Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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       Inhaltsverzeichnis

      Sibylle war, nachdem Richard durch Ermanns und die Gendarmen von ihr getrennt und abgeführt worden, wankenden Schritts in das Haus zu ihrem Vater zurückgekehrt.

      »Sibylle ... was war das? – was bedeutet das?« fragte Ritterhausen erschrocken seine Tochter, »du bist so außer dir, als ob Richard von Huckarde dir gestanden hätte ...«

      »O nein, nein,« fiel Sibylle ein, indem sie außer sich vor Bewegung ihre Arme um die Schultern ihres Vaters schlang und wie an einer Brust Zuflucht suchte, an der sie sich nicht erinnerte geruht zu haben, seit sie aufgehört hatte, ein Kind zu sein; denn Ritterhausen war nicht der Mann, dessen Wesen ein weichfühlendes Frauenherz, und wenn es auch das seiner einzigen Tochter war, seinem Herzen nahe zog.

      »Richard hat mir gestanden,« schluchzte sie, »daß er sich als Schuldigen bekannt habe, nur um mich, um uns zu retten!«

      »Wirklich?« fragte Ritterhausen, indem seine Stimme ein leises Zittern annahm, welches verriet, daß doch Rührung auch den Weg zu seiner Seele gefunden ... »das hätte ihn bestimmt?«

      Er legte seinen Arm um die Gestalt seiner weinenden Tochter und blickte eine Weile stumm in ihre bleichen, schmerzentstellten Züge.

      »Ich habe deine Neigung für Richard von Huckarde wohl gekannt,« sagte er, »ich habe aber für eine Torheit gehalten, daß du sie im stillen forthegtest. Ich habe nicht geglaubt, daß Richard zurückkehren werde. Noch weniger, daß er seine Neigung für dich nicht drüben, jenseit des Meeres, längst vergessen habe.«

      »Nein, nein,« rief sie leidenschaftlich aus, »seiner Treue war ich sicher und gewiß! Aber daß seine Liebe so weit gehen, so weit sich verirren könnte, daß er für mich, für uns in den Tod gehen würde ...«

      »Beruhige dich, Kind ... du ängstigst dich ohne Grund um ihn!«

      »Ohne Grund ... wenn er sich diesen Menschen als Mörder bekennt?«

      »Das reicht allerdings hin, ihn eine längere oder kürzere Zeit in eine höchst unangenehme Situation zu bringen ... und man wird ihn gefangen halten, inquirieren, peinigen ... jedoch dazu reicht es nicht hin, einen Menschen zum Tode zu verurteilen, wenn er unschuldig ist!«

      »Aber wenn er selbst sich schuldig nennt ...«

      »So hört damit die Tätigkeit der Gerichte nicht auf. Sie untersuchen dennoch und die Untersuchung muß bald zu dem Ergebnis führen, daß er die Tat ja gar nicht begangen haben konnte!«

      »Wie leicht kommen scheinbare Verdachtsgründe, unglückliche Umstände, die sein Geständnis zu bekräftigen scheinen, hinzu ...«

      Ritterhausen schüttelte den Kopf.

      »Es ist das möglich,« sagte er, »auch wider den Unschuldigen, der nicht gesteht, kann sich der Zufall verschworen zu haben scheinen, um ihn zu verderben. Aber das sind seltene und ungewöhnliche Fälle. Weshalb sollen wir einen solchen Fall hier fürchten? Wir haben gar keinen Grund dazu!«

      Sibylle war durch diese Rede ihres Vaters nicht beruhigt, und Ritterhausen selbst war nicht so ruhig und zuversichtlich, wie er den Schein annahm, um seiner Tochter Kummer zu mildern.

      »Bei Gott,« fuhr er nach einer Pause fort, »es wäre doch ein zu bitterer Hohn des Schicksal«, wenn Richard von Huckarde um unsertwillen, um des Mannes willen ins Verderben geschickt wurde, der seinen Vater ins Verderben trieb!«

      Sibylle sah ihren Vater groß an. Sie war von diesen Worten aufs äußerste überrascht. Niemals war früher über Ritterhausens Lippen ein ähnliches Wort gekommen, welches ein Schuldbewußtsein in ihm verriet.

