Gesammelte Werke. Ernst Wichert
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Ernst Wichert страница 146

Название: Gesammelte Werke

Автор: Ernst Wichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027237517

isbn:

СКАЧАТЬ wollte Er hob einen Zinnkrug von dem Gestell an der Wand und ging hinaus, zu schöpfen. Natalia trank in langen Zügen. Es ist wenigstens kühl, meinte sie. Dann beschäftigte sie sich schweigend mit der Mahlzeit.

      Nach einer Weile begann das Fräulein wieder: Wißt Ihr, daß es mir bei Euch besser und besser gefällt, je öfter ich Euch im Walde besuche? Ich habe nicht schlechte Lust, mir hier in der Nähe auch so ein Holzhaus aufrichten zu lassen und darin Sommer und Winter zu wohnen. Denn hier bei Euch werdet ihr mich schwerlich leiden wollen, ob Ihr schon eine Wirtschafterin auf Eure alten Tage gar gut brauchen könntet. Ich glaube, wir würden ganz gute Gesellen werden.

      Gundrat sah sie unter den buschigen Augenbrauen her prüfend an, ob sie im Ernst spräche. Ihr wäret toll genug, so etwas auszuführen! rief er. Geht, geht! Ihr seid jung und habt ein hübsches Gesicht; da kann es Euch draußen nicht fehlen. Die Waldeinsamkeit ist für Leute, die mit der Welt abgeschlossen haben.

      Natalia zuckte die Achseln. Deshalb gerade möcht' ich sie aufsuchen. Ich habe die Welt satt, so jung ich bin. Wär ich von anderer Gemütsart, ich ginge in ein Kloster, glaubt mir. Aber ich fürchte mich vor dem Singen und Beten und vor den langen weißen Gewändern, die aussehen wie Leichenhemden. Ich könnte mich auch der Regel nicht fügen und gäbe gewiß täglich Ärgernis. Aber ganz einsam im Walde leben, frei und niemand zum Gehorsam schuldig, das wäre mir nach Wunsch.

      Der Waldmeister hob ein Brett in der Wand und warf die Reste der Speisen durch die Öffnung in den Hundestall, der sich dort anschloß. Dann setzte er die Kanne an den Mund und leerte sie auf einen Zug. Die Kohlen auf der Herdplatte schob er unter die Asche. Antwort schien er nicht geben zu wollen.

      Natalia hatte ein Stück Holz aufgenommen und spaltete mit ihrem Dolchmesser lange Splitter ab, um es so zu reinigen. Sie strich es dann noch sorgsam auf dem Ballen der Hand ab und verwahrte es in der Scheide. Sagt Ihr kein Wort darauf? fragte sie endlich.

      Das sind kindische Reden, meinte er. Was wird's sein, das Euch drückt? Hat Euer Liebster einer andern zu keck in die Augen gesehen? Dann ist bei dem Weibsvolk gleich der Rat aus.

      Ich habe keinen Liebsten, entgegnete sie rauh.

      So ist's deshalb. Aber das findet sich.

      Das findet sich nimmermehr.

      Kommt in den Wald, ich bin nicht Euer Beichtiger. Er nahm die Armbrust von der Wand und füllte seine Ledertasche mit Bolzen aus einem Kasten, der hinter der Lade stand. Natalia erhob sich seufzend und griff nach ihrem Spieß.

      Da fällt mir ein, sagte der Alte, daß Ihr mir wohl noch einen Dienst erweisen könntet. Seid Ihr imstande, Geschriebenes zu lesen?

      Wenn's deutsch oder polnisch ist –

      Es ist deutsch. In Graudenz hat kürzlich ein Jude, der von Danzig flußauf kam, einen Brief für mich abgegeben. Ein Bauer aus Otonin, der mit Flachs zur Stadt war, hat ihn mitgebracht und mir durch seinen Hütejungen zugeschickt. Ich weiß nicht, was darin steht, aber wahrscheinlich fragt der Kaufmann wegen des Wachses und Honigs an, da ich in diesem Frühjahre nicht dort gewesen bin. Lest mir den Brief, wenn es Euch gefällt.

      Er hob den Deckel der Lade und nahm eine kleine Papierrolle heraus, die mit einem Faden umwickelt war. Das Siegel daran zeigte sich schon gelöst und gebrochen.

