Название: Einigkeit und Recht und Freiheit
Автор: Jörg Koch
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783170401860
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Welcker, ein führender Repräsentant des badischen Liberalismus, war Redakteur der Zeitung »Der Freisinnige« und Mitherausgeber des »Rotteck-Welckerschen Staatslexikons«, eines deutschlandweit beachteten Standardwerkes zum politischen Wissen seiner Zeit. Welckers politische Haltung, die ihm mehrfach Pressezensur und Berufsverbot einbrachte, entsprach der seines Kollegen Hoffmann von Fallersleben. Welcker war 1848/49 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, der auch überregional bekannte Gelehrte, Dichter und Publizisten wie Ernst Moritz Arndt, Friedrich Christoph Dahlmann (1785–1860), Friedrich Ludwig Jahn (1778–1852), Heinrich von Gagern (1799–1880), Jacob Grimm (1785–1863) oder Ludwig Uhland (1787–1862) angehörten. In der »48er Revolution«, deren Teilnehmer voller Begeisterung das »Deutschlandlied« aufnahmen und verbreiteten, sollten sich kurzzeitig die politischen Forderungen des Wartburgfestes und des Hambacher Festes erfüllen. Auch wurden Schwarz-Rot-Gold, die Farben der liberalen Bewegung, zum Symbol der Revolution und der Nationalversammlung. Die dazu passenden patriotischen Lieder wurden vor allem in den konstitutionellen Staaten Süd- und Mitteldeutschlands über die wachsenden Männergesangsvereine kultiviert. Mitte des 19. Jahrhunderts existierten rund 1.100 dieser Vereine mit ca. 100.000 Mitgliedern. Die Sängerbewegung bildete die an Mitgliederzahl größte und auch territorial am weitesten verbreitete Organisation mit eindeutig nationalpolitischem Anspruch.14 Zum festen Repertoire dieser Gesangsvereine gehörten die Lieder »Lützows wilde Jagd« von Theodor Körner (1791–1813), »Rheinlied« von Nikolaus Becker, Max Schneckenburgers »Die Wacht am Rhein«, Ernst Moritz Arndts »Was ist des Deutschen Vaterland« oder Max von Schenkendorfs »Freiheit, die ich meine« sowie »Das freie Wort« von Georg Herwegh (1817–1875) – und August Heinrich Hoffmann von Fallerslebens »Lied der Deutschen«. Die rasche Popularität des »Deutschlandliedes« ist auch dem renommierten und geschäftstüchtigen Verleger zu verdanken, der bereits mehrere Werke von Hoffmann verlegt hatte. Julius Campe, der zu den »geistigen Zentren des deutschen Vormärz« zählte,15 hatte zuvor schon Heinrich Heine (1797–1856), Ludwig Börne (1786–1837) und Friedrich Hebbel (1813–1863) unter Vertrag. Zwar hieß es im Erstdruck »Text Eigentum des Verlegers«, doch wie damals vielfach üblich, wurde das »Lied der Deutschen« unautorisiert nachgedruckt. Hoffmann selbst nahm es 1842 in seinen Band »Deutsche Lieder aus der Schweiz« auf.
Während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 standen die Fürsten- und Landeshymnen sowie Heimatlieder der einzelnen Bundesstaaten im Vordergrund, etwa »Schleswig-Holstein meerumschlungen«, »Ich bin ein Preuße«, »Gott mit dir, du Land der Bayern«, »Heil dir mein Badnerland« oder »Heil dir, du schönes Siegerland« und das »Westfalenlied«. Mit der Reichsgründung am 18. Januar 1871 hatten die Deutschen endlich einen Nationalstaat, mit Berlin eine Hauptstadt und mit Wilhelm I., dem Deutschen Kaiser, auch ein Staatsoberhaupt. Die Reichsflagge wehte in den Farben Schwarz-Weiß-Rot, doch eine gemeinsame Nationalhymne existierte nicht. Bei offiziellen Anlässen erklang die seit 1795 übliche preußische Volkshymne »Heil dir im Siegerkranz«.
9 Zit. nach Fritz Andrée: Hoffmann von Fallersleben, 1972, Höxter, S. 49.
10 Hans Benzmann (Hg.): August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Ausgewählte Werke in vier Bänden, Leipzig 1905, Bd. 3 (»Mein Leben«), S. 196.
