Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ dachte hauptsächlich daran, daß er mit dem Landgrafen und anderen evangelischen Staatsmännern seine kriegerischen Pläne ausarbeiten könnte, freute sich auch wohl darauf, den Landgrafen persönlich kennenzulernen, der ihm mit so unbefangener Wärme entgegengekommen war. Luther war gequält von dem Streit menschlicher Rücksichtnahme und der göttlichen Wahrheit, die auf Erden zu verkündigen sein Auftrag war. Wie Gideon die Sonne stillstehen hieß, damit die Schlacht gewonnen werden könne, wollte er den mächtigen Strom der Zeit, der der Gottesferne zustrebte, aufhalten und die Erkenntnis des lebendigen Gottes wieder anfachen.

      Es war eine ansehnliche Gesellschaft, die Philipp im Herbst 1529 auf seinem Schloß in Marburg über der schlanken, seiner Ahnfrau, der heiligen Elisabeth geweihten Kirche, versammelt hatte, so eifrig und achtlos seiner selbst um seine Gäste besorgt, daß Luther später sagte, er sei wie ein Stallknecht einhergegangen, so daß ihm niemand den Fürsten hätte ansehen können. »Und ging doch«, setzt er herzlich hinzu, »mit großen, hohen Gedanken um.« Von Sachsen waren die Theologen Luther, Melanchthon und Justus Jonas gekommen; Zürich und die oberdeutschen Städte hatten auch Staatsmänner mitgeschickt, da es für sie sich gleichzeitig um ein etwaiges politisches Bündnis handelte. Die Straßburger Theologen Butzer und Hedio begleitete Jakob Sturm, von Basel kam der allerseits geliebte und bewunderte Oekolampad, von Philipps Theologen waren der Franzose Lambert und Schnepf anwesend. Der Landgraf hatte es Luther weislich verschwiegen, daß Zwingli selbst erscheinen würde: man durfte also wohl besorgt sein, wie die Begegnung verlaufen würde. Indessen waren die Herren doch so an Förmlichkeiten gewöhnt, daß sich alles zunächst glatt abwickelte; man machte sich gegenseitig Besuche und sagte sich Artigkeiten. Am 1. Oktober morgens um 6 Uhr begannen die Sitzungen, und zwar nahm man zuerst die weniger heiklen Gegenstände vor. Zwingli war in der hohen Stimmung des Siegers: die fünf Orte hatten sich unterworfen, hatten die Urkunde des österreichischen Bündnisses ausgeliefert, hatten sogar versprochen, Lästerungen des Evangeliums in ihrem Gebiet nicht zu erlauben. Wenn der günstige Augenblick erfaßt würde, hoffte er, daß der Widerstand der Altgläubigen auch im Reich und vielleicht sogar jenseits des Reiches, in Frankreich, zusammenbrechen würde. Luther war überrascht, daß sich Zwingli in bezug auf die Dreieinigkeit und die Gottheit Christi zufriedenstellend vernehmen ließ. Wie alle diejenigen, die das Ethische für das Wesentliche in der Religion ansehen, das Sakral-Mystische für etwas Zufälliges, historisch Bedingtes, war er duldsam in den dogmatischen Fragen. Einzig in der Abendmahlsfrage war er hartnäckig, denn er hatte sich eingehend damit beschäftigt und glaubte, daß Luther in einem schädlichen, häßlichen, beinah komischen Aberglauben befangen sei, den man dem Gebildeten nicht zumuten, zu dem man das Volk nicht verleiten dürfe.

      Es ist bekannt, daß Luther während einer Sitzung die Tischdecke zurückschlug und mit Kreide die Worte » Hoc est corpus meum« auf die Tischplatte schrieb. Das Wort »ist« setzte er wie einen unübersteiglichen Block in die Verhandlungen, um damit jede Verständigung unmöglich zu machen, so daß den Zuhörern, denn es führten immer nur zwei das Gespräch, das aussichstlose Hämmern auf den Worten »ist« und »bedeutet« schließlich langweilig wurde. Zwingli selbst war überzeugt, Luther in die Enge getrieben und überwunden zu haben, was dieser nur aus Hochmut und Eigensinn nicht zugeben wolle. In Wahrheit war Luthers Genialität in der Auffassung des Göttlichen Zwingli unendlich überlegen. Gerade die große Schrift über die Abendmahlsfeier, die 1527 erschien, gewährt einen Einblick in die Großartigkeit seines anschauenden Denkens und die ganze Unzulänglichkeit von Zwinglis Betrachtung der Frage. Zwinglis Verachtung des Standpunktes der Gegner, als wären sie nicht besser als Menschenfresser, weil sie Christi Fleisch verzehren wollten, verrät eine grobmaterielle Auffassung, die Luther fernlag. Seine Begründung, Christus könne nicht im Brot und Wein sein, weil er zur Rechten Gottes sitze, war so kindisch, daß die hinzugesetzten philosophischen Schnörkel sie nicht diskussionsfähiger machten. Die Abschnitte in Luthers Schrift, wo er solche Unterstellungen zurückweist, gehören zu den herrlichsten Phantasien über das Wesen des Göttlichen, die er in Worte gefaßt hat. Er sah die ewige Kraft wirken über allen Geschöpfen und in allen Geschöpfen von den Sternen zu seinen Häupten bis zum Kraut zu seinen Füßen, er sah sie aufglühen in der menschlichen Sehnsucht, ihr zu begegnen, er war sich ihrer unendlichen Ferne, Unbegreiflichkeit und Unzugänglichkeit bewußt und fühlte sie in der Nähe seines Herzens. In seinen Worten spiegelte sich das Geheimnis der Trinität, des Einzelnen in seiner Beziehung zum Ganzen, das zugleich Person und All und die Einheit von beiden ist. Was Zwingli dem entgegenzusetzen hatte, war trocken und eng, aber es war verständig und kam der Fassungskraft der Menschen entgegen. Seine scharfe Trennung des Menschlichen und Göttlichen in Christus, auf die er sich berief, bedeutete im Grunde ein Beiseiteschieben des Göttlichen, worauf der Mensch Christus übrigblieb. Nur als Mensch konnte er dem Menschen Lehrer und Vorbild sein, und das war, worauf es Zwingli ankam.

