Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ und mürrischen Menschen für diese Beleidigung den Teller an den Kopf schleudern wolle, den er just gefaßt hielt ...

      »Nur gemach,« sagte Baptist, der mit einem Seitenblick die Wirkung seiner Worte auf den Studenten beobachtete, »man erhitze sich nicht! Wir haben noch länger zu verhandeln und haben unser ruhiges Geblüt dazu nötig.«

      »Ich bin kein Dieb!« versetzte Hubert zornig und Baptist den Rücken zuwendend.

      »Man ist als solcher ertappt worden und würde nunmehr, sobald man kuriert ist, auch als solcher zu behandeln sein. Wir haben peinliche Gerichtsbarkeit hier auf Dudenrode, einen Justitiarium, einen Gefängnisturm und ...«

      »Einen Galgen am End' auch?« fiel Hubert ein, indem er sich wieder herumwarf und den freundlichen Mann vor seinem Bette nicht ohne den Ausdruck einer gewissen Beunruhigung anstarrte.

      »Nein, einen Galgen haben wir nicht; die hohe Justiz und der Blutbann in der Herrlichkeit Dudenrode gehört dem Grafen von Ruppenstein an; aber wir haben ein Halseisen und einen Pranger.«

      »I, das ist ja sehr hübsch! Sehr angenehme Besitztümer! Ich gratuliere dazu!«

      »Gratuliere Er sich, wenn er denselben entgeht!«

      »Und am Ende«, sagte Hubert, »blüht auch das edle Institut der peinlichen Frage oder die Folter noch hier?«

      »Sie wird nur noch selten bei denen ruppensteinischen Gerichten angewandt.«

      »Immer besser! Das ist ja eine überaus beruhigend eingerichtete Gegend hier, wo die ›Tollen‹ Folter und Galgen zu ihrer Erheiterung haben und böse alte Weiber Halseisen und Pranger so gut wie ihre Kochtöpfe als Haushaltungsangelegenheiten betrachten!«

      Er schloß diesen Ausruf mit einem herzhaften Studentenfluche, den Baptist mit den Worten unterbrach:

      »Kommen wir zum Ende! Will man sich nunmehr der kriminalistischen Abwandelung, der Verurteilung zu langer Gefängnishaft und andern Unanehmlichkeiten entziehen, so entschließe man sich. Nimmt man Raison an, so habe ich den Auftrag, Ihn nach Bremen zu begleiten und dort auf das nächste Schiff zu bringen, welches nach einem Hafen Nordamerikas abfährt. Er erhält freie Überfahrt und Wechsel für die Summe von 300 Talern auf Neujork, sobald Er an Bord ist! Damit läßt sich etwas anfangen!«

      »Äußerst großmütig!«

      »Ist man entschlossen?«

      »Höre Er, lieber Mann,« versetzte Hubert, »daß Ihr hier einen Gefängnisturm und Halseisen und ähnliche juristische Kneifzangen habt, scheint mir für Euch eine ganz erfreuliche Einrichtung; für den Rest der Menschheit wäre es aber entschieden beruhigender, wenn auch ein kleines Tollhaus mit den nötigen Zwangsjacken in der Nähe wäre, wo man Euch selber unterbrächte.«

      Baptist zuckte mit den Achseln.

      »Man wähle!« sagte er mürrisch, »statt schlechte Späße zu machen. Ich muß eine Entscheidung haben.«

      »Nun, vielleicht erhält Er sie morgen. Ich will mir's überlegen.«

      »Dann wohlan! Jedoch länger als bis morgen wird Ihm keine Frist zur Überlegung verstattet.«

      Baptist erhob sich und stellte sich an den Ofen, um Hubert sein Frühstück beendigen zu lassen. Dann nahm er die Platte mit dem geleerten Gerät und ging, ohne ein Wort weiter zu äußern, fort.

      Hubert sprang aus dem Bett, sobald er seine letzten Schritte draußen hatte verhallen hören. Er zog seine Kleider an und suchte die Tür, durch welche in der Nacht der Reichsfreiherr Lactantius gekommen sein mußte. Er brauchte nur das niederhängende Leder aufzuheben, um sie zu finden; eine kleine schmale Tür von braunem Eichenholz; aber leider war diese kleine Tür fest verschlossen, und keinerlei Versuche brachten sie dahin, sich zu öffnen.