      »Du siehst mich überrascht an, daß ich das sage, Sibylle,« fuhr er fort, das Gesicht von ihr abwendend, als ob ihre Blicke ihn drückten ... »du wirst wissen, was ich meine!«

      »Was Sie meinen, weiß ich, Vater,« versetzte sie, »obwohl Sie mir nie etwas gesagt haben von dem, was an dem Unglückstage vorgefallen ist, an welchem Richards Vater seinem Leben ein Ende machte!«

      »Habe ich dir nie davon gesprochen?« sagte Ritterhausen, »ja es mag sein. Du warst damals ein Kind noch ...«

      »Ich war achtzehn Jahre, Vater.«

      »Nun, so schienst du mir ein Kind. Und jedenfalls war die ganze Angelegenheit der Art, daß ich keine Befriedigung darin finden konnte, viel von ihr zu reden.«

      »Und wollen Sie mir jetzt nicht anvertrauen, was vorgefallen ist zwischen Ihnen und ihm an jenem Abende ...«

      »Ich will es – setze dich zu mir, schieb dir den Sessel dort her.«

      Sibylle rückte den Sessel zur Seite des Sitzes ihres Vaters, und indem sie ihren Arm auf die Lehne stützte, sah sie voll kindlicher Innigkeit und voll Vertrauen, daß sie wohl Trauriges und Erschütterndes, aber daß sie nichts hören werde, was ihre Liebe zu ihrem Vater mindern könne, zu ihm auf.

      »Ich ging an jenem Tage hinauf zur Burg,« begann Ritterhausen, »mit den besten Vorsätzen. Ich kam in einer Absicht des Friedens und der Versöhnung. Aber ich hatte mich mit einem Dinge nicht gerüstet, das ich hätte mitbringen sollen, und vielleicht wäre alles gut geworden ...«

      »Und das war Nachsicht und Geduld mit einem Manne in unglücklicher Lage!« sagte Sibylle vor sich hinflüsternd.

      »Nein, Sibylle, das war es nicht, was mir fehlte,« entgegnete Ritterhausen. »Was ich nicht mitbrachte, das war – Mut!«

      »Mut?«

      »Ja, Mut! Den Mut, meine innerste Meinung auszusprechen, meine eigentlichen Gedanken.«

      »Und wo hätte der Ihnen je gefehlt?«

      »An jenem Tage fehlte er mir. Ich hatte nicht den Mut, einem falschen Scheine zu trotzen. Nicht den Mut, mich nicht darum zu kümmern, wenn ich verkannt würde; wenn man mir als niedrige Berechnung auslegte, was der aufrichtige, durchaus uneigennützige Wunsch meiner Seele war ...«

      Ritterhausen schien bei diesen Worten einen seiner Schmerzanfälle zu empfinden; er zog wenigstens sein Gesicht in düstere Falten und stützte, die Stirn auf seine Hand.

      »Sprechen Sie weiter, mein Vater,« sagte Sibylle nach einer Pause. »Sie hatten den aufrichtigen Wunsch, mit dem alten Baron in Frieden und Freundschaft zu leben und Sie würden auch nicht Opfer gescheut haben, um dahin zu gelangen ...«

      »Was ich wünschte und wollte, das war, zum Frieden zu kommen durch euch, Sibylle, durch dich und Richard von Huckarde. Ich hatte wohl bemerkt, wie sehr ihr aneinander hinget; so wie ihr als Kinder alle Tage zusammen waret und gemeinschaftliche Spiele triebet, suchtet ihr als junge Leute euch auf und spannet einen Verkehr fort, dessen eigentliche Bedeutung mir keineswegs entging, so wenig ich es dir zeigte, daß ich euch beobachtete. Ich sagte mir, daß niemals ein Paar Leute mehr füreinander geschaffen seien, als ihr es waret. Eure Neigungen und eure Charaktere paßten zueinander. Ihr waret beide geneigt, das Leben von der ernstern Seite zu fassen und beide kräftige Naturen, die mit dieser ernsten Seite fertig zu werden wußten. War er ein Edelmann, so warst du eine stolze, aristokratische Natur. Stand er inmitten zerrütteter Verhältnisse, so warst du wohlhabend, wirtlich, besonnen. Du hättest das Glück zurückgebracht in dieses verwaiste, verwahrloste Haus СКАЧАТЬ