Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ Soldaten war. Der Papst erklärte sich bereit, eine gewisse Summe zu ihrer Befriedigung zu geben, aber nicht soviel wie verlangt wurde. Eine Meuterei entstand, die nicht einmal das persönliche Dazwischentreten Frundsbergs stillen konnte: als die Empörer die Spieße auf ihren Vater richteten, brach er, vom Schlage getroffen, zusammen. Ein Jahr lang versuchten die Ärzte des Herzogs von Ferrara vergeblich ihre Kunst an ihm, er verlangte heim und kam rechtzeitig in Mindelheim an, um dort zu sterben. Doppelt erbittert über den Verlust, der die aufgeregten Soldaten jäh ernüchtert hatte, zog das deutsch-spanische Heer über den Apennin und erstürmte die Ewige Stadt am 6. Mai. Da der Papst, in Erwartung französischer Hilfe, sich auch jetzt noch weigerte, die zur Entschädigung der Truppen verlangte Summe zu zahlen, begann die Plünderung. Zwei Wochen lang verheerte ein ausgelassenes, wütendes Kriegsvolk mit Raub und Mord die üppige Herrin des Abendlandes. Die Deutschen waren dabei, obwohl Lutheraner und erpicht auf Essen und Trinken wie auf Geld, das sie rasch wieder verspielten, weniger grausam als die katholischen Italiener und Spanier. Mit dem heidnisch übermütigen, glanzvollen, Göttern sich gleichsetzenden Rom war es für immer aus. Eine Epoche schwindelnd hoch gesteigerter Kultur war zu Ende. Die Humanisten trauerten; daß Melanchthon in die Klage über den Fall der großen Mutter einstimmte, die Gesetze, Wissenschaften und Künste der Welt gegeben habe, zeigt, wie der doppelte Ursprung des geistigen Lebens in Deutschland bis in die Seelen der einzelnen sich verzweigte und nebeneinander herging oder miteinander verschmolz. Der Staatsmann Karl V. freute sich über die Bestrafung seines italienischen Gegners, als Kaiser und Katholik beklagte er das Unglück des Heiligen Vaters. Er stellte sogar die Festlichkeiten zur Geburt seines Sohnes Philipp ab, die um diese Zeit Spanien mit Jubel erfüllte.

       Inhaltsverzeichnis

      Hutten sagte einmal, es unterscheide ihn von anderen, daß der gemeine Schmerz ihm weher tue als ihnen und tiefer vielleicht zu Herzen gehe. Ähnlich sagte Zwingli: »Wo Haß ist, da hat man nicht Sorge füreinander; so ich nun dem bresthaften Regiment und gemeinem Nutz unter der Eidgenossenschaft gern zu Hilfe käme, ist das nicht ein Zeichen des Hasses, sondern der Liebe, die ich bei Gott all meiner Tage von Kindheit an so groß und stark gegen eine fromme Eidgenossenschaft gehabt habe, daß ich in meinen jungen Tagen deshalb fleißig in allerlei Künsten und Klugheit gewesen bin«. Eine Verwandtschaft der Anlage war es vielleicht, die Zwingli sich des sterbenden Flüchtlings so warmherzig annehmen ließ. Bei beiden war die Liebe zum Vaterlande der stärkste Antrieb des Handelns. Obwohl er der Reformator seiner Heimat geworden ist, war Zwingli aus eigenem Geiste fruchtbar, nicht sosehr auf religiösem als auf politischem Gebiet. Seiner großen Begabung wegen, die sich früh zeigte, ließ sein Vater ihn studieren und Geistlicher werden. Er trieb die theologischen Studien gründlich als ein tüchtiger Mensch, der tut, was ihm obliegt, aber mit ausgesprochener Neigung die humanistischen. Mit den Humanisten teilte er die Bewunderung des Erasmus, dessen religiöse Haltung wurde sein Vorbild. Die Rückkehr zu den Quellen verlangte das Studium der Heiligen Schrift, besonders des Neuen Testamentes, das Erasmus aus dem griechischen Urtext übersetzt und gleichsam in die Reihe klassischer Schriften erhoben hatte. Aus ihm schöpfte Erasmus die Regeln schlichter Frömmigkeit und Milde, worin er das Wesen der Religion sah. Ein Gedicht des Erasmus, in dem er Jesus sich beklagen läßt, daß die Menschen nicht auf ihn allein hören und ihm allein nachfolgen, der der Brunnen alles Guten sei, machte besonderen Eindruck auf Zwingli. Er legte von nun an die Heilige Schrift allen seinen Predigten zugrunde.

