Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe - Levin Schücking страница 125

Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

isbn:

СКАЧАТЬ

      »Eine vortreffliche Frau!« rief Hubert Bender aus. »Aber sagen Sie mir, verehrter Reichsfreiherr, wenn Sie sich um nichts, was im Hause vorgeht, kümmern, weshalb kamen Sie denn zu mir, und das um diese nicht gerade gewöhnliche Stunde?«

      »Nun, ich war des Studierens müde geworden bei meinen großen Büchern. Es fiel mir ein, daß ich ja einmal nach dem kranken Fremden schauen könnte. Ich liebe sehr, so dann und wann zu meiner Erholung ein Spielchen zu machen; und da ich dachte, daß Ihnen auch die Zeit lang werden könnte, so kam ich durch die verborgene Tapetentür dort, zu der ich den Schlüssel habe, ohne daß meine Frau und Baptist...« der Freiherr unterbrach sich und endete den Satz mit den nicht ganz logisch sich anschließenden Worten: »Ja wohl! Aber«, fuhr er fort, wie ist es mit dem Spiele?«

      »Nun, ich bin bereit dazu, ich habe ja zum Schlafen den lieben langen Tag!«

      »Rabuge?«

      »Rabuge, wenn es sein muß.«

      Der Reichsfreiherr zog ein winziges linnenes Beutelchen hervor, löste den Bindfaden, mit dem es oben umwunden war, und kramte mit seinen knöchernen Fingern in einer mitleidswürdig kleinen Summe von allerlei Pfennig-, Albus- und Groschenstücken hemm.

      »Ich habe kein Geld!« sagte der Student.

      Der Freiherr machte ein Gesicht, als ob ihn dieser Umstand sehr unangenehm überrasche.

      »Kein Geld?« fragte er, indem er sein Beutelchen hastig zurückzog und die Mundwinkel verdrießlich hangen ließ, »auch nicht einige Groschen?«

      »Geben wir unser Spiel darum nicht auf«, fuhr der Student fort, ohne die Frage, welche er mit gutem Gewissen nicht ganz verneinen konnte, zu beantworten. »Spielen wir um etwas anderes als Geld.«

      »Um was?«

      »Um unsere Geheimnisse!«

      »Das soll heißen?«

      »Wer von uns gewinnt, soll jedesmal dem andern eine Frage vorlegen dürfen, und der Verlierende beantwortet sie ihm genau der Wahrheit gemäß, auf sein Ehrenwort.«

      Der Reichsfreiherr Lactantius lächelte; er schien eine Weile zu schwanken, ob er den Vorschlag annehmen solle oder nicht. »Ich denke,« bemerkte Hubert, »unser beiderseitiges Vermögen hält sich bei einem solchen Spiele ungefähr die Wage. Das, was Sie von mir erfahren möchten, scheint mir nicht viel geringer als das, was ich brenne, von Ihnen zu erfahren.«

      »Nun meinethalb!« sagte der Freiherr, indem er die Karten nahm und sie mischte, »um Fragen also statt um Geld...«

      »Und um ehrliche Antworten!«

      »Das versteht sich«, erwiderte der Freiherr.

      Beide begannen zu spielen. Anfangs war der Freiherr Lactantius in auffallendem Vorteil. Bei dem Buben hörte sein Glück auf.

      »Hier ist der Bube, hier die Dame und hier der König«, sagte Hubert; »der erste Stich ist mein – ich darf die erste Frage stellen!«

      »Fragen Sie!« versetzte der Freiherr, die Arme über der Brust ineinander schlingend und sich lang in seinem Sessel ausstreckend.

      »In welchem Verhältnisse steht Ihre Frau – Gebharde heißt sie – zu dem einäugigen »Capitaine des chasses?«

      »Capitaine des chasses? Wer ist der einäugige Capitaine des chasses« fiel Lactantius von Averdonk ein.

