Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe
Автор: Levin Schücking
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075838650
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Einige Augenblicke nachher war Margret sehr verwundert, die Küchentür aufgestoßen und ihren Gutsherrn auf die Schwelle treten zu sehen, wo er stehenblieb, ein höchst wunderliches Bild im Rahmen. Seine Rechte hielt eine blanke Degenklinge hochgeschwungen über dem Kopf, wie parierend gegen jeden Anfall, der seine hohe weiße Nachtmütze bedrohen könnte; sein Körper war von einem großblumigen Kattunschlafrock umhüllt und von den pantoffelbekleideten Beinen war das eine dick mit allerlei Tüchern umwunden.
»Herr, was ist Euch?« sagte Margret, indem sie ruhig bis in die Mitte der Küche ihm entgegentrat; »was ist Euch?«
»Keinen Schritt weiter,« schrie Herr von Driesch; »keinen Schritt komm mir näher auf den Leib. O du Verkörperung infernalischer Bosheit!«
Margret trat trotzdem noch ein paar Schritte näher und Herr von Driesch trat einen zurück.
»Fürchtet Ihr Euch vor einer alten Frau, Ew. Gnaden?«
»Fürchten!« Herr von Driesch hieb mit seiner Klinge Prim, Terz und Tiefquart durch die Luft, daß es pfiff.
»Alle Wetter, bange vor dir? Aber du bist eine Hexe, du bist eine Giftmischerin, du bist das inkarnierte Uebel, das in Altweibergestalt durch die Welt geht; du bist der Satan, du willst mich vergiften für Geld, du Judas, du Silberling du! O du Bestie! Ich will dich hängen lassen, ersäufen, verbrennen sollst du, auf den Holzstoß mit dir, durch den Rauchfang soll dich der Teufel holen!«
Rasch wie ein sprudelndes Bergwasser strömten diese Worte von den Lippen des Gutsherrn. Herr von Driesch hatte immer die alte Römische Margret nicht recht leiden können; er begriff oft selbst nicht, wie er dazu gekommen, sie als Verwalterin anzunehmen – nun ja, damals kannte er sie nicht; aber seitdem hatte sie ihm so oft ein unheimliches Gefühl gemacht, sie hatte ihm fast sein eignes Gut verleidet – es war ihm außerordentlich angenehm, sie endlieh einmal mit Ehren aus dem Hause werfen zu können.
Margret ward weiß wie Kreide im Gesicht, aber sie hielt sich aufrecht und horchte den Worten ihres Gutsherrn mit einem Ausdruck der peinlichsten Spannung zu. »Was ist denn? – was ist? –« unterbrach sie ihn jeden Augenblick, bis Herr von Driesch herausgepoltert hatte: »Hast du nicht Geld angenommen, Geld von meinem Todfeinde, um mich zu vergiften oder zu behexen?«
Als Margret so endlich herausgebracht hatte, worin ihr Verbrechen bestehe, ging sie gefaßt zu ihrem Platz am Herde zurück, stemmte die Ellbogen auf die Knie und barg ihr Gesicht in beide Hände. Unterdes hatte der Lärm die Domestiken herbeigezogen; sie füllten scheu die Zugänge, nur Anton stellte sich dreist hinter die Alte, um auf einen Wink seines Herrn, für den er durchs Feuer gelaufen wäre, sie beim Kragen zu fassen. Die andern schauten zu, einige mit heimlicher Freude; die Römische Margret war durch ihr schneidendes, gebieterisches Wesen gar nicht besonders beliebt bei ihnen; andre teilnahmslos, aber doch immerhin durch den Umstand in eine gewisse behagliche Stimmung gesetzt, daß es etwas Neues gebe, das sie aufregte und nicht auf ihre Kosten ging.
Margret, wenn sie auch regungslos dasaß, sah das alles recht wohl; sie breitete ihre Finger um ein Unmerkliches auseinander und schaute nun ganz ungehindert hindurch und in die Gesichter der Anwesenden. Was sie sah, versetzte sie in einen heftigen innern Kampf; sie war ehrgeizig bis zur Leidenschaft, und dies Volk, das sie insgesamt nicht leiden konnte, mit dem sie beständig in Hader lag, um ihm Respekt und eine gewisse abergläubische Scheu einzuflößen, wollte über sie triumphieren! »Herr,« sagte sie, sich erhebend und strack und fest wie eine Säule dastehend, »Herr, geht einen Augenblick mit mir dort in meine Kammer und ich will Euch eine Antwort geben, die Euch befriedigen soll.«
»In deine Kammer? Mit dir allein? Daß du mir den Hals umdrehst!« rief Herr von Driesch, der unterdes bis in die Mitte der Küche vorgerückt war.