      Zu seinem Kummer mußte sich der Landgraf überzeugen, daß es unmöglich war, das Abendmahl betreffend, eine Formel zu finden, auf die die beiden Reformatoren sich hätten einigen können. Um aber doch eine Frucht des Gesprächs zu gewinnen, setzte er es durch, daß ein Verzeichnis aller Punkte zusammengestellt wurde, in denen die anwesenden Geistlichen übereinstimmten; es waren alle mit Ausnahme des Abendmahls. Luther war nicht zufrieden damit; denn er empfand, daß der wesentliche Unterschied in seiner und Zwinglis Auffassung sich ebensowohl auf die anderen Punkte bezog, wenn auch Zwingli sich darin teils nachgiebig zeigte, teils in einem gewohnten Geleise sich bewegend, die Verschiedenheit nicht bemerkte. Luther faßte den Eindruck, der sich ihm aufgedrängt hatte, in die Worte: »Ihr habt einen anderen Geist als wir.« Um dieses anderen Geistes willen glaubte er Zwingli nicht als Bruder betrachten zu dürfen. Einen bitteren Beigeschmack hatte die Scheidung dadurch, daß die Reichsgewalt den Anhängern Luthers bis zu einem gewissen Grade Duldung gewährte, die Zwinglis als offenbare Ketzer verwarf. Indem Luther von sich aus eine Trennung vollzog, schien er aus dem Urteil der Altgläubigen Vorteil ziehen zu wollen, schien er einen Teil der evangelischen Brüder zu verleugnen, um sich bei den Feinden beider, den Anhängern des Antichrists, beliebt zu machen. Seine Feinde konnten sagen, er habe ja auch die Bauern preisgegeben, um selbst ungefährdet zu bleiben. Melanchthon waren berechnende Gedanken nicht ganz fern.

       Inhaltsverzeichnis

      Während Zwingli in der Abendmahlslehre sich von Luther trennte und den hohen Wert, den Luther diesem Sakrament beilegte, für eine päpstlich rückständige Gewohnheit hielt, in der Luther steckengeblieben sei, stimmte er in bezug auf die Taufe mit ihm überein. Im Grunde freilich war auch sie für ihn kein Sakrament, sondern ein Abzeichen; aber er ließ das auf sich beruhen. Nun bildete sich eine evangelische Sekte, die die Taufe kleiner Kinder für sinnlos hielt; denn in der Schrift heiße es: wer da glaubet und getauft wird, wird selig werden, neugeborene Kinder aber nicht glauben könnten. Außerdem werde in der Heiligen Schrift, der Quelle des evangelischen Glaubens, die Taufe nur an Erwachsenen, nicht an Kindern vollzogen. Den Reformatoren, die durch diese Bemerkungen in Verlegenheit gesetzt werden mußten, kam Luther mit einer tiefsinnigen Behauptung zu Hilfe. Wenn Glauben Empfänglichkeit für das Göttliche sei, sagte er, warum dann kleine Kinder nicht sollten glauben können? Vielleicht hätten sie mehr Glauben als die Erwachsenen. Ferner legte er Gewicht auf die Paten des Kindes, die mit ihrem Glauben für den seinigen einträten. Hier bewährte sich sein Gedanke vom mystischen Körper der Kirche. Wie er überzeugt war von der Wirkung des Gebetes für andere und, wenn er an schwermütigen Stimmungen litt, seinen Freunden vorwarf, daß sie nicht für ihn beteten, meinte er auch, daß der Glaube der Paten etwa mangelnde Glaubensfähigkeit des Kindes ausgleichen könne. Zwingli begnügte sich damit, daß die Taufe der Christen an die Stelle der israelitischen Beschneidung getreten sei, die man an Kindern vollzogen habe. Immerhin, da die Taufe zur Zeit Christi und der Apostel in der Tat an Erwachsenen vollzogen wurde, hätte ein Festhalten daran Evangelischen nicht als unleidliche Ketzerei zugerechnet werden sollen. Wenn die Wiedertäufer von Katholiken und Protestanten als der Abschaum der Menschen verworfen und verfolgt wurden, wenn unter dem Namen der Wiedertäufer alles zusammengefaßt wurde, was den Bau der Gesellschaft zerstört, so kann das nicht wohl durch den Gebrauch der Erwachsenentaufe erklärt werden. СКАЧАТЬ