      Natalia öffnete und las laut: »Lieber Waldmeister! In großer Not schreibe ich Euch diesen Brief, ob Ihr mir helfen möget. Denn wisset, daß ich in der Tannenberger Schlacht schwer getroffen und niedergeworfen und nach Polen in Gefangenschaft gekommen, aber nach vielen Monden wundersam gerettet bin. Auch gütig empfangen von meinem gnädigen Herrn, dem Herrn Hochmeister, und in seinem Gefolge geritten, darauf aber mit Urlaub nach Danzig gegangen, eines jungen Fräuleins wegen, daß ich mir ihre Hand erbitte. Und ist das Fräulein eines reichen Kaufherrn Tochter, der im Rat der Rechten Stadt gesessen hat, bis der Herr Hochmeister ihn wandelte, und mir wohlgeneigt. Aber der Vater ist trotzigen Sinnes und wendet sich von mir, weil ich in meiner Armut nichts besitze als Schwert und Schild, und weil ich denen diene, die ihm von allen Menschen am meisten verhaßt sind. Also bin ich in großer Sorge mit meinem Herzen, wie ich dem Fräulein Wort halte und des Vaters Widerwillen bezwinge. Sind wir deshalb einig geworden im geheimen, daß ich sie entführe und zu Schiff fortbringe und an einem stillen Orte herberge, wo niemand sie sieht und verrät. Lieber Waldmeister! So schien mir Eure Hütte zu solchem Werk wohl gelegen, und frage ich Euch ernstlich an, ob Ihr das Fräulein herbergen wollet kurze Zeit, bis der Vater ja gesagt hat, denn sie ist doch sein einziges Kind und sehr in seinem Herzen. Solchen Dienst wollt ich Euch wohl reichlich lohnen können in späteren Jahren. Kommt deshalb, wenn es irgend sein kann, selbst bis Dirschau entgegen und gebet mir von dort Nachricht hierher in das Haus am Glockentor, das man zum Schwarzen Bären nennt. Es soll wahrlich alles in Züchten und Ehren geschehen, dazu helfet. Scheut Ihr aber die Reise, so kerbet einen Bolzen Eurer Armbrust dreimal über Kreuz und schickt ihn mir durch einen sicheren Boten als ein Zeichen, daß Ihr mir freundlich willfahren wollet. Meinen Namen schreibe ich hierunter nicht, weil dieser Brief in unrechte Hände kommen kann. Aber Ihr kennt mich wohl. Erinnert Euch dessen, der Euch in Danzig an der Ratswaage von großer Fährlichkeit gerettet hat und der dann später eine Nacht Euer Gast gewesen ist. Gott und alle Heiligen mit Euch!«

      Der Waldmeister hatte, an die Lade gelehnt und die Arme über der Brust gekreuzt, aufmerksam zugehört, als wolle er sich kein Wort entgehen lassen. Die Augenbrauen hoben und senkten sich, die Stirn wurde blutrot und der geöffnete Mund zeigte, was ihm von Zähnen übriggeblieben war. Natalia erschrak über den grimmigen Ausdruck des Gesichts, als sie vom Blatt aufsah, selbst erregt durch den Inhalt des Briefes. Ehe sie aber noch eine Frage tun konnte, wandte der Alte sich rasch um, schlug mit der Faust auf den Deckel der Lade, daß das Holz ächzte, und schrie: Der Teufel sei dein Gevatter, Bube – der Teufel, der Teufel! Hahahaha! Steckt das im Blut, ist das deines Vaters Erbteil? Oder wachsen der Mutter Sünden weiter und weiter von Glied zu Glied? Ein Mädchen entführen? Hochzeit machen unter freiem Himmel, die Sterne als Zeugen! In Züchten und Ehren – ja, ja! Man kennt das. Der Vater will nicht, das ist sein Recht. Hat er nicht Macht über sein Fleisch und Blut? Und wenn er dann sein Kind findet in Elend und Schmach – im tiefen Walde – und hebt die Faust und schlägt zu … ah – ah! und trifft die Stirn … und da, da … Er stöhnte laut, seine Augen waren starr auf den Fußboden geheftet, er streckte die Arme aus und bückte sich. Und dann sank er in die Knie, schlug mit den Händen gegen seine Stirn und lallte unverständliche Worte.

      Natalia trat dicht an ihn heran, berührte seine Schulter und versuchte ihn aufzurichten. Wie geschieht Euch plötzlich, fragte sie teilnehmend, und von wem sprecht Ihr da?

      Er sprang auf und ballte die Faust. Aber es soll nicht sein! So wahr der Teufel Macht über meine arme Seele hat, es soll nicht sein! Ich will nicht dazu helfen, daß ein Vater sein Kind verflucht. Es ist genug an dem einen. Zuviel, zuviel! Wie ich ihn hasse, den Bösewicht, den Verführer! In alle Ewigkeit hasse ich ihn. Nein – schon weil er von seinem Blute ist – nein und aber nein!

      Wer ist's, der so an Euch schreibt? fragte Natalia, schon beunruhigt durch schlimme Ahnungen.

      Den Junker Hans von Waldstein nannt' er sich, aber –

      Sie unterbrach ihn durch einen Aufschrei. Der – der! – Und Maria heißt seine Liebste! Es ist Maria – seine Maria!

      Der Alte sah verwundert auf. Wie wißt Ihr –? Aber was geht's mich an? Ich will mit der Sache nichts zu tun haben. Schreibt ihm –

      Er hörte die Tür ins Schloß fallen: Natalia war fortgestürmt.

      Sie riß draußen den Zügel vom Ast, schwang sich aufs Pferd und jagte davon mitten durch das dichte Unterholz, daß die Zweige ihr Brust und Gesicht peitschten. Sie drückte СКАЧАТЬ