»Ew. Gnaden ist einmal wieder außer sich! Ihr denkt nicht, was Ihr sagt. Es ist nicht schön von Euch, Herr, daß Ihr mich zwingt, es hier vor dem Volke zu sagen! Ihr solltet gegen eine arme Frau besser wissen, was Schonung und christliche Liebe ist. Abei ich will es Euch sagen: Herr von Katterbach schickt mir kein Geld, sondern meinem Sohne, den er studieren läßt und gegen den er – nun, dem er es wohl schuldig ist, sich seiner anzunehmen.«
Als Margret dies – die letzteren Worte etwas unschlüssig und stammelnd gesagt hatte, setzte sie sich wieder, in ihre frühere Stellung zurücksinkend.
Herr von Driesch war durch ihr Bekenntnis keineswegs besänftig. »Und Euch soll ich in meinem Hause dulden, Euch Gesindel,« schrie er, »die Brut von dem Schuft, der mir nach dem Leben stellt? Morgen vor zwölf Uhr mittags seid Ihr aus dem Hause. Anton, du passest auf; sind sie nicht fort, sowie es zwölf schlägt, nimmst du ihre Siebensachen, den ganzen Plunder, und wirfst ihn vor die Tür!« Damit ging Herr von Driesch hinaus und warf die Tür heftig hinter sich ins Schloß.
Als Bernhard in der Dämmerung durch den Wald nach Bechenburg heimging, sah er plötzlich Lene, die Magd seiner Mutter, aus dem Gebüsche vor ihm auftauchen. Sie kam von einem Wacholderstrauche her, an dem sie, wie es schien, bis jetzt gestanden hatte.
»Du, Lene, woher kommst du so spät?«
»Ich wollte Wacholderbeeren sammeln, Ihr eßt sie so gern an den Kramtsvögeln,« sagte Lene und öffnete ihre Schürze, in der etwas zusammengerafftes grünes Zeug lag.
»Jetzt? Wacholderbeeren? Es ist ja ganz finster hier, und die Beeren sind grün und frisch; kann man die brauchen?«
Lene antwortete nicht, sondern trat hinter ihn, um ihm auf dem Wege nach Hause zu folgen. Bernhard wanderte weiter.
»Eure Mutter ist nicht ganz wohl,« sagte Lene nach einer Weile.
»Nicht? Was fehlt ihr denn?«
»Etwas Kopfweh mag's sein; sie hat sich zu Bett gelegt; 's wird nicht viel zu bedeuten haben.«
»Du erschreckst mich! Sie ist sonst nie krank! Hat sie sich erkältet?«
»Ich weiß nicht; vielleicht wohl, vielleicht auch etwas geärgert. Der gnäd'ge Herr war übel gelaunt, und da sie eine alte Frau ist und sich wohl nicht viel darum kümmern mag, ob der heute so und morgen wieder anders ist, hat sie gesagt, sie wolle nicht länger auf Bechenburg wohnen bleiben, sondern fortziehen.«
»Fortziehen? und wohin?«
»Ich weiß nicht, Herr.«
»Ei, Lene, was sind das für Geschichten? sag' gerade heraus, was ist vorgefallen?«
»Nichts, Herr, als was ich Euch gesagt habe.«
Bernhard schritt beunruhigt weiter aus; als er auf Bechenburg ankam, standen Anton und zwei andere Domestiken zusammen flüsternd auf dem Hofe. Als er grüßend an ihnen vorüberschritt, schwiegen sie und sahen ihn an, als habe er etwas an sich, das ihre Neugierde erregte. ›Um den Doktor da ist's mir leid!‹ hörte er Anton sagen. Er stürzte nun in die Küche, dem Schlafzimmer seiner Mutter zu. Es war verschlossen. Er rief und pochte. Keine Antwort. Underdes kam Lene heran, die vor dem Gute etwas hinter ihm zurückgeblieben war. Sie zog ruhig einen Schlüssel aus dem Busen und öffnete damit.
In der Kammer lag Margret auf ihrem Bette, die Blicke starr an die Zimmerdecke heftend und leise vor sich hinmurmelnd.
Bernhard ergriff СКАЧАТЬ