Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ oder durch den Widerstand, den Karl V. ihr geleistet hatte, die zentrifugalen Kräfte gestärkt! Allerdings waren gerade dadurch auch die Umstände für Wallenstein günstiger, als sie vor 75 Jahren für den großen Kaiser waren. Dieser Krieg war nicht wie ein anderer, den vielleicht eine Schlacht oder die Eroberung eines wichtigen Platzes beenden konnte; er war wie eine Krankheit an einem zerrütteten Körper, die man weiterwüten läßt, weil man sie nicht bekämpfen kann. Auflösung und Fäulnis erzeugten Heere, die wie Schimmel die Erde überzogen und die einst fruchtbar grüne verdarben. War eins vernichtet, so liefen die hungrigen Soldaten irgendeinem Werber zu, aus den verwüsteten Dörfern retteten sich heimatlose Männer und Frauen unter einer beliebigen Fahne. Was war einem Manne, der befehlen konnte, unmöglich? Das Schwert herrschte zwischen dem Verfall, nicht das Recht und das Herkommen. Es hieß, Wallenstein habe zum Kaiser gesagt, 20 000 Mann getraue er sich nicht zu ernähren, wohl aber 50 000. Das war für jene Zeit eine gewaltige Armee. Ferdinand, der wie sein Ahnherr Maximilian ein Streuhütlein war, hätte nicht 20 000, geschweige denn 50 000 Mann im Felde ernähren können; aber 50 000 konnten besser als 20 000 sich erzwingen, was sie brauchten. Wallenstein liefen die meisten zu; er war streng, oft grausam, aber er war großartig, ein Herrscher. Nach dem Bekenntnis fragte er nicht, Protestanten waren bei ihm ebensowohl gelitten wie Katholiken. Es mochte ihm eine Einigung zwischen den Bekenntnissen vorschweben, wie Heinrich IV. sie für Frankreich ermöglicht hatte. Dieser überlegene Standpunkt war dem Kaiser und den katholischen Fürsten nicht nur fremd, sondern anstößig.

      Wallenstein war ein geborener Herrscher und ein Staatsmann, nicht ein mit zahlreichen Fäden an die Vergangenheit gebundener Kaiser. Die jahrhundertalte Verknüpfung des Kaisertums mit dem Papsttum, das Netz der Beziehungen zu den Fürsten, das alles bestand für ihn nicht; aber auch der Raum, den er ins Auge faßte, war ein anderer als der, welcher für die Kaiser der letzten Jahrhunderte in Betracht gekommen war. Um den deutschen Norden hatten sich die Habsburger wenig bekümmert; Wallenstein, den das Geschick zur Bekämpfung des Dänenkönigs nordwärts führte, sah die Ebenen voll wallenden Korns, sah die trotzigen Städte und die fleißigen Menschen, sah das Meer. Auch Tilly war im Norden, erstürmte hier und da eine Stadt, tat was ihm aufgetragen war, und dachte sogar daran, sich hier ein kleines Fürstentum auszusparen; Wallenstein entwarf ein neues Deutschland. Es war groß an ihm, daß er das, was er plante, gleich angriff. Daß der besiegte Christian von Dänemark sich nach Mecklenburg zurückgezogen hatte, nahm er zum Vorwand, um die Herzöge dieses Landes abzusetzen und sich vom Kaiser mit Mecklenburg belehnen zu lassen. Er hatte nun ein Fürstentum am Meere. Den Dänen jagte er auf seine Inseln zurück, ihn fürchtete er nicht. Sorge machte ihm nur der König von Schweden, Gustav Adolf. Vielleicht konnte er ihn dadurch unschädlich machen, daß er ihn dauernd durch Polen beschäftigte; inzwischen galt es eine Flotte zu schaffen. Damit kam er allerdings zunächst nicht über den Titel eines Generals des Ozeanischen und Baltischen Meeres hinaus, den er sich vom Kaiser verleihen ließ; aber was sich sonst anbot, um Deutschlands Stellung zur See zu stärken, benutzte er. Schon längst wünschte Spanien, sich mit einem nordischen Küstenstaat zur Verdrängung Hollands vom Meere zu verbünden. Wallenstein ging eifrig auf diesen Plan ein: eine Gesandtschaft begab sich nach Hamburg mit dem Vorschlag zur Gründung einer spanisch-hansischen Gesellschaft, die den Handelsverkehr mit Spanien auf hansischen Schiffen übernehmen sollte. Damit der Name Spaniens nicht Argwohn errege, sollte die Gesellschaft allein unter kaiserlicher Oberhoheit stehen. Aber es zeigte sich nun, wie fremd und verdächtig auch der Name des Kaisers in diesen Gegenden war. Hamburg hatte erst kürzlich, um sich gegen die Nachstellungen Dänemarks zu sichern, die Anerkennung seiner Reichsfreiheit vom Kaiser erbeten und sie auch bestätigt erhalten; trotzdem erschien der katholische Kaiser wie eine Macht, vor der man auf der Hut sein müsse. Auch die heilsamsten, berechtigtsten und würdigsten Ideen können sich nicht durchsetzen, solange die Wirklichkeit noch die Gestalt anderer, einst herrschender Ideen trägt, die sich in anderer Richtung bewegten, so daß die neue, wo sie sich auch bilden will, auf festen Widerstand stößt.