      Hubert mußte sich in Geduld ergeben; er mußte warten, bis der Freiherr selber zu ihm kam, um mit diesem überlegen zu können, was er tun solle in der schlimmen Alternative, die man ihm gelassen. Der Reichsfreiherr Lactantius war jetzt plötzlich des Studenten nächste Hoffnung geworden. Der Mann mochte so seltsam und wunderlich sein, wie er wollte, er war doch am Ende der Hausherr. Und war nicht mehrmals in Hubert der Verdacht aufgestiegen, daß des Mannes Wunderlichkeiten etwas von einer Maske hätten, daß er schlauer und scharfblickender sei, als er den Anschein haben wollte? Daß er ihn einmal beim Spiele durch geschicktes Eskamotieren einer Karte betrogen habe, darüber war Hubert kaum mehr zweifelhaft. Kurz, je mehr er über ihn nachsann, desto mehr wuchs seine Hoffnung, Schutz und Schirm bei dem langen Freiherrn zu finden; und gelang das nicht, so mußte er baldmöglichst seine Flucht zu bewerkstelligen suchen.

      Aber Geduld hatte er nötig, zähe, nicht zu ermüdende Geduld, einen ganzen, bleiern schleichenden Tag lang. Er vertrieb sich die Zeit, so gut es gehen wollte, indem er umherging, aus dem Fenster schaute oder in einem Lafontaineschen Roman las, den ihm der Arzt gestern mitgebracht hatte. Um die Mittagstunde kam Baptist zurück, mit seinem Mahle, ohne mit einer Silbe des Gesprächs vom Morgen zu erwähnen; am Nachmittage war, wie immer unter Baptists Obhut, der kleine stille Arzt da, um seine Zufriedenheit mit dem raschen Verlaufe, den die Genesung des kräftigen jungen Mannes nehme, zu äußern. Dann kam der Abend, die Dunkelheit der Nacht, endlich das Nachtmahl, und dann ging Baptist, schloß seinen Gefangenen draußen mit ungewöhnlicher Sorgfalt ein und entfernte sich.

      Hubert versuchte zu schlafen. Daß es ihm nicht gelang, brauchen wir nicht zu sagen. Seine Spannung und Aufregung stieg mit jeder Viertelstunde; sie wäre unerträglich geworden, hätte der Freiherr seinen versprochenen Besuch heute um dieselbe Stunde gemacht wie in der vorigen Nacht. Zum guten Glücke war das nicht der Fall. Es mochte neun Uhr sein, dreiviertel hatte es auf dem alten Torturm längst geschlagen, als Hubert ein Geräusch hinter der Tapete hörte; wie vom Zugwind bewegt hob sie sich – dann wurde sie zur Seite geschoben, und der Freiherr stand im Zimmer, ganz wie gestern angetan, im großblumigen Schlafrock, die hohe Zipfelmütze auf dem grotesken Haupt, ein brennendes Licht in der Hand.

      »Können Sie aufstehen und sich ankleiden, junger Mann?« sagte er, an Huberts Bett tretend.

      »Ganz gut«, versetzte Hubert. »Ich war heute bereits den ganzen Tag über außerhalb des Bettes.«

      »So machen Sie sich rasch heraus. Ich will Ihnen heute zu Ihrer Aufmunterung ein kleines Vergnügen bereiten, in meinem Zimmer drüben. Sie sollen mit mir gehen. Wir spielen heute mit einem Partner, der Ihnen gefallen wird.«

      »Mit einem Partner?« fragte der Student, während er sein Bett verließ.

      »Sie werden sehen.«

      Nach einigen Minuten war Hubert fertig. Der lange Freiherr schritt nun voran; die Tapetentür führte zunächst in einen schmalen Gang, der als Rumpelkammer benutzt schien, denn eine Menge alter verstaubter Möbel stand an der Wand, und auf den Möbeln lag noch eine größere Menge alten Geräts, Kisten, ausgediente Spinnräder, alte mißhandelte Gemälde, außer Dienst gesetzte Vogelkörbe und hundert andere abenteuerlich aussehende Dinge, über welche der Lichtschein fortflackerte, als der Freiherr mit langen Schritten rasch hindurchging.

      »Gehen Sie behutsam, lassen Sie Ihre Schritte nicht lauter hören, als es nötig ist«, sagte der Reichsfreiherr.

      Hubert gehorchte ihm. Er trat so leise auf, wie es ihm möglich war, während Lactantius sorglos in weichen Pantoffeln vor ihm herschlurfte. So kamen sie ans Ende des Ganges, wo eine Tür, die nur angelehnt war, die beiden nächtlichen Wanderer in einen großen, wüsten Raum, der nichts als hohe geweißte Wände СКАЧАТЬ