nacht denke ich nur darauf, wie ich mir Eure Neigung gewinne, in allen meinen Träumen ist Euer Bild. Oh, wenn Ihr mich gütig erhören wolltet! – Er trat wieder vor und streckte den Arm nach ihr aus.
Elender Wicht – Meineidiger! rief sie und stieß ihn zurück.
Nenne mich, wie du willst, flüsterte er, aber glaube mir, daß mich bei deinem Anblick ein brennendes Feuer verzehrt, das keine Vernunft löschen kann! Elend bin ich, wenn du mich verschmähst, meineidig, wenn ich meinem Herzen den Schwur nicht halte, dich zu besitzen. Ich lasse nicht ab von dir, schöne Zauberin – ich bin in deinem Bann für Zeit und Ewigkeit. Was ist deine Gefangenschaft gegen meine? Mit eisernen Ketten bin ich angeschmiedet und lechze nach einem Trunk, nicht zu verdursten. Erbarme dich meiner! Gib mir ein Zeichen deiner Huld und sei frei. Den Mann, dem du deine Liebe schenkst, wirst du nicht verraten!
Er sank in die Knie nieder und hob flehend die Hände zu ihr auf. Natalia maß ihn mit einem Blick der Verachtung. Steh auf, antwortete sie rauh. Jedes deiner Worte ist mir eine Beleidigung. Ich hasse, ich verabscheue dich. Aus meinen Augen, Jämmerlicher!
Da erfaßte ein krampfhaftes Zittern seine ganze Gestalt. Von wilder Leidenschaft gepackt, sprang er plötzlich dicht vor ihr auf, umfaßte sie, riß sie an sich und suchte mit seinen brennenden Lippen ihre Wange und ihren Mund. Mit allen Kräften wehrte sie ihn von sich ab, aber er war der Stärkere. Um Hilfe zu rufen, war vergebens. Schon mußte sie seine heißen Küsse leiden. Da machte sie eine letzte gewaltsame Anstrengung. Sich rasch wendend, bekam sie ein wenig Luft, griff mit der Hand zwischen den Gürtel nach der Waffe und stieß sie einen Augenblick darauf gegen seine Brust. Mit einem Aufschrei ließ er ab von ihr, taumelte und sank rücklings zu Boden. Aus seinem Wams drang ein Strom roten Blutes.
Er griff mit der Hand nach der Stelle, wo er getroffen war. Schlange – Schlange – stöhnte er, und dann: Verruchte Hexe – womit hast du mir's angetan? Ah – das ist – mein Tod!
Natalia stand noch eine Sekunde lang wie zu neuem Angriff gerüstet. Die Hand mit dem kleinen Dolche hatte sich bis zur Brusthöhe gehoben, die Spitze von sich abgekehrt. Sie atmete hastig; die Lippen waren von den festverbissenen Zähnen zurückgezogen, die Augen sprühten Blitze gegen das Opfer ihres Zorns. Als sie sah, daß er sich vom Boden nicht erhob, ließ die Anspannung nach. Die Hand, die den Dolch hielt, fing ein wenig an zu zittern; langsam sank sie hinab bis zum Gürtel, hinter dem dann die Waffe verschwand. Hast du deinen Teil, Unhold? murmelte sie. Beklage dich nicht. Ich riet dir, mich in Frieden ziehen zu lassen. Ohne sich um den ganz Hilflosen weiter zu kümmern, nahm sie eilig einen der langen weißen Rittermäntel auf, die in Packen auf den Holzgestellen an der Wand lagen, und warf ihn um die Schultern. Auf den Kopf setzte sie das dazu gehörige weiße Barett mit dem schwarzen Kreuz, es tief über die Stirn drückend. So schritt sie der Tür zu.
Der Komtur machte Anstrengungen, sich aufzurichten, ihre Flucht zu hindern. Aber der Schmerz warf ihn wieder zu Boden. Er versuchte zu schreien, brachte aber nur einen röchelnden Ton hervor. Natalia schlüpfte aus der Tür und schloß sie gleich wieder. Dann ihre ganze Willensstärke zusammennehmend, schritt sie langsam und hochaufgerichtet den oberen Hallengang entlang, die Treppe hinab und durch das Portal auf die Außenmauer zu, in der sich zwischen zwei Wachttürmen das Tor befand. Es war inzwischen so dunkel geworden, daß man auf einige Entfernung die Gegenstände nicht genau zu erkennen vermochte. Die Wächter ließen sich täuschen. Sie waren an nächtliche Ausgänge der Kreuzherren gewöhnt. Ohne den Befehl abzuwarten, öffneten sie das Pförtchen und ließen die Fallbrücke hinab. Wenige Minuten später war Natalia jenseit des Grabens und in Sicherheit.
Sie setzte den Weg in ihrer Verkleidung noch eine Strecke fort. Erst als sie die Stadt hinter sich hatte und in ein Wäldchen eintrat, warf sie Mantel und Mütze in die Büsche und eilte nun in rascherem Schritt in der Richtung auf Buchwalde zu.
In der Nacht kam sie dort an, von den Hofhunden wütend angefallen, aber bald erkannt und dann mit frohem Gebell bis zum Tor des alten Hauses begleitet. Sie wußte, daß Hans dort seine Schlafstelle hatte, klopfte an seine Tür und trat ein, ohne seine Aufforderung abzuwarten.
Hans hatte sich nach Entfernung des letzten Gastes auf sein Lager geworfen. Der Schlaf aber wollte nicht kommen. Sein Gewissen war schwer beunruhigt durch die Beschlüsse des Eidechsenbundes, denen er zwar nicht zugestimmt hatte, an die man ihn aber sicher gebunden hielt. Er erinnerte sich wieder der Warnungen des Schwetzer Komturs. Worauf anders dachten die Genossen als auf den schimpflichsten Landesverrat? Und einen wie tiefen Blick hatte er in die innersten Verhältnisse der Ordensbrüderschaft selbst getan! Dieser Komtur, der mit den Feinden gemeinsame Sache machte, das Vertrauen seines Meisters so schnöde mißbrauchte, den Landesschoß unterschlug, Söldner ins Land zog, um sie gegen des Ordens Haupthaus zu führen, seine Burg den Polenfreunden übergeben wollte! Der Kopf wirbelte ihm. Nie hätte er solche Niedertracht auch nur für denkbar gehalten. Und sollte er dazu schweigen? Dieser Hochmeister, den er verehrte wie keinen anderen Mann, war in Gefahr, seine Herrschaft zu verlieren, und er sollte ihn nicht einmal warnen? Aber sein Eid! Freilich galt er nur den Verpflichtungen, die der Bundesbrief auferlegte, die von solcher Verräterei nichts wußten. Aber war's nicht auch Verrat der Bundesgenossen, wenn er ihre Heimlichkeiten anzeigte? Hätte es nur ein Mittel gegeben, ihre finsteren Pläne zu durchkreuzen, ohne ihre Personen zu gefährden.
Nun fuhr er vom Lager auf und rief erschreckt: Wer ist da?
Ich bin's – Natalia, antwortete sie, die Hand auf seine Schulter legend.
Du, Kind – und so spät in der Nacht? Was willst du?
Ich habe Grund, dich zu wecken.
Du СКАЧАТЬ