      Die Bibel und Christus, das waren auch für Luther die bestimmenden Eindrücke; aber sehr verschieden war Ursprung und Art derselben bei Luther und bei Zwingli. Bei Luther war erschütterndes Erlebnis, was bei Zwingli erhellend und befreiend sich aus Studium und Nachdenken ergab. Groß war auch die Verschiedenheit der beiden Persönlichkeiten: um Zwinglis heitere Stirn wehte die Schneeluft seiner Berge, flammte das Blau des Himmels der Alpen; Luthers Stimme scheint bald aus einem feuchten Urwald, bald von den Sternen her zu dringen. Was Zwingli dachte und sagte, war klar, plastisch, abgeschlossen, hinter Luthers Worten tut sich eine unendliche Tiefe auf, in der sie langsam verströmen, indes ihr Klang zurückbleibt. Beide waren sehr musikalisch; von Zwingli wird erzählt, daß er mit allen zu seiner Zeit üblichen Instrumenten – Laute, Harfe, Geige, Trummscheit, Hackbrett, Waldhorn – richtig umzugehen wußte, sowie er sie in die Hand bekam. Aber für Luther war die Musik eine göttliche Kunst, recht für den Gottesdienst geeignet, eine unmittelbare Verkündigung des göttlichen Wortes, während Zwingli die Orgel aus der Kirche verbannte. Auch Zwinglis Sprache hatte gestaltende Kraft und Anschaulichkeit, Luthers war dazu noch voll Melodie, Schmelz und Süßigkeit, sie war vor allen Dingen geladen mit magischer Gewalt. Luther war zugleich Saul und David, das wunderbare Kind, das dem düsteren Gebieter die tröstende Harfe spielt, und der schwermütige Tyrann, der den Speer nach dem Knaben schleudert. Zwingli war ein tapferer Kämpfer gegen äußere Mächte; innere Kämpfe kannte er kaum. Es waren Gegensätze des Lebens, in deren Streit er sich mischte, in denen er siegen oder untergehen konnte; keine unlösbaren, die die Brust zerfleischen, die ihr Schauplatz ist. Es war, als ob die beiden starken Persönlichkeiten, gleich alt, in manchem ähnlich und doch im Grunde entgegengesetzt, durch die große Entfernung hindurch abstoßend aufeinander wirkten.

      Als Zwingli zuerst von Luthers Auftreten gegen den Papst hörte, nannte er ihn freilich bewundernd einen Elias. Luther reihte sich ein in die Schar der geistlichen Humanisten, die die Sache der Freiheit und Vernunft und echten Religiosität gegen Scholastik, Aberglauben und Verderbtheit führten. Zwingli war gerecht genug, dies, daß Luther der erste war, der sich offen gegen die päpstliche Zwingherrschaft und Glaubensverfälschung erhob, nie zu vergessen. Daneben aber war er von Eifersucht nicht frei, die ihn trieb, seine Unabhängigkeit zu betonen. Er hielt darauf, daß man wisse, er habe den evangelischen Grundsatz, den Glauben auf die Heilige Schrift zu gründen, selbständig, ohne Luthers Einfluß erfaßt und befolgt. Als er im Jahre 1518 an das Großmünster in Zürich berufen wurde, fing er an, das ganze Evangelium des Matthäus auf der Kanzel zu erklären, eine aufsehenerregende Neuheit. Ein zufälliger, alltäglicher Umstand gab im Jahre 1522 den Anlaß zur kirchlichen Umwälzung. Eine kleine Gesellschaft angesehener Züricher, unter ihnen Zwingli, fand sich an einem Freitag bei dem berühmten Buchdrucker Christoph Froschauer zusammen und wurde, da es Fastentag war, mit Küchlein bewirtet. Vielleicht war einer der Geladenen oder Froschauer selbst ein Liebhaber von Wurst, vielleicht wollten sie auch ihren freien Standpunkt zeigen, genug, der Gastgeber brachte eine Wurst herbei, zerschnitt und verteilte sie. Zwingli beteiligte sich nicht; hernach aber, als der Rat die Übertretung strafen wollte, verfaßte er eine Schrift über die christliche Freiheit, die den Umschwung einleitete.

      Während Luther, allerdings unter der Hand von seinem Fürsten beschützt, sich allein mit seiner Person für das, was er lehrte, einsetzen mußte, ging Zwingli von Anfang an Hand in Hand mit der Züricher Regierung vor. Sie schlug den Untertanen gegenüber einen befehlshaberischen Ton an: »Wenn aber jemand weiterhin widerstreben und seine Lehre nicht mit der Heiligen Schrift beweisen würde, so werden wir gegen ihn nach unserem Gutfinden so scharf vorgehen, wie wir es lieber nicht tun möchten.« Als verstehe sich das von selbst, nahm die Regierung, und zwar mit Zwinglis Einverständnis, das Recht in Anspruch, den Glauben ihrer Untertanen zu bestimmen. Auch Luther unterstellte die Kirche der weltlichen Obrigkeit, aber er tat es aus Not, weil sie sich sonst überhaupt nicht hätte halten können, und nicht ohne quälendes Bedenken. Allerdings war Luther Untertan eines Fürsten, Zwingli der eines republikanischen Stadtrates, der annähernd als Vertretung der Gemeinde aufgefaßt werden konnte. Trotzdem blieb die Tatsache, daß die Kirche von einer weltlichen Regierung beherrscht wurde. In der Eidgenossenschaft war dieser Wechsel nicht so spürbar wie im Reich, weil die eidgenössische Regierung sich schon seit geraumer Zeit in vielen Dingen, besonders in den finanziellen, unabhängiger vom Papst gemacht hatte. Nach der vollständigen Loslösung wurde in den reformierten Kantonen das staatliche Wesen so mit dem kirchlichen verschmolzen, daß, ähnlich wie in England, Staatszugehörigkeit und Kirchlichkeit zu einem einheitlichen Patriotismus zusammenschmolz. Beide, Vaterlandsliebe und Religion, verstärkten sich gegenseitig, eher mehr noch die Religion die Vaterlandsliebe als umgekehrt. Sowohl Zwingli wie Luther hatten einen so mächtigen СКАЧАТЬ