      »Sie vergessen, daß Sie zu antworten haben!«

      »Wenn ich keine Antwort geben kann?« »Dann stelle ich eine zweite Frage. Sie sind mir eine Antwort schuldig! Ich frage so lange, bis ich eine erhalten habe.«

      »Zugestanden. Also?«

      »Wer ist ›der Tolle‹«?«

      Hubert bereute im nächsten Augenblicke, nachdem er diese Frage gestellt, sie getan zu haben. Der Tolle ist dieser Reichsfreiherr Lactantius am Ende selber, sagte er sich – und er wird jetzt zornig darüber werden.

      Aber der Freiherr war keineswegs zornig. Mit dem verschmitzten Lächeln, welches zuweilen über sein Gesicht flog, antwortete er: »»Der Tolle« ist ein vertraulicher Ausdruck, mit welchem man, ohne seinen ausgezeichneten Qualitäten nur im mindesten zu nahe treten zu wollen, Seine Erlaucht den Herrn Grafen von Ruppenstein, unsern Gebietsnachbar, bezeichnet.«

      »Und weshalb heißt er »der Tolle«?«

      »Halt, junger Mann,« sagte der Freiherr, seinen spukhaften Kopf schüttelnd, »man hat sich mit einer Antwort zu begnügen!«

      »Nun, wohl; so spielen wir weiter. Ich habe hier ein Aß und lege einen neuen Stich an.«

      »Und hier sind zwei und drei«, versetzte der Freiherr, indem er zwei Karten auf das Aß legte.

      »Hier ist die Vier«, fiel Hubert ein; »Sie haben die Fünf nicht – sie ist hier!«

      Und in dieser Weise wurde das sehr einfache Spiel fortgesetzt, bis der Reichsfreiherr triumphierend ausrief: »Der König!« und mit dem König den Stich vollständig machte, so daß er dadurch gewann.

      »Jetzt fragen Sie, verehrtester Reichsfreiherr!« rief der Student; »die Antwort soll Ihnen augenblicklich prompt und bar ausgezahlt werden.«

      »Was für ein Haus ist das, von welchem Sie sprachen, in welchem man einen Hund auf Sie hetzte und sich Ihrer bemächtigte?«

      »Das will ich Ihnen genau beschreiben, gnädiger Reichsfreiherr Lacantius von Averdonk«, antwortete der Student, den das Spiel aufzuregen anfing und dem, je mehr er die Harmlosigkeit seines Partners zu erkennen glaubte, desto mehr seine ganze Lage im Lichte eines gewissen Humors zu erscheinen begann. »Kennen Sie den Georgsplatz oder ›Driesch‹ in der landesüblichen Ausdrucksweise, gelegen in der heiligen Stadt Köln am Rhein?«

      Der Freiherr fuhr mit der Hand über die Stirn, wie um sich zu besinnen, dann sagte er: »Ich glaube nicht, daß ich ihn finden würde, wenn ich einmal wieder hinkäme; aber mir ist, als hätte ich schon früher gehört, daß wir ein Haus in Köln besitzen.«

      »Nun wohl, wenn es, wie nicht zu zweifeln, dieses Haus ist, so gratuliere ich Ihnen zu diesem schönen Besitz; es ist gar nicht möglich, daß sich in irgendeiner Stadt der Christenheit ein wüsterer, unheimlicherer, spukhafterer alter Kasten von einem Hause finde. Er ist seit Jahren verschlossen, niemand betritt ihn, und niemand hat eine Ahnung, wem er gehört...«

      »Wie kamen Sie denn hinein?« fragte der Reichsfreiherr von Averdonk.

      »Durch eine Hintertür; ohne Ahnung, daß ich meine Neugier so schwer büßen würde ...«

      »Und Sie fanden ...«

      »In einem obern Gemache, behaglich an einem Kaminfeuer ruhend, fand ich eine Dame dort, des Namens Gebharde, und ihr gegenüber einen schauderhaft aussehenden Räuberhauptmann aus den Abruzzen oder vom Hunsrück, wenn Sie wollen, aus dessen Gespräch hervorging, daß er Capitaine des chasses bei irgendeinem französischen Prinzen oder Großen – der Name ist mir entfallen – gewesen sei.«

      »Sie lauschten also?«

      »Ich СКАЧАТЬ