      Bald sollte sich zeigen, was für verhängnisvolle Folgen in der Tat die Stärkung der kaiserlichen Macht jetzt hatte. Nachdem Wallenstein und Tilly ganz Niedersachsen dem Kaiser unterworfen und den König von Dänemark zum Frieden gezwungen hatten, dachte die katholische Partei daran, diese Lage zu ihren Gunsten auszubeuten, indem sie sich der geistlichen Güter bemächtigte, die seit 1555 von den Protestanten eingezogen waren. Wenn der Kaiser auch nicht ohne Bedenken war, weil er voraussah, daß er sich durch diese Maßregel die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen, deren Anhänglichkeit ihm so nützlich gewesen war, zu Feinden machen würde, entsprach sie doch überwiegend seinen Wünschen und Interessen: die Stifte Magdeburg und Halberstadt, deren Inhaber geächtet waren, übergab er seinem Sohne, dem Erzherzog Leopold Wilhelm. Nach langwierigen Vorarbeiten wurde im März 1629 das Restitutionsedikt erlassen. Wallenstein, obwohl er für nötig und möglich hielt, sämtliche Fürsten der kaiserlichen Zentralgewalt zu unterwerfen, und persönlich mit Abneigung oder Verachtung auf sie herabsah, billigte doch das Edikt nicht, welches den größeren Teil der Nation, deren ängstliche Halbheit bisher dem Kaiser zugute gekommen war, zu entschlossenen Feinden des Kaisers machen würde. Aber eben dieser Wallenstein mit seiner Klugheit, seinem Hochmut, seiner Gewalttätigkeit und seinen undurchsichtigen Plänen war den katholischen Fürsten, besonders dem neuernannten Kurfürsten von Bayern, verhaßt. Sie haßten den Emporkömmling, der sich in ihre Reihen drängte, der ihre Unabhängigkeit bedrohte. Daß er den Kaiser mächtig gegen die Protestanten gemacht hatte, war ihnen recht, nicht daß er es ihnen gegenüber sei. Es versteht sich, daß Ferdinand diesen General, der ihn zum Herrn seiner Feinde gemacht hatte und zum Herrn im Reich machen wollte, nicht gern entließ; auch war er sich seiner Verpflichtung ihm gegenüber einigermaßen bewußt. Aber er war Maximilian von Bayern nicht minder Dankbarkeit schuldig, überhaupt besaß er nicht so viel Kühnheit, um sich der Stellung zu bemächtigen, die Wallenstein ihm zudachte. Er hatte nichts von einem Revolutionär; wenn er Gewaltsamkeiten ausübte, tat er es von den Jesuiten geleitet, und auf ihr Gewissen führte er Gebote der Kirche aus. Die Vorwürfe, die die Fürsten gegen Wallenstein vorbrachten, waren nicht ganz ungerecht: sicherlich sog sein großes Heer das Land aus, hausten die Soldaten wie Wüteriche gegen Freund und Feind, war seine Kriegführung oft wunderlich, sein Verweilen und Zögern und Hin- und Herziehen schien oft dem erforderlichen Zweck nicht zu entsprechen. Dem ließ sich entgegnen, daß der Zweck schließlich doch erreicht wurde, daß auch das ligistische Heer das Land bedrückte, daß niemand den Pelz waschen könne, ohne ihn naß zu machen. Allein es handelte sich nicht um Gründe, sondern darum, ob der Kaiser den Mut hätte, mit Wallenstein einen Staatsstreich zu wagen, und den hatte er um so weniger, als er gerade jetzt seinen Sohn zum Nachfolger gewählt zu sehen wünschte. Wie oft hatte dieser väterliche Wunsch die Kaiser gegen die Wahlfürsten schwach gemacht! Wider Erwarten empfing Wallenstein in Memmingen die Abgeordneten des Kaisers, die ihn von seiner Absetzung in Kenntnis setzten, höflich und ruhig. Er konnte ruhig sein, da sein Rächer schon zur Stelle war: während die Kurfürsten in Regensburg tagten, um den Kaiser zu entwaffnen, im Juli 1630, landete Gustav Adolf an der pommerschen Küste.

      Wie weit überlegen Wallenstein den Fürsten war, zeigte sich auch darin, daß er von Anfang an die Einmischung Gustav Adolfs vorausgesehen und zu verhindern gesucht hatte. Er wußte Bescheid um diesen König des Nordens, den die in Regensburg versammelten Kurfürsten ignorierten. Er ahnte, daß der glimmende Krieg erst jetzt hoch aufflammen würde.

      Ohne die französischen Gelder, die seit der neuesten durch Richelieu herbeigeführten Wendung in der Politik Frankreichs für ihn flüssig geworden waren, hätte Gustav Adolf sich nicht in diesen Krieg gestürzt, zu der keine Stimme aus Deutschland ihn berief, der ihn aufs neue von seinem Lande trennte und ihm eine noch nicht zu berechnende Gegnerschaft gegenüberstellte; denn er war König, für sein Land und Volk verantwortlich, pflegte die Mittel zu seinen Unternehmungen sorglich zu berechnen und dachte nicht daran, seinem Volke Opfer zuzumuten, ohne ihm einen Gewinn in Aussicht zu stellen. Ein solcher war eine etwaige Festsetzung an der deutschen Küste und die Herrschaft über das Meer. Aber wie sehr ihn das auch lockte, ebensosehr stark war der Antrieb, dem bedrängten Glauben zu Hilfe zu kommen. Sein Vater war als Protestant, im Gegensatz zu seinem katholischen Vetter, König von Schweden geworden, sein Bekenntnis war zugleich die Grundlage seines Regiments; aber er hatte das Glück, ohne Zwiespalt zu sein: das, СКАЧАТЬ