Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ dem Horne schmettern ließ; so setzten alle an der großen Buche her, quer über den Weg und dann weiter, um der Herrschaft Platz zu machen. Diese kam, weniger zusammengedrängt, an Bernhard vorüber; Pagen in einer Schar, dann der Kurfürst selbst, eine hohe, imposante Gestalt, die bloß durch das Gewicht ihrer Majestät den mutigen Schimmel zu bändigen schien, umgeben von vier bis fünf Kavalieren; ihm zur Seite ritt eine anmutige glänzende Frauengestalt, mit der der Kurfürst sich unterhielt. Alle waren in demselben Anzuge; nur überflatterte die kleinen dreieckigen Hüte ein Busch von blau und weiß gefärbten Straußfedern: der Kurfürst war aus dem bayrischen Hause, und die Farben der Wittelsbacher tanzten lustig über die westfälischen Heiden.

      Bernhard war verlegen und wußte nicht, ob er sein Käppchen abziehen und so die hohen Herrschaften mit einem Rückgeben des Grußes bemühen dürfe; er ward der Sorge schnell überhoben; sie ritten vorüber, ohne ihn zu beachten. Zwei Damen folgten, eine Anzahl Herren, wie ein schützender Kortege um sie geschart; dann noch eine Dame ebenfalls zwischen zwei Herren, die angelegentlichst um das Glück, sie unterhalten zu dürfen, sich bemühten. Bernhard kannte diese Dame, obwohl er sie nie in dem fast theatralischen Kostüme, in dieser roten Jagdkontusche über der langen veilchenblauen Robe, in dem kleinen runden Federhute, der so keck über den Locken hing, so stolz im Quersattel sich schaukeln gesehen. Ja, sie sah stolz und kalt von ihrer Höhe berab; in demselben Augenblicke aber, wo sie Bernhard erblickte, wie er mit entblößtem Kopfe demütig am Wege stand, begann sie rasch ein lautes, scherzendes Gespräch, dann grüßte sie freundlich, aber herablassend, mit einem Kopfnicken, wie sie jeden Landmann am Wege grüßte, ritt vorüber und ließ ihr braunes Pferd wie die geschickteste Reiterin über den Graben jenseits des Fußpfades setzen, obwohl das Tier recht gut, wie die Pferde der beiden Kavaliere, im Schritte hinübergekommen wäre. Ihre Begleiter sahen sich nicht nach Bernhard um, sie schienen nur Augen für sie zu haben. Sie waren die letzten; der Jagdzug war vorüber; in der Ferne aber begann das Heulen der Hunde in ein lautes, hitziges Gebell überzugehen; der Hirsch mußte gefunden sein und die Meute entkoppelt; die Fanfaren schmetterten jetzt anhaltend über die Gegend hin, und der ganze Troß, der sich in Galopp gesetzt hatte, schmolz immer mehr in ein unordentliches Gewirr am Horizonte zusammen.

      Zehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Man beneidet das Glück der Jugend, weil ihr nie die Hoffnung ausgehe, und diese jugendliche Hoffnung selbst hat man mit den unzerstörlichen Tierköpfen verglichen, von denen die Fabel erzählt, daß sie nach jedem Streich, der einen fortgenommen, neu wieder angewachsen seien. Nichts ist unrichtiger als dies. Wer das Leben und den mannigfachen Wechsel der Geschicke beobachtet zu haben nicht alt genug ist, läßt nichts leichter fahren als alle Hoffnung. Er weiß nicht, welchen wunderbaren Zufällen das Leben zum Spielball dient, er ist geneigt, überall die bekannte Regel als waltend anzunehmen, und, wenn diese Regel ihm keine Chancen verspricht, da die Welt mit mit Brettern vor sich zugenagelt zu sehen, wo erfahrene Leute noch hundert Aussichten wissen, die der erste beste Zufall aufreißen kann.

      Freilich, ein Erfolg – und der jugendliche Mut glaubt an kein Hindernis mehr; er glaubt die Welt in seiner Hand zu haben, oder ist mindestens immer das Milchmädchen, das mit dem Korb voll Eier zum Markte geht und sich aus ihnen einen Meierhof mit Vieh und Pferden, mit Land und Leuten ausbrütet, bis die Eier zerplatzt auf dem Boden liegen. Aber nur ein Mißgeschick, wo er sicher gerechnet zu haben glaubt – und er liest über seinem Lebenstore die Inschrift, die Dante über dem Portal der Hölle erblickte.

