Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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      »Es wäre an Richard, an seinem Vater gewesen, davon zu beginnen,« hub Ritterhausen wieder an. »Er tat es nicht. Nun, es konnte sein, daß sie meine Gedanken verkannten und daß sie keine abschlägige Antwort holen wollten von dem, den sie für ihren Feind hielten und der es doch so wenig war. Aber die Zeit verging, der Augenblick rückte immer näher, wo es sich entscheiden mußte, wie wir zueinander standen, und so faßte ich meinen Entschluß. Ich wollte beginnen von der Sache. Es schien mir unmöglich, daß ich von dem adelstolzen Manne als ein Spekulant betrachtet würde, der die Lage eines edlen Hauses benutzt, um ehrsüchtige Zwecke zu erreichen. Die Verhältnisse lagen ja so klar und einfach vor uns, daß es mir gelingen mußte, ihn bald zu derselben Ansicht zu bringen, die ich von ihnen hatte.

      »So ging ich an jenem verhängnisvollen Abende zur Burg hinauf. Ich machte mich dabei auf einen rauhen Empfang gefaßt, der mir in derber Weise ehrlich und offen andeutete, wie man gegen mich gesinnt sei. Ich war vorbereitet, ebenso offen und ehrlich auszusprechen, wie ich dachte und fühlte. So glaubte ich, müsse eine Verständigung bei zwei redlichen Männern, mochten sie immerhin in Span und Unfrieden über das leidige Mein und Dein geraten sein, sich leicht erzielen lassen.

      »Aber es kam ganz, ganz anders. Nicht widerwillig, abwehrend, rauh, empfing mich der alte Huckarde – nein, er war höflich! Ja höflich, höhnisch höflich möchte ich es nennen, dies kalte abgemessene Wesen, das mir in jeder Bewegung, jeder Silbe zu sagen schien: sieh’, du bist ein brutaler, gemeiner, niedrig geborener Mensch, der den Frevel so weit treibt, sich aufzulehnen gegen seinen adligen Erb- und Grundherrn; aber nichtsdestoweniger empfange ich dich mit der herablassenden Seelenruhe und der Höflichkeit des vornehmen Mannes, der nicht um deinetwillen, sondern um seiner selbst willen, aus Achtung vor sich selber, nicht in den Ton und die Weise niedersteigt, in welchen Leute deines Schlages mit groben Worten und ungeschliffenem Wesen ihre Streitigkeiten verhandeln. Ich will dich fühlen lassen, daß du vor einem Höhern stehst!

      »Mochte ich nun recht haben oder unrecht, es so zu deuten – aber ich fühlte von diesem Betragen mir die Lippen zu offener rückhaltloser Rede geschlossen. Ich fühlte mich davon zu einem Zorn gereizt, der innerlich noch mehr aufkochte, als Huckarde sofort seinen Sohn herbeirufen ließ. Was sollte Richard bei dem, was wir zunächst zu verhandeln hatten? Was sollte er anders als eine Lektion erhalten – eine Lektion darin, wie ein Edelmann sich in Verhältnissen und Situationen gleich der unsern zu betragen habe? Wie er unter keiner Bedingung, in keiner noch so drückenden und verzweifelten Lage vor einem Roturier einen Finger breit von seiner Würde nachgebe? Und Richard kam; er hielt sich still und gedrückt im Hintergrunde, während ich mit dem Baron unterhandelte.«

      »Der arme alte Mann!« sagte Sibylle halblaut, während ihre Brust sich unter einer Reihe tiefschmerzlicher Gedanken hob.

      »Vielleicht wäre es im Laufe des Gesprächs möglich gewesen, daß wir uns dennoch in einer ruhigern Stimmung gefunden, daß sich mein vom Zorn verschlossenes Herz überwunden und daß ich meine eigentliche Absicht rundheraus erklärt hätte, obwohl man mich auf die bitterste Weise empfinden ließ, wie hoch und erhaben sich ein Huckarde über einen bürgerlichen Hammerbesitzer dünkte. Aber es trat bald etwas zwischen uns, was jede Brücke zur Verständigung abbrach. Der alte Huckarde erklärte mir im bestimmtesten Tone, daß seine Ehre es nicht dulde, mich auf dem Hammer zu lassen; daß er mit mir nur verhandeln könne, wenn mein Abzug von dem Hammer als ausgemacht vorausgesetzt werde. Denn er habe sein Wort dafür verpfändet, und nichts auf Erden werde ihn vermögen das zurückzunehmen!

      »Auch die Zukunft, die Existenz Ihres Hauses, das Glück Ihres einzigen Sohnes nicht, mein Herr Baron? fragte ich ihn.

      »Nein! antwortete er bestimmt und fest und sich von mir abwendend.

      »Nun, dann bleibt mir nichts übrig, entgegnete ich, als ohne den Friedensschluß heimzukehren, den ich zu erhalten hoffte, als ich kam. Ich muß den Dingen ihren Lauf lassen. Sie wollen die Strenge Ihres Rechts wider mich gebrauchen: ich werde mich verteidigen mit der Strenge meines Rechts.

