Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ und Heilung von den Folgen der Mißhandlung; der Rücken, die Schultern und die Seiten hatten einige blaue Flecke, doch hatte der wattierte Ueberrock ihn sehr geschützt; als man die Stiefel ihm abzog, war der eine ganz voll Blut; darüber geriet Johannes außer sich; er heulte wie ein Schoßhund und niemand konnte ihn jetzt mehr abhalten, zu seinem Vater in dasselbe Bett zu kriechen, um ihn die ganze Nacht nicht wieder zu verlassen, bis beide, der eine müde von seinen Schlägen, der andere vom Weinen darüber, in einen ruhigen Schlummer fielen.

      Daß Herr von Driesch aus seiner Klemme gerettet worden, hatte er Margret zu verdanken; sie hatte Bernhard und dieser den Jäger aufgefordert, ihm nachzugehen, um im Falle der Not bei der Hand zu sein.

      Achtes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Am anderen Tage nachmittag wanderte Bernhard wieder den Weg zum Stifte. Er war tief, tief betrübt. Fast ohne Fassung warf er einmal auf dem Wege sich in das Heidekraut, rupfte mechanisch einen Strauß von Enzian und verkümmerten Vergißmeinnicht zusammen, und dann sahen ihn die abgerissenen Blüten so eigen traurig an, daß er das Gesicht in die Kräuter drückte und heftig schluchzte. Die Hoffnung, daß er bei Katharinen Trost finden würde, erhob ihn wieder; er raffte sich auf, wusch die Tränen in dem nächsten Bache ab, der wie eine breite, grüne Schlange mit seinen Grasufern über die braune Fläche sich gelegt hatte, und schritt hastig weiter. Er wollte ihr alles sagen, was ihn drückte; er wollte einmal so rückhaltslos mit ihr reden, wie er es noch nie über seine angeborene Verschlossenheit vermocht hatte. Aber als er vor ihr stand – sie war so heiter, so lächelnd freundlich, etwas verschämt im Andenken über ihr letztes Verschwinden; er konnte seinen Kummer nicht über die Lippen bringen. Ihre Heiterkeit wies seine so ganz verschiedene Stimmung auf sich selbst zurück; er fühlte sich ihr fremder denn sonst. Er hätte sie etwas ärgern mögen, weil sie so heiter war, weit lieber, als ihr noch eine Freude durch den Beweis seines rückhaltslosesten Vertrauens zu machen. Kurz, er vermochte es nicht und flüchtete vor sich selbst hinter die Ausrede, er wolle sie in ihrer heiteren Stimmung nicht stören.

      Katharina merkte aber bald seine Traurigkeit, und weil diese sonst oft in seinem Verhältnis zu seiner wunderlichen Mutter ihren Grund hatte, lenkte sie das Gespräch auf diese, um ihm so schonend wie möglich seinen Kummer abzulocken.

      »Ich muß gestehen,« sagte sie im Verlaufe dieses Gesprächs, »ich würde mich wenig wundern, wäre Ihre Mutter auch eine noch so seltsamere Frau als sie jetzt ist; ja, ich glaube nicht, daß ich selber noch diesen scharfen und ruhigen Verstand, welcher der Grundton unter all ihren wunderlichen Meinungen bleibt, mir bewahrt haben würde, wäre meine Jugend von denselben Schrecken begleitet gewesen wie die Ihrige; ich würde es nicht ertragen haben; ich wäre wahnsinnig geworden.«

      »Nun,« sagte Bernhard, »ihre Jugend war keine frohe, soviel ich weiß; es liegt ein besonderes Unglück auf unserer Familie; es ist ein Fluch, den sie sich zugezogen hat – und gegen den es vergebens ist, anzukämpfen«, setzte er seufzend hinzu.

      »Mein armer Junge! Lassen Sie uns ein Paar« – sie stockte und lächelte, dann fuhr sie fort: »Lassen Sie uns ein Paar anhänglicher Familienglieder sein die aus dem gebannten Kreise heraustreten; – Sie mißverstehen mich nicht; ich meinte, Sie sollten sich anhänglich und vertrauend an Ihr Adoptivtantchen halten; dann kommen Sie vielleicht heraus. Ja, Sie verstehen mich. Sie sind ein guter, guter Mensch, und, nicht wahr, Sie sind wie ein Tor? Ich will Ihnen ganz vertrauen; Sie werden kein erbärmlicher Geck sein und meinem Betragen Auslegungen unterschieben, die mich lächerlich machen würden, die aber bei Ihnen Verdorbenheit bewiesen. Nein, Sie tun es jetzt nicht, und auch später, wenn das Leben und allerhand Abenteuer Sie mißtrauischer gemacht haben, werden Sie es nicht tun! O Gott, ich müßte meinen guten Jungen dann verloren geben!«

      »Glauben Sie, gnädiges Fräulein, ich könnte jemals etwas denken, was einen Schatten auf Sie würfe?«