11 Zit. nach Hamburger Abendblatt, 23.09.1991.
12 Hoffmann von Fallersleben: Mein Leben, Bd. 3, S. 197.
13 Zit. nach Zeitschrift für Musik, Monatsschrift für eine Geistige Erneuerung der deutschen Musik, hg. von Gustav Bosse, Heft 5/1936, Regensburg 1936, S. 523.
14 S. Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2, München 1987, S. 402
15 Ebd., S. 537.
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Exkurs: »Heil dir im Siegerkranz«
Vorbild der preußischen Hymne war das »Lied für den dänischen Untertan, an seines Königs Geburtstags zu singen in der Melodie des englischen Volksliedes »God save George the King«, eine Dichtung des 1762 in Flensburg geborenen und 1802 in Brügge verstorbenen Heinrich Harries. In seiner Geburtsstadt, die zum Herzogtum Schleswig und damit zum Königreich Dänemark gehörte, wirkte Harries als Schriftsteller und Pfarrer. Mit Begeisterung hatte er die Französische Revolution im Juli 1789 aufgenommen, war sich aber sicher, einen solchen Umbruch brauche sein Land nicht, da hier Forderungen wie Pressefreiheit oder Aufhebung der Leibeigenschaft bereits verwirklicht waren. Seinem Landesherrn fühlte er sich dankbar verbunden, so dass er sein Lied am 27. Januar 1790, zwei Tage vor dem 41. Geburtstag König Christians VII. (1749–1808) im »Flensburger Wochenblatt für Jedermann« veröffentlichte. Es begann mit den Worten »Heil dir, dem liebenden Herrscher des Vaterlands! Heil, Christian, dir!«.
In Dänemark wurde dieses Lied nicht populär, auch wäre die Entstehungsgeschichte verloren gegangen, hätte nicht der in Kiel geborene Jurist Balthasar Gerhard Schumacher (1755–1802) Kenntnis von diesem Lied erlangt und dieses umgedichtet. Seit 1793 lebte er in Berlin, er verkürzte Harries’ Fassung auf fünf Strophen und veröffentlichte sie als »Berliner Volksgesang« zu Ehren des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II. (1744–1797) am 17. Dezember 1793 in der »Spenerschen Zeitung«. Ein Verweis auf die Urfassung unterblieb – erst Jahrzehnte später stellte sich heraus, dass Schumacher ein Plagiat vorgelegt hatte – doch die Melodie, also die britische Königshymne war angegeben. »Heil dir im Siegerkranz« erklang erstmals im Königlichen Nationaltheater Berlin am 25. September 1795 in Gegenwart Friedrich Wilhelms II. zu Ehren seines 51. Geburtstags. Schnell wurde es im ganzen Land bekannt und beliebt und galt seitdem als preußische Herrscherhymne, die an den Geburtstagen des Landesherrn, Thronjubiläen und anderen offiziellen Feiern gespielt und gesungen wurde. In den kommenden Jahren, nach Gründung des Deutschen Bundes 1815, nahmen sich die Königreiche Bayern, Hannover und Württemberg, die Großherzogtümer Hessen und Baden sowie die Fürstentümer Anhalt und Schaumburg-Lippe ein Vorbild an der Preußenhymne und ehrten mit entsprechender Abweichung bei Beibehaltung der englischen Melodie ihren jeweiligen Landesherrn, in Bayern etwa mit »Heil, unserm König, Heil!«. Die Melodie wird dem englischen Dichter und Komponisten Henry Carey (1687–1743) zugeschrieben.
Mit Gründung des Deutschen Kaiserreichs und der Ausrufung des preußischen Königs Wilhelm zum Deutschen Kaiser Wilhelm am 18. Januar 1871 wurde aus der Preußenhymne die Kaiserhymne. Als solche wurde sie erstmals am Tag der Proklamation im Spiegelsaal des Versailler Schlosses gespielt und gesungen, wie der
Abb. 5: Flagge des Deutschen Kaiserreichs mit der Aufschrift »Heil Dir im Siegerkranz«, Postkarte von 1914.
Historiker und Verleger Theodor Toeche-Mittler (1837–1907), ein Teilnehmer der Festversammlung, rückblickend schilderte:16
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