      Bernhard las mit trüben Augen dieses Todesurteil aller Hoffnung, das sich in seine Seele schrieb, als er sinnend auf der Steinbank saß, an der Katharina von Plassenstein mit dem Kurfürsten von Köln im glänzenden Zuge soeben stolz vorübergeritten. Er, der heimatlos, mit dem Gefühl der völligen Verwaisung aufs Geratewohl mit einer wunderlichen alten Frau in die Welt hinausziehen mußte; – und sie, die in der ganzen aristokratischen Herrlichkeit ihrer Lebensstellung, mit einem herablassenden Gruß – fast als kenne sie ihn nicht – vorüberzog, die ihn mit seinem Kummer hinter sich ließ, um im königlichen Prunk, mit schmetternden Fanfaren, auf den schnaubenden Rossen vorüberzubrausen, an den Scharen staunender Bauern her, die glaubten, der Herrgott selber komme mit seinen Heerscharen über sie und ihre Kornfelder – Bernhard fühlte, welche unendliche Kluft zwischen ihr und ihm liege. Er zürnte ihr – eine Eifersucht ergriff ihn, nicht auf ihre galanten Begleiter, aber auf ihre ganze glänzende Erscheinung und Hoheit; ein Anflug von Stolz kämpfte gegen diese Eifersucht an; aber ohne zu siegen; er ärgerte sich im Innersten seiner Seele und hätte auch sie ärgern mögen; endlich trat er den Heimweg an, fest entschlossen, sein Herz von ihr loszureißen – aber bis zum Tode über diesen Beschluß betrübt, ohne es gestehen zu wollen. Ja, es war eine Weisung des Himmels, daß er aus ihrer Nähe fortziehen mußte; er fühlte es, sie war ihm gefährlich geworden, weil sie einen Teil ihrer Neigungen und seiner innern Sorgen an sich zog, die doch ganz und ungeteilt seiner Mutter zugehörten. Sollte sie, die Glückliche, das Herz eines Kindes seiner unglücklichen Mutter entfremden? Nein, es wäre Sünde gewesen!

      Bernhard war nicht wie die meisten schwachen Sterblichen, die, wenn sie einem der Ihrigen ein großes Opfer gebracht, durch Unmut oder Prätensionen oder auf irgendeine andre Weise sich bezahlt machen. Er verdoppelte seine Sorgfalt für seine Mutter. Als er heim kam, standen ein paar hölzerne Koffer mit ihren Habseligkeiten und drei nicht umfangreiche Kisten, die seine Bücher enthielten, daneben ein etwas eleganteres Stück Gepäck, das mit Seehundsfell überzogen war und seine Kleider enthielt, auf dem Hofe. Es war ein wehmütiger Anblick für ihn, der nie den Koffer einer abziehenden Magd unter dem Torwege auf dem Schiebkarren hatte packen sehen können, ohne daß ihm ganz unheimlich traurig wurde. In der Tür, an die Steineinfassung gelehnt, stand Johannes und sonnte sich und schaute mit großer Gemütsruhe zu, wie Anton das Gepäck Lenen auf einen einfachen Bauernwagen heben half, wobei der Junker sich einige ungeregelte Melodien vorpfiff, wie ein Kanarienvogel, dem die Sonne auf die Federn scheint. Endlich kam der Bauer mit den Pferden, einem Paar kleiner, langhaariger Klepper von jener dauerhaften, aber unscheinbaren Rasse, wie man sie ehemals und noch jetzt großenteils auf dem schweren Kleiboden des Landes zieht.

      Margret zog fort, ohne von irgend jemand Abschied zu nehmen. Lene hatte erklärt, sie nicht verlassen zu wollen, und stieg mit ihr auf den Wagen, über dessen Leitern hinten eine Bank in eisernen Haken gehängt war, welche die beiden Frauen aufnahm. Der Fuhrmann behalf sich mit einem Sitz auf einem der Koffer. Bernhard hatte seinen Reiseanzug durch einen blauen Kittel vervollständigt und schritt voran, einen derben Stecken aus Stechpalmenholz zur Abwehr gegen die Hunde in der Hand. Als sie schon auf der Brücke waren, kam Anton ihnen nachgelaufen: »He, halt mal, Doktor, ein Wort!«

      Bernhard ging zurück. »Was ist, Anton? hab' ich etwas vergessen?«

      »Nein, Herr Doktor, vergessen nichts, aber der gnädige Herr läßt Euch sagen, daß es ihm leid tue und daß Ihr ihm doch neulich abends so wacker beigestanden hättet; es sei nur von wegen Eurer Mutter, und dies Buch hier solltet Ihr zum Andenken mitnehmen, und wenn's Euch schlecht gehen täte, so solltet Ihr nur an ihn denken, daß er ja zu finden sei. Da, 's wird was für die Andacht sein,« setzte er hinzu, als er das kleine in Pergament gebundene Buch überreichte.

      Für die Andacht, wie Anton glaubte, der nur Gebetbücher und »Flemmings deutschen Jäger« kannte, war es nicht, sondern der Elzevier mit den kleinen Lettern, die Herr von Driesch nicht mehr lesen konnte.

      »Und nun,« fuhr Anton fort, indem er Bernhard die Hand schüttelte, »geht mit Gott, Herr Doktor; es tut uns allen leid, daß Ihr fortgeht, ja wahrhaftig, so tut's, der Teufel hol' die lateinischen Jäger, aber ein Herr, wie Ihr seid – seht, ich mach' mir den Henker draus, ob ein neues Gesicht ins Haus kommt oder hinauszieht, aber das muß ich sagen, es ist mir den ganzen Morgen zumute gewesen wie neulich, als mir die Juno totgeschossen wurde. – Gott vergelt's dem Racker – und ich werde nicht nach dem Telgenkamp gehen können, ohne stehen zu bleiben und СКАЧАТЬ