      »Nein, ich hoffe, Sie sind unfähig dazu; aber wenn es jemals der Fall wäre – o ich könnte meine Verachtung nicht stark genug ausdrücken; es wäre gemein, niedrig – abscheulich wäre es. – Ich will wie eine Verwandte für Sie sorgen; ich will Sie wie einen Bruder liebhaben; ich will jemand haben, für den ich sorgen kann wie ein Weib; an dem ich eine geistige Stütze habe, denn meine Umgebung reicht nicht für mich aus; meine Gedanken gehen darüber hinaus und bewegen sich in einem Felde, das nur Sie auch betreten; aber wenn ich auch so gedankenarm wäre wie meine Köchin – es wär' doch dasselbe, ich will jemand haben, der mein ist und dem ich wie einem geduldigen Kamel alles aufpacken kann, was an Liebe und Wärme, an Drang, zu pflegen und zu hegen, zu beschützen und zu leiten, in mir ist und übersprudelt!« Sie fuhr bei diesen Worten heftig in seine Locken und küßte ihn auf die Stirn.

      »Aber wenn Sie Kamel deshalb glauben oder jemals sich einbilden, ich wäre verliebt in Sie, ich wäre eine Törin und würfe mich Ihnen an den Hals, so sind Sie nicht nur ein eitler Geck, sondern Sie sind etwas Schlimmeres, ein verdorbener Mensch, der von einem reinen und edlen Verhältnis keinen Begriff hat. Sie wissen, was ich von der Liebe halte; ich mag freilich zu streng darüber urteilen, denn ich kenne Sie nicht und fühle auch kein Organ dafür in mir, so daß ich sie nie kennenlernen kann; aber das weiß ich, daß sie keinen Wert hat, weil keine Dauer; keine echte Tiefe, weil keine Ruhe; daß sie nicht, glücklich macht, weil ihr beides fehlt, und daß sie endlich viel zu sehr mit allerlei physischen Dingen in Rapport steht, als daß ich sie je achten könnte. Dafür halte ich alle Bande des Blutes für das Höchste im Leben; sie machen ein Verhältnis, das innig, tief und ewig ist, und dessen Pflichten die heiligsten auf der Welt sind. Ich könnte mich nie als Braut, recht wohl aber als Frau denken. Und Ihnen, ja wahrhaftig Ihnen müßte auch wunderlich zumute sein – es müßte Ihnen lächerlich schlecht stehen, wenn Sie den Liebhaber spielen sollten.«

      »Wenn ich ihn spielen müßte, freilich; aber wenn ich es nun wirklich wäre?«

      »O, das ist's eben, Sie können es nicht sein; ich weiß, Sie fühlen wie ich und können es nicht.«

      Bernhard glaubte in der Tat zum großen Teile ebenso zu fühlen, wie das Stiftsfräulein mit einer gewissen Heftigkeit es ausgesprochen hatte. Er gab ihr deshalb endlich recht, obwohl er ihr allerhand Paradoxen einwarf. Aber im Grunde war ihm etwas in ihrer Rede nichts weniger als erfreulich. Zwar hatte er sich nie klar und bewußt gesagt, Katharina liebe ihn; aber dennoch wurde ihm ein wenig gewissenbeschwert bei ihrer entschiedenen Protestation zumute. Das Ende war übrigens, daß er sie jetzt nur noch mehr liebte. Seine Neigung schoß im ersten Augenblick zurück wie eine arme, spielende Welle, die ein kalter Windstoß plötzlich zurückwirft; aber sie kehrte höher angeschwollen gleich darauf wieder. Katharina war in seinen Augen nur größer und edler, ihre ganze Erscheinung nur erhabener geworden.

      Und sie – ein großer jungfräulicher und vielleicht auch ein gewisser aristokratischer Stolz – wäre so tödlich verletzt worden, wenn sie hätte glauben müssen, Bernhard gebe ihrem Betragen eine demütigende, eine gemeine Auslegung, daß sie alle Seelenkräfte aufbot, um sich zu überzeugen, Bernhard sei durchaus unfähig dazu, er sei die Unschuld, die Reinheit, die Kindlichkeit selbst; er sei ein Engel. Ja, man konnte es ja schon seinem Aeußeren, dieser bescheidenen Milde, diesen spiegelklaren, blauen Augen, deren Innigkeit so tief war wie der tiefste Bergsee, diesen weichen klaren Zügen seines glänzend schönen Gesichtes ansehen, daß er ein Engel sei – sie ward über Nacht bis zum Sterben verliebt in ihn, bloß deshalb, weil er nie die dumme Einbildung haben konnte, daß sie es sei –

      O süße Logik eines Frauenherzens!

      Katharina lenkte das Gespräch nach einiger Zeit dahin zurück, von wo es ausgegangen. Bernhard äußerte sich über seine Mutter heute noch weniger als sonst; aber er sagte mit einer Betonung, als kämen die Worte tief aus einem wunden Herzen, daß eine Mutter СКАЧАТЬ