      »Sie haben kein Recht! entgegnete er. Die Gerichte haben es Ihnen aberkannt. Sie haben einige Forderungen auf Entschädigungen für Bauten und dergleichen. Diese liegen den Gerichten vor, welche darüber ebenfalls in diesen Tagen erkennen werden.

      »Ich habe größere Forderungen an Sie, Herr von Huckarde, erwiderte ich nun mit derselben eisigen Kälte, zu der ich mich gefaßt hatte.

      »Ich wüßte von keiner, versetzte er betroffen.

      »Doch ist es so, fuhr ich fort. Es ist eine Schuldverschreibung von neuntausend Talern Ihnen vor mehr als Jahresfrist gekündigt. Hier ist diese Schuldverschreibung. Sie ist in meinen Händen. Ihr Gläubiger hat sie mir zum Ankauf angetragen – ich habe sie genommen! Treiben Sie mich aus meinem Hause, so treibe ich Sie mit diesem Papiere aus dem Ihren. Sie haben den Termin, wo Sie hätten zahlen müssen, verstreichen lassen. Ich kann jeden Tag Ihr Besitztum sequestrieren lassen.

      »Der Baron erbleichte, als ich so sprach. Er hatte diesen Schlag nicht erwartet. Er verlor einen Augenblick die Fassung. Wie niedergeschmettert sank er in seinen Stuhl zurück.

      »Ich hatte Mitleiden mit ihm,« fuhr Ritterhausen in seiner Erzählung fort. »Wahrhaftig, so männlich und entschieden meine Aeußerungen gewesen sein mochten, so bin ich mir doch bewußt, daß, wer mich hätte verstehen wollen, den aufrichtigen Wunsch, nicht zu quälen und zu vernichten, sondern zu helfen und zu vermitteln, auf dem Grunde meiner Worte erkennen mußte. Ich blickte forschend, fragend in das Auge des Sohnes und des Vaters. Aber ich sah nicht in ihnen, was ich suchte. Es war kein Nachgeben darin. Das Schicksal wollte es so. Ich konnte nur die Achseln zucken und gehen. Auch habe ich es nie bereuen können, daß ich jetzt ging, ohne viel hinzuzufügen; oder wenn ich es auch bereute, so habe ich mir doch keine Vorwürfe darüber gemacht. Jeder Mann in meiner Lage hätte gehandelt, wie ich handelte.«

      Ritterhausen sah bei diesen Worten beinahe wie fragend in das Antlitz seiner Tochter. Es war, als sei er gefaßt darauf, von ihr einen Vorwurf zu hören, und er wünschte es, um ihn widerlegen zu können.

      Aber Sibylle schwieg eine lange Zeit und dann sagte sie: »Ich kann darüber nicht urteilen und darf es nicht. Aber es ist mir immer eine tiefe Beruhigung gewesen, daß auch Richard keinen Vorwurf gegen dich laut werden ließ, als ich ihn nach dem Tode seines unglücklichen Vaters wiedersah. Hätte er geglaubt, daß eine Schuld an diesem Tode auf dir ruhte, so würde er schwerlich zu mir gekommen sein; und sicherer noch ist, daß er dann nicht hierher zurückgekehrt wäre aus der Fremde und heute das für uns getan hätte, was er getan hat!«

      »Er sprach schon damals keinen Vorwurf wider mich aus?« fragte Ritterhausen.

      »Nein! Er kam damals, von mir Abschied zu nehmen. Ich versuchte, ihm seinen Entschluß, in die Fremde zu ziehen, auszureden. Ich verwies ihn auf die Hoffnungen, welche das Vertrauen auf Gottes Vorsehung uns in jeder Lebenslage läßt. Er trug kein solches Vertrauen in seiner Seele. Es war früher schon oft Gegenstand des Gesprächs zwischen uns gewesen. Wir dachten völlig verschieden in diesem Punkte. Er wähnte, keinen Glauben zu haben. Er wähnte es. Denn er verstand die leisen Stimmen des Gemüts in der Tiefe seiner eigenen Seele nicht. Ich versuchte es, sie ihn verstehen zu lehren. Aber ich brachte es nicht dahin. Ich war zu jung, zu unerfahren, zu wenig beredt, um es zu können. Es bedurfte eines andern Lehrers – des Lebens, des Schicksals. Und so mußte ich ihn ziehen lassen. Es war eine Art Wette zwischen ihm und mir. Wir nahmen uns vor, das Schicksal über den Gegenstand unserer Meinungsverschiedenheit entscheiden zu lassen. Unser beider Ziel sollte dasselbe sein. Das Haus seiner Väter sollte ihm wieder errungen werden – er wollte es durch seinen eigenen Fleiß, durch seine Kraft allein; ich wollte es hier still abwarten, durch welche Wendung der Ereignisse die Vorsehung das felsenfeste Vertrauen meines Gemüts lohnen werde!«

      Ritterhausen schüttelte den Kopf.

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